DFB-Pokalfinale:Ein Sieg, der besser ist als jede Visitenkarte

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Ein neuer Bayern-Trainer hat es immer schwer, erst recht, wenn er auf einen wie Heynckes folgt. Doch Niko Kovac beweist mit dem Pokalsieg, dass er die gesamte Klaviatur des Trainerberufs beherrscht.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Kurz vor 22.00 Uhr war es vorbei. Eine nostalgische Reise hat am Pfingstsamstag im Berliner Olympiastadion ihr Ende gefunden. Zurück in die Zukunft - so hatte ja das Programm des FC Bayern in dieser Spielzeit 2017/18 gelautet. Wobei: Programm?

Hätte man den Verlauf dieser Saison vorher entworfen, der Dramaturg wäre als unzurechnungsfähig entlassen worden. Carlo Ancelotti, 58, fängt an, Jupp Heynckes, 73, hört auf, das lag jenseits aller Vorstellungskraft einer Branche, die vor langer Zeit mal damit werben konnte, dass im Fußball alles möglich ist. Jetzt aber ist der FC Bayern schon zum sechsten Mal in Serie deutscher Meister, verpasste es aber, als Zugabe nach dem 1:3 gegen Eintracht Frankfurt auch noch den DFB-Pokal mit nach Hause zu nehmen. Dies suggeriert zumindest auf der Meisterschaftsebene Konsequenz und Konstanz, geschah allerdings nach der spektakulärsten Hauruck-Aktion in der Geschichte dieses Vereins.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Martínez fällt in der 95. Minute

Aber Schiedsrichter Zwayer gibt keinen Elfmeter. Thiago nimmt seinem Trainer die Auswechslung sichtlich krumm. Müller versucht viel, bewirkt aber wenig. James unterläuft ein grober Fehler. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Zur Erinnerung: Die Bayern hatten sich Ende September in der Champions League unter Ancelotti mit einem 0:3 in Paris blamiert. Überliefert ist eine debattenreiche Nacht, an deren Ende Uli Hoeneß die Nummer seines Freundes Jupp Heynckes wählte. Er habe einem "Helfersyndrom" nachgegeben, erzählte Heynckes jüngst, als er sich überreden ließ, den FC Bayern auch noch ein viertes Mal zu übernehmen. Ein fünftes Mal aber wird es jetzt nicht mehr geben, der nächste Hoeneß-Hilferuf zielt garantiert ins Leere, mit diesem Schwur zieht sich der Scheidende auf seinen Bauernhof an den Niederrhein zurück.

Während dieses jüngsten Intermezzos, das den Bayern die Zeit gab, wieder auf Kurs zu kommen, hatten sie - besonders aber Uli Hoeneß - sich wieder derart in ihren ewigen Jupp verliebt, dass sie fast vergessen hätten, die Zeit nach ihm zu sortieren. Fast hätten die Bayern es versäumt, in ihrer Verklärung einen Nachfolger zu nominieren. Die Option, den künftig in Paris arbeitenden Thomas Tuchel zu verpflichten, ließen sie verstreichen. So kommt jetzt Niko Kovac, und er kommt nach dieser höchst respektablen Pokal-Gala in Berlin. Was heißt Gala? Das Duell ähnelte eher einem Boxkampf, beide Teams brachten massiv Schultern und Ellbogen ins Spiel, gaben keinen Millimeter im Ring kampflos preis. Dass Kovac die gesamte Klaviatur zu beherrschen scheint, die dieses Spiel erlaubt - und manchmal auch nicht mehr erlaubt - wird seine Autorität zum Einstieg in die Heynckes-Nachfolge gewiss nicht schmälern. Im Gegenteil: Wer München in Berlin so fordert, derart an die Grenzen treibt, sogar den Pokal entführt, der braucht keine Visitenkarte.

Kovac muss die Nach-Robben-und-Ribéry-Ära einleiten

Ein neuer Bayern-Trainer hat es ohnehin schwer genug. Gerade dann, wenn er auf einen wie Heynckes folgt, der seinem 2013er-Abschied mit dem Triple (Champions League, Meisterschaft, Pokal) einen 2018er-Abschied zumindest mit einer Meisterschaft mit 21 Punkten Vorsprung folgen ließ. Nun aber tritt Kovac nicht nur dieses schwere Erbe an, ihm wird es zudem überlassen sein, die sicher auch ungemütlichen Prozesse eines Generationswechsels beim FC Bayern in eine sich anbahnende Nach-Robben-und-Ribéry-Ära einzuleiten. Dass Kovac sich auf komplizierte Personal-Tableaus versteht, hat er mit seinem multikulturellen Frankfurter Kader jedenfalls nicht erst in Berlin eindrucksvoll bewiesen.

Das letzte Heynckes-Intermezzo hat den Münchnern eine Atempause verschafft. Warum es trotz einer Dauer-Präsenz im Strafraum nicht gelang, das Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid zu überstehen, bedarf sicher der weiteren innerbetrieblichen Erörterung. Die Frage richtet sich an die Offensivabteilung, an Lewandowski, Thomas Müller, Ribéry, weniger an den scheidenden Trainer, der sie öffentlich - auch das zeugt von der Souveränität des Alters - nicht mehr groß aufgeworfen hat.

Die lange und romantische Reise des Jupp Heynckes über den Fußball-Planeten ist damit endgültig vorbei. Er war bei Borussia Mönchengladbach ein phänomenaler Stürmer und er hat als Trainer die Champions League gewonnen. 2013 mit den Bayern, 1998 mit Real Madrid. Und für alle, die heute schon nicht mehr glauben, dass man in diesem immer stärker verrufenen Gewerbe trotzdem mit Grandezza alt werden kann, verabschiedet sich da einer, der noch als Vorbild taugt, da er das Gegenteil beweisen konnte.

© SZ vom 20.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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