Wahl zum DFB-Präsident:Zwei Kandidaten im falschen System

Wahl zum DFB-Präsident: 13 Präsidenten hatte der DFB in seiner langen Geschichte, am Freitag gibt es den fünften neuen binnen einem Jahrzehnt.

13 Präsidenten hatte der DFB in seiner langen Geschichte, am Freitag gibt es den fünften neuen binnen einem Jahrzehnt.

(Foto: Christopher Neundorf/Kirchner/Imago)

Zum ersten Mal wird über den DFB-Präsidenten per Kampfabstimmung entschieden. Doch der Favorit macht einen entscheidenden Fehler - und der Außenseiter wirkt nicht so, als sei er dem Amt gewachsen.

Kommentar von Claudio Catuogno

Seit mehr als zwanzig Jahren, seit dem Abgang von "Papa" Egidius Braun, hat der DFB kein Glück mehr mit seinen Präsidenten gehabt. So könnte man die Lage zusammenfassen vor dem DFB-Bundestag an diesem Freitag - wenn es denn eine Frage von Glück oder Pech wäre, ob ein DFB-Präsident diesem Amt gewachsen ist.

Da war Gerhard Mayer-Vorfelder (2001 bis 2006): Skandalpolitiker, strammer Rechtsaußen (nicht auf dem Rasen), schon damals ein sehr aus der Zeit gefallener Mann. Gefolgt von Theo Zwanziger (2006 bis 2012), der zunächst glaubwürdig durchlüftete und die Kraft des Fußballs für die Gesellschaft erkannte - ehe er sich in seine Selbstherrlichkeit und in unzählige Kleinkriege zurückzog. Dann war da Wolfgang Niersbach (2012 bis 2015), Typ netter Onkel, der vor allem in Ruhe Fußball gucken wollte - er stürzte, weil er die WM-2006-Affäre nicht sachgerecht aufklärte. Woraufhin Reinhard Grindel auf die Bühne geschoben wurde (2016 bis 2019), ein Hinterbänkler aus dem Bundestag, der schlicht zu kleingeistig war für die Größe der Aufgabe. Am Ende stolperte Grindel über eine Luxusuhr.

Und schließlich Fritz Keller, Winzer, Unternehmer, Macher beim SC Freiburg: Er hatte leider nicht verstanden, dass er bloß die Rolle als Grüßaugust ausfüllen sollte, während im Hintergrund andere ihr Intrigensüppchen kochten, zuvorderst der Dauer-Vizepräsident Rainer Koch. Um den aufbrausenden Keller war es geschehen, als er Koch mit einem Nazi-Richter verglich.

Erwischt der DFB einfach immer die Falschen? Oder ist das System so falsch, dass es darin den Richtigen gar nicht geben kann?

Bernd Neuendorf scheut den radikalen Schnitt, der beim DFB nötig wäre

Diese Frage hat sich bestimmt auch der SPD-Politiker Bernd Neuendorf, 60, gestellt, der Favorit auf das Amt als oberster deutscher Fußballrepräsentant. Ein Mann, den Weggefährten als bedächtig und integer beschreiben - der aber bisher nicht den Eindruck erweckt, als habe er wirklich verstanden, dass es für einen Neuanfang in diesem DFB nicht nur guten Willen und ein paar neue Leute braucht. Sondern zunächst den radikalen Schnitt mit den alten Leuten. Mit dem falschen System also.

Wie nötig der Bruch ist, zeigt das Affärengewitter der vergangenen Monate, in dessen Zentrum immer wieder Rainer Koch steht: vom Einsetzen einer Marionetten-Ethikkommission über mutmaßliche Alibi-Gutachten bis zu jenem mit 360 000 Euro vergüteten Beratervertrag ohne erkennbare Gegenleistung, wegen dem vergangene Woche sogar die Staatsanwaltschaft zur Razzia beim DFB vorbeischaute.

Die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" hat den Versuch aufgegeben, den DFB zu erneuern

Für so einen echten Neuanfang im DFB wollte eine Zeit lang die Initiative "Fußball kann mehr" stehen; eine Gruppe im Fußball engagierter Frauen, die plante, eine Doppelspitze für das Präsidentenamt aufzubieten. Aber die Frauen haben den Versuch bald wieder aufgegeben, ein System zu erneuern, das vor allem eines im Sinn hat: mit allerlei Finten die eigene Erneuerung zu bekämpfen.

Und trotzdem steht der DFB am Freitag zum ersten Mal überhaupt vor einer Kampfabstimmung ums höchste Amt. Neben Neuendorf bewirbt sich noch Peter Peters, 59, langjähriger Finanzchef von Schalke 04. Dass Peters ein geeigneter Präsident wäre, glaubt kaum jemand in der Branche, und wer ihn vor zwei Wochen im ZDF-Sportstudio hat herumstammeln sehen, der ahnt auch, warum. Das Einzige, was Peters' Bewerbung tatsächlich verspricht: das System Koch zu beenden. Neuendorfs Kandidatur hingegen geht auf das von Koch dirigierte Amateurlager zurück. Neuendorf soll - ob er sich das eingesteht oder nicht - dem alten DFB ein neues, freundliches Gesicht verleihen. Natürlich kann er sich von dieser Erwartung emanzipieren - daran sind allerdings schon einige vor ihm gescheitert.

Der DFB hat am Freitag die Wahl, aber in Wahrheit hat er gar keine. Das ist die Tragik, in die sich der größte Fußballverband der Welt in den Jahren unter Rainer Koch hineinmanövriert hat.

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