DFB-Pokal-Halbfinale:Der Granit bricht in der Nachspielzeit

DFB-Pokal-Halbfinale: Schickte Leipzig mit seinem Kopfballtor in der Nachspielzeit zum Finale nach Berlin: Emil Forsberg.

Schickte Leipzig mit seinem Kopfballtor in der Nachspielzeit zum Finale nach Berlin: Emil Forsberg.

(Foto: MIS/Imago)

In einem ebenso zähen wie leidenschaftlichen Halbfinale setzt sich Leipzig nur selten spielerisch in Szene. Doch der eingewechselte Forsberg verhindert mit seinem 2:1 gegen das Unioner Bollwerk die Verlängerung.

Von Felix Haselsteiner, Leipzig

Wenige Minuten vor dem Anpfiff des Pokal-Halbfinales hatte Domenico Tedesco noch einen weisen Satz gesagt. "Was wir wollen, ist das eine, was wir dürfen, ist das andere", lautete der philosophisch wertvolle Ausblick auf ein Fußballspiel zwischen RB Leipzig und Union Berlin. Aus dem Kontext - der Fußballtrainer Tedesco sprach den Satz nicht in einem Vorlesungssaal der Leipziger Universität, sondern inmitten von 47000 Fußballfans - ließ sich erschließen, dass es inhaltlich um Fußball ging: Tedesco hatte die Frage aufwerfen wollen, ob Union seine Leipziger Mannschaft auch am Mittwochabend ihren hochklassigen Fußball spielen lassen würde, mit dem sie bis in das Halbfinale des Pokals gekommen ist.

Und während Fragen des Wollens und Dürfens in der Philosophie teils über Jahrhunderte debattiert werden, gibt der Fußball in 90 Minuten manchmal angenehm klare Antworten: Es war Leipzigs Wille und ein später Siegtreffer zum 2:1 gegen Union Berlin, der den Finaleinzug brachte.

In Abwesenheit von Borussia Dortmund und dem FC Bayern im Halbfinale des DFB-Pokals hatte nach Hamburg gegen Freiburg am Vorabend auch Leipzig gegen Berlin fast schon so etwas wie Underdog-Charme. Im Fall von Union Berlin ließe sich diese These sogar noch belegen, seit 2001 haben die Köpenicker keine Chance mehr auf ein Finalspiel gehabt. RB hingegen stand zum dritten Mal in den vergangenen vier Jahren im Halbfinale, man habe in dieser Zeit "großartige Erfahrungen gemacht" hatte Leipzig-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff vor dem Spiel noch referiert.

Trotz dieses Erfahrungsvorsprungs tat sich Leipzig jedoch schwer, in das Spiel zu finden. Tedesco hatte gegenüber der Liga-Partie gegen Leverkusen sein Stammpersonal weitgehend zurück auf das Feld rotiert, nur ein Wechsel kam gezwungenermaßen: Mohamed Simakan verteidigte für die Corona-Kontaktperson Lukas Klostermann auf der rechten Seite der Innenverteidigung. Die Umstellungen fielen jedoch weniger ins Gewicht als der Fakt, dass sich der Gegner aus Berlin von Anfang an darauf fokussierte, dem Favoriten nichts anzubieten.

Ein Rückkehrer leitete mit seiner Paradedisziplin die Führung für Union ein

Urs Fischers Mannschaft - aktuell ebenso formstark wie Leipzig - verteidigte in gewohnter Formation mit hervorragender Organisation und ließ die Leipziger kaum über die Mittellinie hinaus kombinieren. In der Anfangsphase blieb Zeit für einen Stimmungsboykott der Union-Fans - und Grüße: Tedesco herzte einmal kurz seinen ehemaligen Schalker Gefährten Bastian Oczipka, als der bei ihm an der Trainerbox auf einen Ball zum Einwurf wartete. Ozipka war von Fischer etwas überraschend anstelle von Niko Gießelmann als linker Außenspieler für die Startelf berufen worden, doch es war die andere Umstellung, die den Unionern die Führung brachte.

Auf der rechten Seite nämlich war Christopher Trimmel nach einer kurzen Ruhepause gegen Frankfurt wieder an seinen Stammplatz in der Startelf zurückgekehrt. Der Österreicher zeigte sich gleich in seiner Paraderolle als Flankengeber: In der 25. Minute bekam Trimmel zum ersten Mal etwas Freiraum auf der rechten Seite und ein hervorragendes Zuspiel von Taiwo Awoniyi, das er direkt in eine scharfe Flanke an den langen Pfosten ableitete. Dort sprintete Sheraldo Becker im Rücken der Leipziger Abwehr heran und traf aus kurzer Distanz zum 1:0.

DFB-Pokal-Halbfinale: Da war die Welt aus Berliner Sicht noch in Ordnung: Sheraldo Becker (Mitte) verwertete eine perfekte Hereingabe von Christopher Trimmel zur Führung für Union.

Da war die Welt aus Berliner Sicht noch in Ordnung: Sheraldo Becker (Mitte) verwertete eine perfekte Hereingabe von Christopher Trimmel zur Führung für Union.

(Foto: Julius Frick/Imago)

Union hatte somit den Pokalabend eröffnet, dem etwas statischen Spiel zweier Mannschaften, die in sehr ähnlicher taktischer Formation aufliefen, tat das durchaus gut. Leipzig erarbeitete sich bis zur Halbzeit ein leichtes spielerisches Übergewicht und hatte durch Stürmer Andre Silva in der 37. Minute die beste Chance zum Ausgleich: Nach einer Kombination über Dani Olmo kam der Portugiese aus elf Metern zum Abschluss, schob den Ball aber knapp rechts am Tor vorbei.

Union verteilt Einladung zum Leipziger Ausgleich und kommt gegen Ende der Partie zu selten aus der eigenen Hälfte

In der zweiten Halbzeit veränderte sich erst einmal wenig. Die Spieler der Tedescoschen Philosophie-Schule wollten weiterhin, durften aber kaum: Union verteidigte gut und spielte bei Gelegenheit sehr gute lange Bälle nach vorne. Becker gewann in der 57. Minute zwar sein Laufduell, seinen Querpass konnte Awoniyi dann aber nicht zum 2:0 verwerten. Stattdessen verteilten die Berliner auf der Gegenseite kurz darauf eine Einladung zum Ausgleich: Paul Jaeckel foulte Christopher Nkunku im Strafraum relativ deutlich, Schiedsrichter Felix Brych sah sich die Szene dennoch kurz am Bildschirm an, um dann auf Elfmeter zu entscheiden. Den verwandelte Silva sicher zum Ausgleich (61. Minute).

DFB-Pokal-Halbfinale: Der spielentscheidende Moment: Leipzigs Emil Forsberg (ganz rechts) köpfte den Ball um 2:1 ins Tor der Unioner.

Der spielentscheidende Moment: Leipzigs Emil Forsberg (ganz rechts) köpfte den Ball um 2:1 ins Tor der Unioner.

(Foto: Christian Modla/dpa)

Union ließ sich davon allerdings erst einmal nicht beirren: Die Berliner verteidigten weiterhin gut, schafften es aber in den finalen zehn Minuten der Partie immer seltener, die Bälle aus der eigenen Hälfte zu spielen. Leipzig kam so zu mehr Strafraum-Situationen, versuchte es weiterhin spielerisch - und dann schließlich mit einem Stilmittel, das im Fußball meist dann zum Einsatz kommt, wenn eine Mannschaft unbedingt will, aber nicht so richtig darf: In der zweiten Minute der Nachspielzeit schlug Benjamin Henrichs eine scharfe Flanke in den Strafraum, die der eingewechselte Emil Forsberg mit dem Kopf zum 2:1 ins Tor lenkte. Leipzig spielt somit am 21. Mai in Berlin um den DFB-Pokal.

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