Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Prestigeerfolg für Dr. Watson

Lesezeit: 3 min

Nach dem Dortmunder 1:0-Sieg im Borussenduell gewinnt die Frage an Lautstärke, ob sich BVB-Trainer Edin Terzic künftig in die Rolle des Assistenten von Marco Rose fügen wird, dem in Gladbach gerade die Saison durch die Finger rinnt. Die Antworten sind vielstimmig.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

War Dr. Watson schlauer als Sherlock Holmes und Harry ein gewiefterer Ermittler als Derrick? Ist Edin Terzic ein besserer Trainer als Marco Rose? Dienstagnacht erreichte die Debatte um die künftige Trainerkonstellation bei Borussia Dortmund eine neue Stufe. Die Duellanten sollen in der kommenden Saison zusammenarbeiten - in eigentlich klarer Hierarchie.

Der bei Borussia Mönchengladbach vom Erfolg verlassene Rose wird im Sommer Chef des bei Borussia Dortmund reüssierenden Terzic. Gladbach hat unter Rose vier Spiele nacheinander verloren, Dortmund unter Terzic vier Partien in Serie gewonnen. Im Viertelfinale des DFB-Pokals besiegten Terzics Dortmunder Roses Gladbacher 1:0. "Edin macht es herausragend", schwelgte hinterher der stimmungsgewichtige BVB-Abwehrchef Mats Hummels auch noch demonstrativ, er weissagte Terzic explizit eine große Trainerkarriere. Das provozierte natürlich umgehend die Frage: Will sich der gelobte Terzic in Dortmund als Assistent von jenem Marco Rose zufrieden geben, dem in Mönchengladbach gerade die Saison durch die Finger rinnt? Vielleicht erreichen Terzic ja bald externe Angebote. Pssst: Auch Gladbach sucht noch.

Am Niederrhein herrscht Tristesse: Seit Roses Ankündigung ist Gladbach aus fast allen Träumen gefallen

"Die Situation geht nicht spurlos an mir vorbei", sagte Rose nach dem Pokal-Aus zerknirscht. Seit der 44-Jährige vor zweieinhalb Wochen mitgeteilt hat, im Sommer die Borussia zu wechseln, hat Gladbach vier Spiele verloren, ist in der Bundesliga ins Mittelfeld gerutscht, steht in der Champions League gegen Manchester City mit einem Bein im Aus und musste nun auch noch den Traum vom DFB-Pokal-Triumph aufgeben. Am Niederrhein herrscht Tristesse, sogar bei jenem Trainer, dem der verheißungsvolle Karrieresprung nach Dortmund bevorsteht.

Rose hat in den vergangenen 16 Tagen aber nicht nur vier bedeutsame Spiele verloren, sondern auch ein paar Prozentpunkte auf der Beliebtheitsskala. Eines aber hat er ausdrücklich behalten: den Rückhalt und das Vertrauen des Gladbacher Managers Max Eberl. Während vor dem Spiel rund ums Stadion aufgeregt Polizeiwagen hin und her fuhren, weil man Proteste unzufriedener Fans befürchtete, stand drinnen Eberl und beschied im ARD-Interview abschlägig die Frage, ob mögliche Niederlagen gegen Dortmund sowie am Samstag gegen Leverkusen vielleicht doch zu Roses vorzeitigem Rauswurf führen könnten. Eberl wies diesen Gedanken kalt lächelnd zurück. In der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte Rose, genau so habe er Eberl kennengelernt. Solches Vertrauen zeige "seine Qualität als Sportdirektor und als Mensch".

Um Treue geht es viel in diesen Tagen bei den Borussen in Mönchengladbach und Dortmund. Denn genauso wie Eberl und Rose muss sich auch Terzic immer wieder die gleichen Fragen gefallen lassen - und beantwortet sie bevorzugt mit Verweisen auf Hingabe und Zuneigung. Dienstagnacht reagierte er zunächst ablehnend auf die kleine Provokation, ob er nicht Gefallen daran finde, Chefcoach zu sein, anstatt künftig wieder als Assistent zu arbeiten. Er sagte: "Das ist nicht mein Thema." Bald aber webte er seine Gefühle für Borussia Dortmund in die Thematik ein: "Welchen Titel ich beim BVB habe, ist mir vollkommen egal."

BVB-Kapitän Reus sagt: "Wir wollen mit Edin etwas Großes erreichen."

Es war ein unbeabsichtigter und schöner Zufall, dass man diese Aussage auch auf Titel im Sinne von Erfolgen münzen konnte. Mit dem Gewinn der Meisterschaft rechnen sie in Dortmund nicht mehr unbedingt, auch ein Champions-League-Triumph steckt allenfalls weit im Hinterkopf - aber der Gewinn des DFB-Pokals steht ganz gewiss oben auf der Wunschliste. "Wir wollen mit Edin etwas Großes erreichen", sagte der Kapitän Marco Reus. Das ist erstens eine Ansage und zweitens Teil eines möglichen Problems: Dürfte man einen Pokalsiegertrainer wieder zu jenem Assistenten degradieren, der er auch unter dem vormaligen Chef Lucien Favre schon war?

Dortmund mag in dieser Hinsicht ein Luxusproblem haben. Die Gladbacher haben momentan gar keinen Trainer für die kommende Saison. Eberl wird aber einen finden. Das gilt als sicher. Erschwert werden könnte die Suche allenfalls durch den Umstand, dass die rheinischen Borussen den einen oder anderen relevanten Spieler verlieren und womöglich nicht mal in der Europa League mitwirken werden. Momentan hungern sie in einer brotlosen Tabellenregion der Bundesliga herum. Rose hat sich nach den jüngsten Enttäuschungen klugerweise nicht erdreistet, jetzt noch schnell eine irrationale Kampfansage rauszufeuern. "Wir sehen jetzt eher kurzfristige Ziele: mal wieder ein Spiel zu gewinnen, in die Erfolgsspur zurückzukehren und dadurch vielleicht auch wieder in die Tabellenregionen zu gelangen, in die wir ursprünglich mal wollten." Dies entspräche ungefähr dem oberen Tabellendrittel.

Wie dünn die Nerven in beiden Klubs derzeit dann doch sind, zeigten zwei Entschuldigungen am Mittwoch. Erst bat Gladbachs Co-Trainer René Maric empörte Fans im Internet um Verzeihung dafür, dass er nach dem Spiel Dortmunds Stürmer Erling Haaland umarmt hatte, den er aus gemeinsamen Zeiten in Salzburg kennt. Dann entschuldigte sich BVB-Chef Hans-Joachim Watzke dafür, sich nach sieben Minuten Nachspielzeit ungeduldig die Maske vom Gesicht gerissen und eine Schimpftirade Richtung Schiedsrichter geschickt zu haben. Welche Bedeutung solche Petitessen doch gewinnen können. Sherlock Holmes - und Dr. Watson - würden kombinieren: klarer Fall von Nervenkoller.

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