DFB-Pokal:"Seid ihr denn des Wahnsinns?"

1. FC Magdeburg - Eintracht Frankfurt

Lust auf Stress: Eintracht-Anhänger beim Pokalspiel in Magdeburg.

(Foto: dpa)
  • Das DFB-Pokalspiel beim Drittligisten 1. FC Magdeburg wird von Ausschreitungen der Fans von Eintracht Frankfurt überschattet.
  • Zu Beginn der zweiten Halbzeit fliegen gezielt Feuerwerkskörper in einen Magdeburger Block.
  • Nach dem Spiel tun sich die Eintracht-Funktionäre schwer, klare Worte zu finden.

Von Johannes Aumüller und Javier Cáceres

Das Spiel war vollendet, was schon bemerkenswert genug war, da sorgten die Bundesliga-Profis von Eintracht Frankfurt noch für ein verstörend idyllisches Bild. Soeben hatten sie das Erstrunden-Pokalspiel beim Drittligisten 1. FC Magdeburg 4:3 nach Elfmeterschießen gewonnen (nach der Verlängerung hatte es 1:1 gestanden), als sie zu dem Block wanderten, in dem die Anhänger ihres Klubs standen. Fans und Profis beklatschten sich gegenseitig, so wie es heutzutage üblich ist in deutschen Stadien, fraglos auch, um sich gegenseitig Dank zu sagen. Und genau das war das Verstörende: Angesichts der Vorfälle, die sich kurz zuvor ereignet hatten, war der Dank an die Fans von kurioser Generosität.

Gewiss: Sie hatten die 429 Kilometer lange Reise von Frankfurt an die Elbe auf sich genommen und die Unterstützung geliefert, die man von Fans erwartet. Andererseits: In eben diesem Block wurde eine Idee geboren, die mindestens auf die körperliche Unversehrtheit von Magdeburger Fans abzielte und maximale Schäden mindestens billigend in Kauf nahm.

"Ich hatte da auch ein bisschen Angst", sagt Frankfurts Torwart Hradecky

Zu Beginn der zweiten Halbzeit waren im Frankfurter Block "Nebeltöpfe" gezündet worden, aus dem Schutz dunkler Schwaden heraus flogen dann gezielt Feuerwerkskörper in einen benachbarten Block, der als ein im Zweifel von Familien besuchter Bereich des Stadions gilt. Am Sonntag war er allerdings zum Teil von erkennbar auf Krawall gebürsteten Magdeburgern in Beschlag genommen worden, aber das nur am Rande. "Mein Gott, da sind Kinder drin!", rief der Stadionsprecher des FCM ins Mikrofon, als die Feuerwerkskörper flogen, "seid ihr denn des Wahnsinns?" Die Lage eskalierte weiter.

Auf der gegenüberliegenden Seite versuchten Magdeburger Hooligans, auf den Platz zu gelangen, um den Frankfurter Block zu stürmen. Die Bereitschaftspolizei strömte auf den Rasen und trieb die teils vermummten Magdeburger wieder auf die Tribüne zurück, "ich hatte da auch ein bisschen Angst", sagte später Frankfurts Torwart Lukas Hradecky, der die Eintracht im Spiel hielt und beim Elfmeterschießen mit zwei abgewehrten Penaltys Matchwinner wurde. Das Spiel ruhte da bereits; als das Chaos auszuufern drohte, schickte Schiedsrichter Markus Schmidt beide Teams sogar in die Kabine. Erst nach einer elfminütigen Unterbrechung konnte die nur ob des Willens der Magdeburger interessante Partie fortgesetzt werden.

Bemerkenswerter als die Qualität des Frankfurter Spiels ("Wir waren klar die schlechtere Mannschaft", sagte Eintracht-Trainer Niko Kovac) waren vor allem die Reaktionen der Funktionäre beider Klubs auf die Bambule. "Ich will das nicht thematisieren. Das gibt diesen Chaoten nur die Schlagzeilen, die sie nicht bekommen sollten", sagte FCM-Trainer Jens Härtel. Das war immerhin mehr, als Kovac sagen wollte, er verweigerte - wie Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner - jeden Kommentar. Manager Fredi Bobic wiederum betonte mit demonstrativer Gelassenheit, man wolle sich erst "in aller Ruhe zusammensetzen", um alles zu analysieren: "Es bringt jetzt nichts, mit dem Finger auf die eine oder andere Gruppierung zu zeigen."

Polizei und DFB ermitteln

Immerhin betonte Bobic, dass er das alles "nicht gutheißen" wolle, das nun nicht. Doch das verhinderte nicht, dass er mit seinen Worten daran erinnerte, dass Eintracht-Funktionäre schon früher kritisiert worden waren, nicht klar genug gegen die eigenen Problem-Fans vorzugehen. Sie gelten als besonders problematisch, insgesamt 145 000 Euro musste die Eintracht schon an Bußen zahlen. Damit ist sie Spitzenreiter in der einschlägigen Tabelle, mit 10 000 Euro Vorsprung auf Magdeburg.

Die bisher letzte Strafe gegen den Klub gab es nach mehreren Vorfällen in der Rückrunde 2015/2016 und in der Relegation gegen Nürnberg am 12. Juli. Das Sportgericht des DFB verfügte eine Geldstrafe von 80 000 Euro und einen Zuschauer-Teilausschluss für den Bundesliga-Auftakt am Samstag gegen Schalke 04. Dazu gab es eine dritte Strafe zur Bewährung: Bei neuerlichem Fehlverhalten erfolgt ein Teilausschluss für ein weiteres Spiel.

Das ist nun also das Mindeste, mit dem die Frankfurter rechnen müssen, der Kontrollausschuss des DFB ermittelt bereits, parallel zur Polizei, die zwei Anzeigen wegen Körperverletzung sowie einen Leichtverletzten bestätigte. Die sportrechtlichen Gremien könnten aufgrund des wiederholten Fehlverhaltens und des Ausmaßes der jüngsten Ausschreitungen auch härter durchgreifen. Der Strafenkatalog gibt einen kompletten Fan-Ausschluss, also ein Geisterspiel, und die Verbannung aus dem Pokal-Wettbewerb her.

Beides hat es im deutschen Profifußball nicht oft gegeben. Jüngstes Beispiel für einen Wettbewerbs-Ausschluss ist Dynamo Dresden. Nach einer Reihe von Vorfällen und der Randale im Pokalspiel gegen Hannover im Oktober 2012 wurde Dynamo für die Saison 2013/14 aus dem Pokal verbannt. Eine Entscheidung über die Zwischenfälle von Magdeburg durch den DFB wird es wohl nach dem Schalke-Spiel geben, das sportlich für die Eintracht schwer genug wird. "Wenn wir so spielen wie hier, verlieren wir 4:0", sagte Torwart Hradecky.

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