Lage im deutschen Fußball:Ist da jemand?

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Die Dortmunder um Kapitän Marco Reus waren nicht in der Lage, den Schwächemoment des FC Bayern im Pokal auszunutzen: Sie scheiterten am Zweitligisten St. Pauli. (Foto: David Inderlied/dpa)

Das Viertelfinale im DFB-Pokal ist so kurios besetzt wie schon lange nicht mehr. Es stellt sich die Frage: Wo sind die deutschen Spitzenklubs, die ein Scheitern des FC Bayern ausnutzen könnten?

Kommentar von Christof Kneer, München

Am Donnerstag wurde bekannt, dass der Skifahrer Felix Neureuther am 30. Januar eine Aufgabe von nationaler Tragweite übernehmen wird. Im Rahmen der "Sportschau" wird er die Begegnungen fürs deutsche Pokal-Viertelfinale ermitteln, und als Zuschauer wird man sich Mühe geben müssen, die Zeremonie nicht mit der Ziehung der Lottozahlen zu verwechseln. Bisher gab es im Pokal immer konstante Größen, auf die man im Gegensatz zum Lotto seriös tippen konnte, man wusste, in einer Kugel steckt "Bayern München" und in einer anderen "Borussia Dortmund".

Auch durfte man davon ausgehen, dass die Losfee oder ihr männliches Pendant, der Losfähnrich, die beiden Kugeln nie hintereinander ziehen würden, weshalb nach der Ziehung des Viertelfinales oft schon verbindliche Hotelbuchungen fürs Finale in Berlin vorgenommen werden konnten. Man ahnte, dass sich Bayern und Dortmund erneut dort begegnen würden, und man nahm dann mit eher pflichtgemäßem Interesse zur Kenntnis, dass die Bayern vorher noch gegen Schalke oder Frankfurt gelost wurden. Und wenn es sich um eine Erstrunden-Auslosung handelte, freute man sich kurz mit den zugeschalteten Regionalligakickern aus Düren oder Drochtersen/Assel, die von diesem Los ihren noch nicht vorhandenen Enkeln erzählen würden.

Vier Zweitligisten stehen diesmal im Viertelfinale, unter anderem die so gebeutelten Fußballer des Hamburger SV. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Aber diesmal wird Felix Neureuther Lotto spielen, und ihm selbst, dem FC-Bayern-Fan, wird das am wenigsten gefallen. Er wird in die Lostrommel greifen, und alles wird möglich sein, nur kein Spiel unter Beteiligung von Bayern München oder Borussia Dortmund. Und für die Hotels in Berlin werden sich diesmal auch Fans von Hannover 96 und dem Karlsruher SC interessieren, unter Umständen sogar welche vom HSV.

Jeder kann jeden schlagen: Zurzeit ist das kein Zeichen der Stärke, sondern steht eher für eine gewisse Beliebigkeit

Vier Zweitligisten und ein VfL Bochum haben sich für die Runde der besten Acht qualifiziert, so ein divers besetztes Viertelfinale gab es seit gut 20 Jahren nicht mehr. Was wie eine kuriose Laune des Pokals wirkt, zeichnet in Wahrheit ein präzises Bild des aktuellen deutschen Vereinsfußballs. Selten las sich der Pokal so sehr wie ein flankierender Kommentar zur Lage der Bundesliga, wenn auch abzüglich des FC Bayern. Romantiker dürfen den Pokal jetzt gerne wieder loben, weil er die Kleinen zu ihrem Recht kommen lässt und die Großen ärgert. Realisten könnten allerdings die Frage anschließen, ob es - außer dem an einem schwarzen Abend ausgeschiedenen FC Bayern - überhaupt noch Große im deutschen Fußball gibt.

Dass in Bundesliga und Pokal (abzüglich des FC Bayern) offenkundig jeder jeden schlagen kann, mag gut für die Spannung sein, ist im Moment aber kein Zeichen für Ausgeglichenheit und Stärke. Es ist eher Ausdruck einer gewissen Beliebigkeit in einer Liga, der unterhalb des FC Bayern die verlässlichen Spitzenklubs abhandenkommen. Man müsse da sein, wenn die Bayern mal schwächeln, heißt ein gängiger Kalenderspruch - wo aber sind im Pokal jetzt Dortmund und Leverkusen, wo sind die ehemals so ambitionierten Mönchengladbach und Wolfsburg?

Auch das ist eine Parallelität zur Liga: Zuverlässig am Optimum spielen nur der SC Freiburg und Union Berlin, die demnach ein angemessenes Pokalfinale abgeben würden - falls Felix Neureuther sie nicht im Viertelfinale zusammenlost.

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