DFB-Pokal:Revierpfleger Großkreutz trifft die alte Liebe

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In Dortmund aus dem System gefallen, in Stuttgart mitentscheidend für den Aufschwung: Rechtsverteidiger Kevin Großkreutz. (Foto: dpa)
  • Beim Pokal-Spiel gegen den BVB trifft Stuttgarts Zugang Kevin Großkreutz auf alte Freunde.
  • Trainer Thomas Tuchel gehört nicht dazu.
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Von Frieder Pfeiffer, Stuttgart

Kevin Großkreutz ballte die Faust, einmal, zweimal. Dann machte er sich auf den Weg, feixend, wie einer, dem ein großer Sieg gelungen war. Bei Kevin Großkreutz ziehen sich in solchen Momenten die Schultern nach oben, der Kopf neigt sich leicht nach vorne - lausbubenhafte Freude gepaart mit großem Willen.

Großkreutz ging ein paar Schritte und warf den Ball zu Przemyslaw Tyton. Sein Torhüter sollte den Freistoß an der eigenen Eckfahne ausführen, den er, Großkreutz, gerade gegen zwei Frankfurter herausgeholt hatte. Großkreutz grinste weiter, die Faust noch leicht geballt. Es war ein Statement: Dort, rechts hinten, im lange so anfälligen Abwehrverbund des VfB Stuttgart, hat der 27-Jährige wieder einmal sein neues Revier verteidigt. Und wenn ein Bundesligaspieler weiß, wie Revierpflege funktioniert, dann Kevin Großkreutz, der leidenschaftliche Revierpfleger aus dem Pott; der Dortmunder Jung, der irgendwann fort musste.

In jeder Minute der Rückrunde, drei komplette Spiele, hat Großkreutz seit seinem Wechsel in der Winterpause für die Stuttgarter die rechte Seite verteidigt, auch am vergangenen Wochenende beim 4:2 in Frankfurt, dem dritten Sieg in diesem Jahr. Großkreutz hat in diesen 270 Minuten fußballerisch keine Wunderdinge vollbracht. Er hat viele Grätschen gezeigt, viele Sprints, geballte Fäuste und ein paar schöne Flanken, wie sie ein Rechtsverteidiger beim VfB zuletzt vor mehr als zehn Jahren geschlagen hatte.

Kein Meister der Imagepflege

Damals war das Andreas Hinkel, ein Stuttgarter Junge, heute Assistenztrainer bei der U23. Hinkel wurde in Stuttgart zum Nationalspieler. Großkreutz war keiner mehr, als er nach Stuttgart kam. Er war ein Weltmeister, dem so manche Flause den Ruf ramponiert hatte, der in der Hinrunde Galatasaray Istanbul gehörte, dort jedoch kein Spiel machen durfte aufgrund verspätet eingereichter Transferunterlagen. Irgendwann war er mehr in der Heimat als bei seinem Verein. Großkreutz, der Revierpfleger, ist kein Meister der Imagepflege.

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Die Stuttgarter Verantwortlichen nahmen die vielen unrühmlichen Geschichten nicht so wichtig. Sie sahen einen Weltmeister, der in der Winterpause für rund zwei Millionen Euro zu haben war, einen emotionalen Kicker, der dankbar war, dass er noch einmal eine Chance bekam, vielleicht seine letzte. Sie wussten: Die Positionen, die Großkreutz spielen kann, sind bei uns eigentlich gut besetzt. Aber dieser Spieler bringt etwas mit, das der talentierte Kader mehr braucht als den nächsten feinen Fußballer: die Hingabe bis zur Selbstaufgabe. Diese Mentalität habe man gesucht, sagte Trainer Jürgen Kramny: "Sie tut uns gut." Was so viel heißt, wie: Ohne ihn waren wir doch ein wenig zu ruhig.

Vor einem Jahr hatte Sportdirektor Robin Dutt mit dem Kauf von Serey Dié schon einmal so ein Zeichen gesetzt. Der Sechser Dié, zuvor in Basel negativ auffällig, weil er schon mal Teamsitzungen zum Mittagsschlaf nutzte, wurde zum Vor- kicker im erfolgreichen Kampf gegen den Abstieg. Als nun Großkreutz in Stuttgart ankam, ließ Kramny Dié und Großkreutz gleich aufeinander los. Es war Freundschaft auf den ersten Zweikampf.

Vermutlich ist das der größte Gewinn, den der nun zur Mannschaft der Stunde avancierte VfB mit der Verpflichtung des vermeintlichen Problemspielers Großkreutz gemacht hat. Die Spieler sprechen von mehr Stabilität und einem besseren Teamgeist, wenn sie Gründe für den Aufschwung suchen. Beides lässt sich bereits nach wenigen Wochen auch mit der Personalie Großkreutz verbinden.

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Der Neuling wirkt nach innen, im Team scheint er voll integriert zu sein. "Ich bin der glücklichste Mensch", sagt er selbst. Er habe aus seinen Fehlern gelernt, weshalb es um Großkreutz abseits des Platzes trotz Weltmeister-Bonus ruhig bleibt. "Wenn ich Kevin sehe, steht kein Enfant terrible vor mir", sagt Dutt, der ihn einen "ganz normalen, ruhigen Zeitgenossen" nennt.

Auf dem Platz kennt Großkreutz keine Freunde

In einer normalen, ruhigen Woche würde der Zeitgenosse Großkreutz hin und wieder trainieren, er würde mit Kumpel Dié ein paar Faxen machen und Bilder im Internet posten. Das wäre alles. Doch an diesem Dienstag kommt die Borussia aus Dortmund zum Viertelfinale des DFB-Pokals nach Stuttgart. Der BVB, die große Liebe des Kevin Großkreutz, das Team aus seinem Revier, das er schon mit sieben Jahren mit Dauerkarte auf der Südtribüne anfeuerte. So wird diese Woche ganz und gar nicht ruhig: "Logisch ist das was Besonderes." Er brenne auf das Spiel, sagt er, und: Auf dem Platz kenne er keine Freunde.

Die hat er in Dortmund noch. Der Trainer gehört nicht dazu. Thomas Tuchel will er zeigen, dass es falsch war, ihn im Sommer gehen zu lassen. Bei Tuchel war er aus dem System gefallen, bei Kramny prägt er das System mit. Er hat beim launischen VfB ein paar Mal die Faust geballt, er ist viel gerannt und hat dabei frech gegrinst. Auch deswegen ist die Stimmung prächtig. Ja, Dortmund sei der Favorit, sagt Dutt. "Aber wir werden uns nicht kleiner machen, als wir sind." Der VfB wird sein Revier verteidigen. So wie er es von Kevin Großkreutz gelernt hat.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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