Süddeutsche Zeitung

Fritz Keller:Der DFB-Präsident wird zum Sekretär

Alles deutet darauf hin, dass der neue DFB-Präsident kaum Kompetenzen haben wird - Fritz Keller ist deswegen für den Verband der geeignete Kandidat.

Kommentar von Thomas Kistner

Vier Monate lang hat sich eine hochkarätige Findungskommission des Deutschen Fußball-Bundes mit der Suche abgemüht, sie hat eine teure Headhunter-Agentur in der Schweiz zu Rate gezogen und sich dann auch noch sehr lange und erfolgreich in päpstliches Schweigen gehüllt. Jetzt ist es raus: Der Fritz wird es! Fritz Keller ist der neue DFB-Präsident!

Aha. Fritz - wer?

In der Frage schwingt die Antwort mit: Der Kandidat, derzeit Klubchef des Bundesligisten SC Freiburg, ist nur in Profikreisen geläufig; schon deshalb fiel es den DFB-Oberen recht leicht, endlich einmal über Monate hinweg eine relevante Personalie geheim zu halten. Wobei das Wörtchen relevant hier ziemlich relativ ist.

Gesucht und gefunden wurde in Keller ein Verbandspräsident, der sich auf repräsentative Aufgaben zurückschneiden ließ, das zeigt auch die Aufwandsentschädigung von 80 000 Euro. Gefunden wurde im Breisgauer Großwinzer, Sterne-Gastronom und Mittelstandsunternehmer ein berechenbarer, tüchtiger Mann, der allerdings schon aufgrund seiner vielfältigen beruflichen Verpflichtungen nicht allzu oft und intensiv die Verbandsumtriebe in Frankfurt verfolgen kann, die Strategiespiele und Rankünen zwischen Deutscher Fußball-Liga DFL und DFB. Und letzterer darf sich bald ohnehin nur noch um die Verteilung von 50 Millionen Euro kümmern, die ihm auch aus einem einseitigen, stark auf das Profilager zugeschnittenen Grundlagenvertrag zufallen - obwohl er selbst doch der Pachtherr des liebsten Spiels der Deutschen ist.

Das skizziert schon mal im Ansatz, was der Kickerbetrieb nun unter dem Arbeitstitel "Neuaufstellung des DFB" vollzieht. Gewiss, der Verband ist viel zu üppig gesegnet mit Gremien, er soll verschlankt und so umstrukturiert werden, dass es auch die nervös gewordenen Finanzbehörden erfreut. Das muss sein. Allerdings soll bei dieser Gelegenheit die Richtlinienkompetenz eher diskret denjenigen zufallen, die diesen Umbau vorantreiben; und das bereits in der Planungsphase.

Was die internationale Bühne angeht, hat der DFB-Präsident gar keine Zuständigkeit mehr

Dem neuen Präsidenten wird im Zuge der Satzungsänderungen, die mit seiner Kür einhergehen, explizit die Richtlinienkompetenz entzogen. Keller darf noch Gespräche initiieren, moderieren und die Aufsicht führen - Entscheidungen trifft das Präsidium als Kollegialorgan; es erledigt fortan auch alle Führungsaufgaben. So wird der Präsident zum Sekretär. Zu einem Begleiter, der sich schon umständehalber wird anstrengen müssen, damit er auf dem Laufenden bleibt über das, was Profivertreter und eine Riege verbandspolitisch erfahrener, fast wie Berufsfunktionäre agierender Ehrenamtler im Präsidium umtreibt. Zwar umfasst dieses Gremium 17 Mitglieder, darunter aber auch weisungsgebundene Hauptamtliche. Und so mancher Verbandsvertreter wurde ja schon auffällig, weil sein Interesse mehr um Berater- und Nebenpöstchen kreiste als um all die verzwickten Sachfragen.

Dieser Kreis soll nun weitreichende Ermächtigungen erfahren im Zuge der Reform. So steht es in den Vorschlägen zur Satzungsänderung: Das oberste Gremium, der Bundestag, solle das Präsidium ermächtigen, dass es praktisch im Alleingang diesen gesamten Umbauprozess, die organisatorische Trennung von Wirtschaftsfeldern und ideellem Bereich, bewerkstelligt. Weil die Sache ja so komplex ist. Offenbar gibt es keinen Sonder-Bundestag zur Strukturreform und auch keine Beteiligung des DFB-Vorstands.

Bei alledem mischt der neue Präsident als primus inter pares mit. Und was die internationale Bühne angeht, hat er gar keine Zuständigkeit mehr.

Insofern wirkt es ein wenig entlarvend, wie der DFB am Donnerstag seine bisherigen Erklärungen konterkariert. Noch Ende Juli wurde über Long- und Shortlists philosophiert, über Meldungen und Prüfungen und allerlei Damen und Herren, die zur Begutachtung angestanden hätten. Jetzt erklärt der DFB: "Fritz Keller war der erste und einzige Kandidat, mit dem die Findungskommission Gespräche geführt hat." Der einzige. Klarer Fall also.

Nur, was hat dann so viele Monate gedauert? Warum erfuhren selbst die Landesfürsten erst jetzt, dass Keller der Kandidat ist? Die Antwort könnte lauten: Weil mit dem Neuen vorsichtshalber schon abgestimmt wurde, was wirklich von Bedeutung ist für die Struktur-Revolution.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2019/tbr
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