Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Vedad Ibisevic: Rückkehr des Strafraum-Stürmers

  • Gegen Heidenheim war Vedad Ibisevic mit zwei Toren hauptverantwortlich für den Sieg und den Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale.
  • Jetzt kehrt er nach Stuttgart zurück, die Stadt, die er im Sommer im Groll verließ.
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Von Matthias Schmid, Heidenheim

Vedad Ibisevic hätte einen formlosen Antrag bei seinem Trainer Pal Dardai stellen können. Doch er hat es nach einigem Hin und Her unterlassen, ihn zu fragen, ob er doch bitteschön nach Hause fliegen dürfe, zurück nach Berlin. Ibisevic, Stürmer von Hertha BSC, wird nun also zwei Übernachtungen in der Stadt auf sich nehmen, die er im Sommer des vergangenen Jahres nur noch schnell verlassen wollte. Ibisevic saß also am Donnerstagmorgen im Mannschaftsbus, der die Berliner aus Heidenheim ins eineinhalb Stunden entfernte Stuttgart brachte, weil es sehr viel stressfreier ist, sich dort auf das bevorstehende Bundesligaspiel am Samstag beim VfB zu präparieren. Nur sagen wollte der Bosnier über seinen früheren Arbeitgeber nichts. "Kein Lust", brummte Ibisevic nach dem 3:2-Sieg im Pokal am Mittwochabend.

Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, als er Fragen zum VfB beantworten sollte. Fragen, warum er beim VfB in den letzten eineinhalb Jahren nicht mehr traf und am Ende nur noch auf der Tribüne saß.

Ibisevic schoss typische Ibisevic-Tore

Sehr viel erfreulicher als das Ende in Stuttgart nach dreieinhalb Jahren ist ja auch sein Dienstantritt in Berlin. Seit sich der 31-Jährige Hertha angeschlossen hat, macht er wieder das, was er am besten kann: ins Tor treffen. Mit zwei Treffern beim Zweitligisten Heidenheim hatte er enormen Anteil daran, dass die Berliner weiter von Berlin träumen dürfen und nach 35 Jahren zum ersten Mal wieder im Halbfinale des DFB-Pokals stehen und es in der Runde der letzten vier nun mit Borussia Dortmund zu tun bekommen. "Unser Traum vom Finale lebt weiter, wir wollen jetzt unbedingt ins Endspiel kommen", sagte Ibisevic.

Die Partie im Heidenheimer Schneetreiben offenbarte die Stärken des Stürmers, der in 16 Pflichtspielen für Hertha schon achtmal getroffen hat. Er ist ein Strafraumwühler, ein echter Neuner, der meistens nur einen Kontakt braucht, um Tore zu schießen. Es waren typische Ibisevic-Tore in Heidenheim. Sein Treffer zum 1:1-Ausgleich schoss er im Fallen. Und beim 2:1 drückte er eine Flanke von Mitchell Weiser per volley über die Linie. "Gleich seine beiden ersten Chancen waren drin", lobte Trainer Dardai hinterher und fügte mit einem Lächeln hinzu: "Das ist eine besondere Qualität von ihm, die angeboren ist. Die hat er nicht von mir."

Es musste für Ibisevic deshalb schon an Rufschädigung grenzen, dass er in Stuttgart eineinhalb Jahre seine besonderen Fähigkeiten nicht ausleben konnte und zuletzt auch nicht mehr ausleben durfte. Ibisevic, der mit 15 Jahren aus seiner Heimatstadt Tuzla wegen des Balkankrieges fliehen musste, ist keiner, der den Laptop-gesteuerten Fußball von heute für eine besonders gute Erfindung hält. Er braucht das alles nicht: den Gegner anlaufen, pressen und bei jedem Laufweg an irgendein lästiges Spielsystem denken.

Er wirkt wie aus der Zeit gefallen, weil er ja nur den Ball über die Linie drücken will, irgendwie. "Ich fühle mich sehr wohl in Berlin und habe immer mehr Selbstvertrauen bekommen", sagt er über die Gründe seines Aufschwungs. Trainer Dardai behält in diesem Zusammenhang nicht für sich, dass hinter einem guten Stürmer auch immer eine gute Mannschaft stehe. "Viele Bälle fliegen da in den Strafraum", wie der Ungar sagt. "Aber wir sind sehr froh, dass er so knipst."

Unter Stevens und Zorniger spielte er gar nicht mehr

Es ist ja auch nicht so gewesen, dass alles nur schlecht war in Stuttgart. Zu Beginn hat Ibisevic viele schöne Bilder geliefert und seine Mitspieler und die Anhänger mit Toren beglückt. Doch irgendwann hörte er auf zu treffen, er verletzte sich, er wurde gesperrt und spielte immer weniger, unter Huub Stevens und Alexander Zorniger überhaupt nicht mehr. Es war eine schwere Zeit, aber er hat früh lernen müssen, dass es im Leben um andere Dinge geht als um Ruhm, Eitelkeiten und Geld. Wer aus dem Krieg flüchtet, sieht Misserfolge im Berufsleben kleiner und nichtiger an. "Man darf den Glauben an sich nicht verlieren. Man darf aber auch nicht überheblich sein, wenn es mal gut läuft. Daran habe ich mich gehalten", hat Ibisevic in einem Interview im Tagesspiegel erzählt.

Vedad Ibisevic denkt deshalb auch an die schönen Dinge zurück, wenn er nun in diesen Tagen durch Stuttgart läuft. Er kann sich noch besonders gut genau an diesen Tag im Mai vor drei Jahren erinnern, als er im Berliner Olympiastadion auflief, im Endspiel des DFB-Pokals. Stuttgart unterlag dem FC Bayern zwar, "aber das Finale war ein einzigartiges Erlebnis", wie Ibisevic sagt: "Es lohnt sich dafür zu kämpfen." Das Endspiel in diesem Jahr findet am 21. Mai statt. Ibisevic und die übrigen Hertha-Profis wollen unbedingt als Protagonisten und nicht als Besucher dabei sein.

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