DFB-Pokal:Zwayers Mondscheinsonate

RB Leipzig v Bayern Muenchen - DFB Cup

Naby Keita schaut auf Felix Zwayer, der ihn mit Gelb-Rot vom Platz geschickt hat.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Schiedsrichter Felix Zwayer steht beim Spiel Leipzig gegen Bayern im Fokus.
  • Der zurückgenommene Elfmeter, die gelb-rote Karte gegen Naby Keita, unterlassene gelbe Karten gegen Bayern-Spieler und ein gegebener Elfmeter sorgen für Diskussionen.
  • Erst vor Kurzem fragte Schiedsrichter-Kollege Manuel Gräfe, wie Zwayer Top-Schiedsrichter in Deutschland werden konnte.

Von Benedikt Warmbrunn, Leipzig

Ralph Hasenhüttl ist ein Mann mit viel Fantasie, einer, der ein bisschen Wiener Kaffeehausdenke an den Spielfeldrand bringt. Den Fußball seiner Mannschaft hat der geübte Klavierspieler schon mal mit dem dritten Satz der Mondscheinsonate von Beethoven verglichen, weil er impulsiv sei, dynamisch, voller Tempo. Und wer so redet, den kann man sich nur schwer ohne eine Idee zu den Geschehnissen auf dieser Welt vorstellen. Kurz nach Mitternacht aber, in den ersten Minuten des Donnerstags, saß Hasenhüttl da, den Blick gesenkt, die Hände verknotet: "Was da in einem Schiedsrichter vorgeht", sagte der Leipziger Trainer, "weiß ich nicht."

Es ging in den ersten Minuten des Donnerstags auch um die Dramatik der zurückliegenden Stunden in diesem Pokalspiel zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern, die dynamisch waren, voller Tempo, teilweise impulsiv. Vor allem aber ging es um Felix Zwayer, den Schiedsrichter, und um das, was in ihm vorgegangen war.

Über drei Szenen wurde auch nach dem Abpfiff diskutiert. 34. Minute: Foul von Arturo Vidal an der Strafraumgrenze an Emil Forsberg, Zwayer zeigt zunächst auf den Elfmeterpunkt, spricht sich dann aber mit Arno Blos ab, seinem Assistenten. Und dann gibt er nur einen Freistoß für Leipzig.

"Er sieht es aus 40 Metern besser, das ist schwer zu akzeptieren."

53. Minute: Naby Keita zupft an der Mittellinie am Trikot von Robert Lewandowski, er hatte schon eine gelbe Karte gesehen - Zwayer zeigt ihm die zweite, Platzverweis. 67. Minute: Yussuf Poulsen prallt an der Strafraumgrenze mit Jérôme Boateng zusammen, Zwayer gibt Elfmeter für Leipzig. Kaum diskutiert wurde die 50. Minute, in der Boateng im Strafraum Jean-Kévin Augustin elfmeterwürdig foulte.

"Unterm Strich waren 22 Akteure sehr gut auf dem Platz", sagte Hasenhüttl, "einer konnte das Niveau nicht ganz halten."

Besonders mondscheinsonatig hatte Ralf Rangnick die Szene aus der 34. Minute kommentiert; nach dem Halbzeitpfiff war er von seinem Platz aus Block A, Reihe 15 auf den Rasen gerannt, auf Zwayer und Blos zu - in der ausgestreckten Hand sein Handy. Auf dem Telefon: die Bilder zu Vidals Foul, das keinen Elfmeter zur Folge hatte. Rangnicks Laufweg wurde gekreuzt von Mats Hummels, der Münchner Innenverteidiger drängte ihn routiniert ab. Doch Rangnick streckte weiter seine Hand aus, und in seiner Hand blieb das Handy mit den Bildern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlaubt oder gewollt ist", sagte Hummels später, "ich habe Herrn Rangnick gesagt, dass das unsportlich ist und dass er das nicht nötig hat."

Auch Hasenhüttl fand den Sturmlauf seines Vorgesetzten "nicht optimal", da so etwas dazu führen könne, "dass der Schiedsrichter denkt: So darf er mir nicht kommen". In der Sache aber war Hasenhüttl Rangnicks Meinung: "Die entscheidende Szene war, als der Schiedsrichter aus drei Metern pfeift und es der Linienrichter aus 40 Metern besser sieht. Das ist ganz, ganz schwer zu akzeptieren." Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge wollte dagegen gesehen haben, dass das Foul "fünf Zentimeter" vor der Strafraumgrenze stattfand.

Zwayer schildert die Szene nach SZ-Informationen folgendermaßen: Da er sich unsicher über den Ort des Geschehens war, wollte er sich ohnehin mit dem Assistenten absprechen. Fraglich bleibt, warum er dann so schnell und entschlossen auf den Elfmeterpunkt gezeigt hat. Das Gespräch mit Blos suchte er, weil nicht nur die Entfernung für den Blick entscheidend sei, sondern auch der Winkel. Geholfen hätte ihm in diesem Fall der Videobeweis, der aber wird im Pokal erst vom Viertelfinale an eingesetzt. Viele Schiedsrichter halten nach Betrachtung der Szene Zwayers ersten Reflex für richtig: Elfmeter.

Die zweite Szene, auf die sich Hasenhüttls fehlende Fantasie bezog, war die gelb-rote Karte für Keita, den bis dahin auffälligsten Leipziger. Keita hatte kurz vor der Pause die Gelb gesehen, nach Foul an Thiago, darüber wollte auch niemand diskutieren. Sehr wohl wollte Hasenhüttl aber darüber diskutieren, dass es zuvor mehrere Fouls an Keita gegeben habe - keines davon ahndete Zwayer mit einer Karte: "Das war ein bisschen Ungleichbehandlung."

Schiri-Kritiker Gräfe sieht in Zwayer einen "Mann des Systems"

Und auch mit dem Elfmeterpfiff, der ein Elfmeterpfiff blieb, nach Poulsens Zusammenprall mit Boateng, waren nicht alle zufrieden; Hummels nannte ihn "die Königin der Konzessionsentscheidungen". Forsberg traf zum 1:0 (67.). Verteidigt wurde Zwayer in dieser Nacht nur von einem, von Rummenigge: "Da muss man nicht mit uns diskutieren, der Schiedsrichter hat entschieden, und Felix Zwayer gehört zu den besten Schiedsrichtern in Deutschland."

Der 36-Jährige wurde 2014 zum Schiedsrichter des Jahres gewählt, er ist aber keine unumstrittene Figur. Ebenfalls 2014 hatte Zeit Online veröffentlicht, dass Zwayer 2004 im Bestechungsskandal um Robert Hoyzer nicht unbeteiligt war. Das DFB-Sportgericht hatte geurteilt, Zwayer habe einmal 300 Euro angenommen, konnte ihm aber keinen absichtlichen Fehler nachweisen. Es wertete zudem entlastend, dass Zwayer die Aufklärung unterstützt hatte. Darauf bezog sich zuletzt auch Schiedsrichter Manuel Gräfe, als er das System von Heribert Fandel und Hellmut Krug kritisierte, die jahrelang über die Schiedsrichteransetzungen bestimmt hatten - Gräfe sieht in Zwayer einen Mann des Systems; er fragte: "Wie kann so jemand bis in die Spitze der deutschen Top-Schiedsrichter kommen?"

Donnerstagmittag, nachdem alle einmal geschlafen hatten, kam dann die Meldung, dass der DFB gegen Ralf Rangnick wegen dessen privat inszeniertem Videobeweis ermittelt.

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