1. FC Union Berlin:Isco hin, Isco her

1. FC Union Berlin: Kevin Behrens und Rani Khedira haben den gescheiterten Isco-Deal von Union gut verkraftet.

Kevin Behrens und Rani Khedira haben den gescheiterten Isco-Deal von Union gut verkraftet.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Die Köpenicker gewinnen im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg und schütteln das große Thema des Tages locker ab: den geplatzten Transfer des Spaniers, dessen Einkauf als großes Statement geplant war.

Von Thomas Hürner, Berlin

Ja, so läuft das nun mal in Köpenick. Ein Abend unter der Woche, der halbe Berliner Stadtteil in Rot-Weiß, das kleine Stadion an der Alten Försterei randvoll - und die Anzeigetafel weist beim heimischen 1. FC Union ein Tor mehr als beim Gegner aus. Die Spieler jenes Gegners, am Dienstag war das der VfL Wolfsburg, schauen nach dem Schlusspfiff bedröppelt durch den eiskalten Schneeregen und können sich das alles nicht recht erklären. Denn das Spiel - dieses Mal endete es aus Sicht der Gästemannschaft 1:2 - war eines, das man nicht zwingend gewinnen, aber auch nicht verlieren muss. Und dann verliert man es doch, weil am Ende halt immer der 1. FC Union ein Tor mehr erzielt.

Ja, so läuft das nun mal in Köpenick. Oder in den Worten des Wolfsburger Trainers Niko Kovac, der sich von der Wahrhaftigkeit des neuen Gesetzes im Fußball überzeugen konnte: Ein "intensives Spiel" sei dieses DFB-Pokalduell gewesen, sagte Kovac, aber "rein spielerisch" eher dürftig. Stattdessen sah der gebürtige Berliner in seiner Heimat "viel Kampf" und eine Union-Mannschaft, die mal wieder auf "Standardsituationen und viele Flanken" gesetzt habe.

In der Theorie war den Wolfsburgern also bekannt, wie der Viertelfinaleinzug des 1. FC Union zu verhindern gewesen wäre. In der Praxis, so Kovac, hätte seine Mannschaft aber "zweimal nicht richtig aufgepasst und das hat uns unter dem Strich die Niederlage beschert". Für die Berliner trafen Robin Knoche (12.) und Kevin Behrens (79.) - und tapfere Wolfsburger waren raus dem Pokal.

Isco war das bestimmende Thema des Tages in Berlin

Mit dieser Spielanalyse wären die Fabelsaison der Köpenicker sowie die daraus resultierenden Leiden der Gegner bereits präzise zusammengefasst, aber ein bisschen anders war der Dienstagabend dennoch. Denn der kleine 1. FC Union war unmittelbar vor dem Anpfiff erstmals an einer mittelgroßen Transferposse beteiligt, die aus Sicht des Publikums offenbar so spannend war, dass die Live-Ticker am sogenannten Deadline Day zu einer fast schon monothematischen Angelegenheit wurden. Isco in Berlin gelandet! Isco beim Medizincheck! Medizincheck bestanden! Isco beim abendlichen Pokalspiel als Zuschauer auf der Tribüne! Als alles besiegelt schien, drehte sich die Aufregungsspirale noch ein wenig wilder: Transfer geplatzt!! Isco wechselt doch nicht zu Union!!

Der Spanier Francisco Román Alarcón Suárez, genannt Isco, war trotz des Union-Sieges das bestimmende Thema an der Alten Försterei. Wäre ja in der Tat ein erstaunliches Geschäft gewesen: Als fünfmaliger Champions-League-Sieger mit Real Madrid wurde der Spielmacher nicht gerade der Kragenweite der Köpenicker zugeschrieben, die bekanntlich nichts lieber machen, als klassischen Underdog-Fußball zu spielen und vermeintlich Größere zu ärgern. Isco wäre daher eine Art Statement an die Liga gewesen, aber auch das Scheitern des Transfers war dann eines: Union wäre für Isco ein interessantes Karriereziel gewesen, sonst hätte er nicht extra Berlin angesteuert. Bei den "Eisernen" ist es aber nun mal verboten, sich für irgendwen zu verbiegen - und diese inoffizielle Regel gilt damit auch für einen 30-jährigen Isco, der in den vergangenen Jahren mehr vom großen Namen als von großen Leistungen lebte.

"Das geht so nicht", klagte der Union-Manager Oliver Ruhnert über den geplatzten Isco-Transfer

Union-Manager Oliver Ruhnert rekonstruierte die Geschichte im Rahmen des Pokalspiels am Dienstag wie folgt: Kurz nachdem Isco vor ein paar Wochen seinen Vertrag beim FC Sevilla aufgelöst hatte, sei in Köpenick die Idee entstanden, dass der Spielmacher vielleicht einer sein könnte, der dem rigorosen Gegen-den-Ball-Fußball der Unioner ein neues Element hinzufügen kann. Mehr Kontrolle und Eigeninitiative, auch ein wenig mehr Esprit.

Kurz vor dem Ende des winterlichen Transferfensters habe diese vage Idee dann konkrete Formen angenommen: "Es war alles besprochen, alles ausgetauscht", sagte Ruhnert, aber "dann wurden noch mal Änderungen gewünscht im Vertrag". Der Manager verriet zwar nicht, ob es der Spielerpartei um mehr Gehalt ging oder um andere Vertragsinhalte wie Laufzeit oder Bonuszahlungen. In der offiziellen Union-Version ging es dem Klub jedenfalls vor allem ums Prinzip. "Das geht so nicht", klagte Ruhnert, "und wir werden bestimmt keine Dinge tun, die nicht zu uns passen."

Wie im Fußball üblich, kursiert aber auch eine exakt gegenteilige Erzählung über des geplatzte Geschäft. El Mundo aus Spanien will erfahren haben, dass sich Isco und sein Beraterteam kurz nach der Ankunft in der Köpenicker Geschäftsstelle getäuscht gefühlt hätten: Statt einem Vertrag bis 2024 sei, anders als vereinbart, nur einer mit einer Laufzeit bis zum Saisonende vorgelegt worden. Außerdem hätten die Unioner angeblich davon abgesehen, Isco für ihren Europa-League-Kader zu melden. Aus mit den Verhandlungen eingeweihten Kreisen ist aber zu hören, dass es sich bei dieser Version vor allem um eines handele: ein nachgereichtes Ablenkungsmanöver der Berateragentur des Spielers.

Das wohl interessanteste Was-wäre-wenn der Vereinsgeschichte taugte daher rückblickend als Fallbeispiel dafür, warum die Köpenicker da stehen, wo sie gerade stehen (Platz zwei in der Liga, im DFB-Pokalviertelfinale, in der Zwischenrunde der Europa League): Union nimmt Widrigkeiten mit einer Coolness hin, die man sich als weiterhin kleiner Klub erst mal trauen muss. Und das Thema im Außen, das einen Einfluss aufs Innere hat, muss erst noch erfunden werden. Oder wie es der Union Mittelfeldmann Rani Khedira formulierte: "Schade, dass er nicht gekommen ist. Aber wir haben trotzdem eine geile Truppe." Isco hin, Isco her.

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