DFB:Prozess? Abgelehnt!

Das Landgericht Frankfurt will trotz Anklage kein Steuer-Verfahren gegen frühere DFB-Funktionäre eröffnen. Die Zahlung der ominösen 6,7 Millionen Euro sei als Entlohnung für Franz Beckenbauer zu sehen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Einen passenderen Termin hätte sich das Landgericht Frankfurt kaum aussuchen können. Vor genau drei Jahren, am 16. Oktober 2015, brach die "Sommermärchen-Affäre" aus, ein dunkler Schatten fiel auf die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Nun entschied das Landgericht nahezu pünktlich zum dritten Jahrestag: Die Causa wird - zumindest vorerst - nicht zu einem Gerichtsverfahren in Deutschland führen.

Zwar hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft kürzlich Anklage erhoben: gegen die früheren DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung sowie gegen den früheren Fifa-Generalsekretär Urs Linsi wegen des Verdachts auf Beihilfe. Doch am Montag teilte das Landgericht mit, dass es die Anklage nicht zulässt. Zu beurteilen hatte das Gericht die inzwischen weltberühmte 6,7-Millionen-Euro-Zahlung, die im April 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee an den Weltverband Fifa ging. Deklariert war die Summe als Beitrag zu einer WM-Gala; tatsächlich floss das Geld damals via Fifa direkt weiter an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Laut Aktenlage offenbar, um ein Privat-Darlehen Beckenbauers bei dem Unternehmer zu tilgen. Der von den Deutschen bei der Überweisung angegebene Zweck (WM-Gala) war in jedem Fall falsch. Dennoch, und nur darum ging es in dem Verfahren, sei die Zahlung vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu Recht als Betriebsausgabe deklariert worden, befand das Frankfurter Gericht.

Kein Sommermärchen-Prozess also. Interessant ist, wie das Landgericht diese Entscheidung begründet. Gemäß dem Gerichtsbeschluss, der der SZ vorliegt, sieht es als Zweck der Zahlung eine "Entlohnung" von Franz Beckenbauer - für dessen Verdienste rund um die Vergabe der WM 2006 und später bei dessen Organisation. Das ergebe sich aus der Anklage und der Aktenlage. Zudem lege der Überweisungstermin, also ein gutes Jahr vor WM-Beginn, den Schluss nahe, dass die Zahlung Beckenbauer ermuntern sollte, sich auch weiterhin so zu engagieren.

Organisationskomitee Fußball-WM 2006

Sehen sich womöglich doch nicht vor Gericht wieder, jedenfalls nicht in Frankfurt: Die ehemaligen DFB-Funktionäre Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach (v. l., hier 2005).

(Foto: DB Kunz/dpa)

Beckenbauer war als Chef des Organisationskomitees (OK) formal ehrenamtlich tätig, wie stets betont wurde. Dazu hält das Landgericht fest, dass nach den OK-Statuten eine Honorierung zwar nicht vorgesehen war. Eine Entlohnung Beckenbauers sei dennoch eine Betriebsausgabe gewesen. Dass die 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung nicht so dargestellt wurden, sondern als Beitrag für eine Gala, die nie stattfand, spiele keine Rolle. Entscheidend ist steuerrechtlich, dass es sich um eine Betriebsausgabe gehandelt habe; egal, um welche.

Sollte es so gewesen sein, hätte Beckenbauer im Zuge seiner formal ehrenamtlichen Tätigkeit also noch mehr kassiert als ohnehin schon bekannt. Denn wie sich im Zuge der WM-Affäre herausstellte, flossen 2005 und 2006 vom DFB auch 5,5 Millionen Euro im Kontext eines Oddset-Werbevertrags an den berühmten Repräsentanten. Zudem erhielt die Franz-Beckenbauer-Stiftung nach dem Turnier 600 000 Euro.

Doch beendet ist die Affäre mit diesem Beschluss des Landgerichtes noch lange nicht. Die offenen Fragen betreffen insbesondere den Ausgangspunkt der Millionen-Schiebereien: die Vorgänge 2002. Damals flossen in einem unübersichtlichen Kreislauf zehn Millionen Franken nach Katar zum langjährigen Fifa-Funktionär Mohammed bin Hammam. Ursprünglich begannen die Transaktionen mit Überweisungen von einem Beckenbauer-Konto, letztlich sprang Adidas-Mann Louis-Dreyfus als Kreditgeber ein.

Warum das Geld damals in der Wüste landete und wie es von dort weiterfloss, ist bis heute nicht geklärt. Den Vortrag der Beteiligten, es habe sich um einen Vorschuss gehandelt, damit der DFB im Gegenzug 250 Millionen Franken WM-Zuschuss von der Fifa bekommen könne - diesen Vortrag wiesen die Staatsanwaltschaft und nun auch das Landgericht als unglaubwürdig zurück. Die Staatsanwaltschaft ging im Laufe ihrer Ermittlungen nicht zuletzt dem Verdacht nach, dass die Zahlung im Kontext eines TV-Rechte-Deals zu sehen sei, von dem Beckenbauer persönlich profitierte (SZ vom 11.11.2017). Das stützt unter anderem eine interne Notiz von Louis-Dreyfus' Bank. Zudem hielt die Behörde fest, dass der Charakter des Darlehens "privat" gewesen sei.

Was die Rückzahlung 2005 angeht, verblüffte die Staatsanwaltschaft selbst, als sie im Frühjahr, zweieinhalb Jahre nach der Spiegel-Enthüllung zur Millionen-Zahlung und nach mehr als 5000 Seiten Ermittlungsarbeit, ihre Anklage vorlegte. Denn da schrieb sie selbst, dass das Geld geflossen sei, um Beckenbauer für seine formal ehrenamtliche Tätigkeit zu "danken". Diese Vorlage nutzten die Verteidiger der Angeschuldigten, und nun urteilte auch das Gericht entsprechend.

"Ich habe immer betont, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe völlig haltlos sind. Jetzt bin ich einfach nur sehr erleichtert", sagte Wolfgang Niersbach. Die Anwälte von Horst R. Schmidt teilten mit: "Wie die Verteidigung bereits vom ersten Tag der Ermittlungen - vor drei Jahren - vorgetragen hat, hat Herr Schmidt sich zu keinem Zeitpunkt strafbar gemacht." Theo Zwanziger nannte die Entscheidung "sachgerecht". Gegen das Trio war ermittelt worden, dass es für die falsche Steuererklärung verantwortlich gewesen sein soll. Beckenbauers Anwalt äußerte sich auf Anfrage nicht. Der DFB begrüßte den Entscheid. Er war im Laufe der Affäre zu einer Nachzahlung von mehr als 22 Millionen Euro verdonnert worden, weil ihm das Finanzamt für 2006 einen geänderten Steuerbescheid zustellte und die Gemeinnützigkeit aberkannte. Formal ist das zwar ein anderes Verfahren, aber die Aussichten sind gut, dass der DFB das Geld zurückerhält. Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Woche Zeit, Beschwerde einzulegen. Dann ginge die Causa ans Oberlandesgericht. Aber in jedem Fall beschäftigt sich die Schweizer Bundesanwaltschaft mit den 6,7 Millionen Euro. Sie ermittelt wegen Verdachts auf Betrugs und Untreue gegen Niersbach, Schmidt und Zwanziger - und auch gegen Beckenbauer, der anders als in Frankfurt nicht Zeuge, sondern Beschuldigter ist.

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