DFB-Pokalfinale: Duisburg - Schalke:Radikale Schalker Schönheit

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In ungewohnten Trikots und mit ungewohnter Form: Der FC Schalke schießt im Pokalfinale gegen Duisburg wunderbare Tore und sich den Frust einer vermurksten Bundesliga-Saison von der Seele. Der Zweitligist erlebt hingegen einen bitteren Abend.

Michael König

Die Schalker sahen nicht aus wie Sieger, als sie den Innenraum des ausverkauften Berliner Olympiastadions betraten. Sondern wie überreife Himbeeren. Ihre Trikots schimmerten in einer undefinierbaren Farbe zwischen Rot und Blau, weil das klassische Blau-Weiß dem Gegner MSV Duisburg vorbehalten war. Der Zweitligist genoss formal Heimrecht. Das war allerdings auch der einzige Vorteil, den der Meidericher SV an diesem Abend hatte.

DFB-Pokalfinale: FC Schalke in der Einzelkritik
:Gnadenlose Gewinner

Höwedes nutzt die Kraft seiner Haarspitzen, Raúl reißt wichtige Löcher, Jurado braucht sein Mitleid schnell auf und Neuer muss wohl doch eine Pressekonferenz geben. Der FC Schalke 04 beim 5:0 im Pokalfinale gegen Duisburg in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Berlin

Schalke wich auf die Farbe "Ultrabeauty" aus, wie sie beim verantwortlichen Sportartikelhersteller heißt. Frei übersetzt heißt das "radikale Schönheit", und angesichts des Spielverlaufs war das sehr passend. Dank wunderschön herausgespielter Treffer von Julian Draxler, Klaas-Jan Huntelaar (2), Benedikt Höwedes und José Manuel Jurado gewann Schalke das Finale gegen Duisburg mit 5:0 und ist zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte DFB-Pokalsieger.

"Immer wenn wir schnell und über außen gespielt haben, wurd's gefährlich", analysierte Schalke-Trainer Ralf Rangnick. Während Kollege Milan Sasic seine lange Verletztenliste beklagte: "Es wurde heute deutlich, dass uns Leistungsträger gefehlt haben", sagte der MSV-Trainer.

Mit einem so klaren Ergebnis war nicht unbedingt zu rechnen gewesen, denn neben der ungewohnten Trikotfarbe drohte auch eine Negativserie die Schalker Nerven zu belasten: Sechs Pflichtspiele in Folge hatten die Gelsenkirchener zuletzt nicht gewonnen. Die Bundesliga war mit Platz 14 in der Endtabelle äußerst unbefriedigend zu Ende gegangen. Hinzu kam das chancenlose Aus im Halbfinale der Champions League gegen Manchester United.

Und Rangnick fiel Minuten vor dem Anpfiff noch ein Grund ein, warum die Partie hätte schiefgehen können: "Das ist unser 42. Pflichtspiel in dieser Saison, so viel hatte keine andere Mannschaft in Deutschland", sagte der Schalker Trainer. Dass er die Mannschaft erst vor einigen Wochen übernommen hatte und dass sein Vorgänger Felix Magath sie nach Rangnicks Meinung ohne klares Konzept zusammengestellt hatte, sagte Rangnick vor dem Anpfiff nicht. Das hatte er allerdings schon in allen Interviews in der Woche vor dem Finale getan.

Letztlich hätte er sich diese Hinweise sparen können, denn die Partie nahm einen für ihn absolut perfekten Verlauf. Zwar hielten die Duisburger trotz vieler Ausfälle wie Baljak, Koch und Maierhofer zunächst gut mit. Sie ließen erahnen, weshalb Kaiserlautern und Köln im Pokal an ihnen gescheitert waren.

Dann jedoch begannen Schalkes Mittelfeldspieler Jurado und Jefferson Farfan, kluge Pässe zu spielen. Wobei "klug" im Fachjargon häufig durch "tödlich" ersetzt wird. Und das war in mehreren Szenen die passendere Beschreibung.

DFB-Pokal: Finale
:Von Franzi auf Neuer

Eine goldene Pokal-Göttin bringt den Cup ins Berliner Olympiastadion, ein wohl abtrünniger Torwart-Gott darf ihn zuerst in die Höhe stemmen. Das Schalker 5:0 gegen Duisburg hat viele schöne - und emotionale Momente.

In Bildern

In der 18. Minute spielte Jurado steil auf Julian Draxler, mit 17 Jahren der jüngste Mann auf dem Platz. Draxler war nicht unbedrängt, trotzdem schaffte er es, den Ball in einer fließenden Bewegung anzunehmen und in die Luft zu chippen, um ihn aus 16 Metern volley ins Tornetz zu schießen - das 1:0 für Schalke, eine Augenweide.

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An der Seitenlinie boxte Rangnick wild in die Luft, er beugte seinen Oberkörper weit nach vorne und brüllte sich die Anspannung aus dem Körper. Die Negativserie, die angebliche nervliche Belastung, die Trikotfarbe - das alles spielte keine Rolle mehr. Zumal sein Team nicht nachließ, sondern gleich die nächste schöne Aktion präsentierte.

In der 22. Minute war es an Farfan, den tödlichen Pass zu spielen. Der Empfänger hieß diesmal Klaas-Jan Huntelaar, der dem Ball mit nur einer Berührung die nötige Richtung und den Druck gab, um zum 2:0 ins Tor zu fliegen. Duisburgs Trainer Milan Sasic verschränkte die Arme vor der Brust - sein Team war bereits jetzt geschlagen.

Schalke aber blieb hungrig. Der Gedanke lag nahe, das Team wolle binnen eines Spiels die ganze vermurkste Saison vergessen machen. Drei Minuten nach der Halbzeit brauchte es dafür ausnahmsweise keinen klugen Pass, sondern eine Flanke. Farfan brachte einen Eckball hoch in den Strafraum, wo sich Duisburgs Keeper David Yelldell verschätzte. Und so den Weg frei machte für Benedikt Höwedes, der zum 3:0 einköpfen könnte.

Dann war Pause. Die Duisburger Spieler gingen mit hängenden Köpfen in die Kabine, sie ahnten wohl, was da kommen würde. Ihr Trainer ist für seine lautstarken Halbzeitansprachen bekannt. Viel war in der Woche vor dem Finale zu lesen gewesen über Sasic, der es mit seiner knallharten, aber herzlichen Art vom Kreisliga-B- zum Zweitligatrainer gebracht hat. Dem Kroaten wird nachgesagt, er sei ein Taktikfuchs und großartiger Motivator.

In diesem Finale jedoch reichten seine Mittel nicht. Die Schalker machten weiter, immer weiter. Und alles sah gut aus, alles war flüssig. Die Fußballweisheit, der Pokal habe seine eigenen Regeln, zog diesmal nicht. Hier spielte ein Champions-League-Halbfinalist gegen einen Zweitligisten. Das sah man.

Nach dem Wiederanpfiff erhöhte Jurado auf 4:0, Huntelaar wenig später auf 5:0. Man konnte Mitleid haben mit Yelldell, dem Duisburger Keeper. Während auf der Gegenseite Manuel Neuer im Schalker Tor weitgehend beschäftigungslos blieb.

Auch über Neuer war vorher viel gesprochen worden vor dem Finale - sein Wechsel zum FC Bayern steht offenbar kurz zuvor. Zum Abschied wollte er seinem Herzensverein Schalke 04 den Pokal schenken. Das hat er geschafft - wenn er auch kaum etwas dazu beitragen konnte.

Nach der Partie war es Neuer, der den Pokal als Kapitän in den Berliner Abendhimmel stemmte. Als Torwart war sein Trikot nicht in "Ultrabeauty" gehalten. In seinem mutmaßlich letzten Spiel für Schalke 04 trug Neuer ein schwarzes Jersey.

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