DFB-Pokal: Schalke-Bayern:Alles Magath

Sanierer, Reformer, Gestalter und sportlicher Vermögensverwalter: Schalkes Multifunktionär Felix Magath soll noch mehr Macht erhalten - eine Struktur, die dort nicht jedem gefällt.

Philipp Selldorf

Die Herrschaftsverhältnisse bei Schalke 04 sind eigentümlich. Der Vorstandsvorsitzende zum Beispiel, der seit drei Jahren Josef Schnusenberg heißt, spielt im täglichen Leben des Klubs, höflich formuliert, kaum eine Rolle. Wenn Sportvorstand Felix Magath wichtige Dinge zu bereden hat, dann fährt er nach Rheda-Wiedenbrück zu Clemens Tönnies. Der 54-jährige Fleischfabrikant, der dem Verein auch schon als Darlehensgeber beigesprungen ist, firmiert zwar offiziell als Chef des Aufsichtsrats, lenkt aber die Klubpolitik, als ob er der Präsident wäre. Es kann sehr praktisch sein, wenn der oberste Kontrolleur der eigentliche Oberboss ist.

Tönnies ist Magath dankbar dafür, dass er regelmäßig den Weg nach Ostwestfalen auf sich nimmt und bei seinen Besuchen keine Zeit verplempert. Man sitze dann "ein, zwei Stündchen sehr vertrauensvoll zusammen" und berede genau das, worauf es gerade ankomme: "Magath ist sehr gradlinig, er kommt sofort auf den Punkt, das geht zack, zack, zack", freut sich Tönnies und ist auch sonst begeistert von Schalkes Sportchef: "Der Mann ist wirklich bienenfleißig, der will den Erfolg!"

Vor einem knappen Jahr hatte Tönnies den Trainer unter konspirativen Umständen angeworben, Gerüchte besagten sogar, er werde das fürstliche Gehalt selbst tragen, aber da hat der Unternehmer energisch widersprochen. "Privat", sagt der Mann, dessen Fleischwerke im Jahr 2009 vier Milliarden Euro umsetzten, "kann ich mir Herrn Magath gar nicht leisten."

Neulich haben die beiden Männer eine kleine Verfassungsänderung verabredet, über die im Mai die Mitgliederversammlung befinden soll, Schalke ist ja immer noch ein eingetragener Verein. Die kurze Lesart dieser Satzungsreform lautet: Mehr Macht für Magath. Es geht darum, dass Schalkes Generalintendant bei Ausgaben ab 300.000 Euro nicht mehr den Aufsichtsrat um Bewilligung bitten muss, sondern künftig im Rahmen eines Budgets unabhängig walten darf.

Tönnies meint, das sei keine große Sache. "Wenn wir einen so guten und fähigen Mann haben, dann muss man ihm die Arbeit erleichtern", sagt er, "er soll nicht wegen jeder Kleinigkeit den Aufsichtsrat um Erlaubnis fragen müssen. Das hat nichts mit mehr Macht zu tun - es vereinfacht ihm nur das Tagesgeschäft." Eine Firmenstruktur "wie in der modernen Wirtschaft" soll entstehen.

Der aktuelle Erfolg spricht für Magath, dennoch gibt es Mitglieder, denen die Ermächtigung suspekt ist. Nicht, weil sie ihrem Sportchef nicht trauen, sondern eben deswegen: Weil in Schalke alles nur noch Magath ist. Lediglich Geschäftsführer Peter Peters, der einzig Verbliebene aus der alten Führungsriege, besitzt neben ihm noch Verantwortung.

Peters Vertrag läuft im September aus, neuerdings gibt es Gerüchte über seine Ablösung. Den Sportbetrieb hat Magath bereits durchweg mit eigenen Leuten besetzt, er hat sein vertrautes Einsatzkommando mit den Assistenten Eichkorn und Hollerbach und dem Konditionstrainer Leuthard nach Gelsenkirchen geholt, einen neuen Pressechef, Männer für Verwaltung und Teambetreuung.

Magath hat auch die Jugendarbeit und die Organisation des Regionalligateams geregelt. Als Absolutist ist er alles auf einmal: Sanierer, Reformer, Gestalter und sportlicher Vermögensverwalter. Da dürfen sich Anhänger schon sorgen, dass Magath mit seiner Brigade eines Tages weiterziehen könnte - und dem Nachfolger außer einem riesigen Vakuum eine massive Vollmacht hinterlässt. Was dann? Tönnies möchte das nicht kommentieren.

Außerdem erinnern sich zumindest einige Menschen noch daran, dass im Herbst in Schalke noch andere Themen drängten als Pokal und Meisterschaft. Damals war von Finanzkollaps und sogar Insolvenz die Rede, und wenn auch Tönnies brummt, viele Darstellungen seien "total überzogen" gewesen, so räumt er doch ein: "Wir waren nicht in der totalen Krise, aber es war eng." Erst ein Geschäft mit dem städtischen Versorger GEW über den Verkauf von Stadionanteilen half aus dem Engpass.

Markenartikel Kevin Kuranyi

Den versprochenen rigiden Sparkurs hat Schalke im Winter ein Stück verlassen, Magath überzeugte seinen Kontrolleur Tönnies und durfte in sieben neue Spieler investieren, er rief einen sportlichen "Strategiewechsel" aus und behielt recht damit, die Diät zu lockern: Spielmacher Baumjohann hat seinen Wert am Sonntag beim 2:2 in Hamburg erwiesen, auch der aus Südkorea importierte Brasilianer Edu und der frühere Nürnberger Kluge bereichern Magaths Möglichkeiten, die übrigen Neulinge werden in der Reserve herangebildet.

So soll der Umbruch vorangetrieben werden, denn über dem jetzigen Hoch liegt ein Hauch von Abschied: Abwehrchef Bordon bleibt maximal noch eine weitere Saison, Rechtsverteidiger Rafinha ebenfalls, Torjäger Kevin Kuranyi ist laut Magath nur bei der Qualifikation zur Champions League zu halten, was mittelfristig auch für den Torhüter Neuer und den Innenverteidiger Höwedes gilt. Deren Handelspreis ist im Laufe der Saison ebenso markant gestiegen wie der ihrer Mitspieler Farfán, Rakitic oder Zambrano, von Neulingen wie Schmitz, Moritz oder Matip ganz zu schweigen. Der Trainer Magath hat dem Manager Magath Vermögenswerte und neuen Spielraum geschaffen.

Auch Angreifer Kuranyi, zurzeit besser als je zuvor, ist wieder ein echter Markenartikel geworden - Pech für Schalke, dass er in seinem letzten Vertragsjahr steht. Den Fall des neuen Volkshelden behandelt Magath mit kühler Geschäftsmäßigkeit, und selbstredend lässt ihn Tönnies auch dabei gewähren: "Was Kevin angeht, halte ich mich total raus, das regelt Felix Magath", sagt der Aufsichtsratschef. Und was wünscht er sich als Schalke-Fan? "Als Schalke-Fan trage ich mit, was Magath entscheidet."

Im Mai wird Josef Schnusenberg sein - längst ruhendes - Amt aufgeben. Es wird über seinen Nachfolger spekuliert, Fans haben bereits Olaf Thon und Gerald Asamoah vorgeschlagen. Diese Nominierungen könnten Magath glatt gefallen. Er müsste von ihnen kaum Widerworte fürchten.

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