RB Leipzig im Pokalfinale:"Ab sofort immer Flanke auf Forsberg"

RB Leipzig im Pokalfinale: Köpfte sein Team ins Finale: Leipzigs Emil Forsberg (links).

Köpfte sein Team ins Finale: Leipzigs Emil Forsberg (links).

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Trainer Tedesco bedankt sich bei seinem eingewechselten Stürmer: RB Leipzig erreicht zum dritten Mal das Pokalfinale - und hat in dieser Saison gleich zwei Chancen auf den ersten Titel der Vereinsgeschichte.

Von Felix Haselsteiner, Leipzig

Wenn es um Rasen Ballsport Leipzig geht, muss man immer etwas vorsichtiger von Geschichte sprechen als bei anderen Fußballvereinen. Es kommt dann auf die Zwischentöne an, auf die Erwähnung eines vermögenden Brausekonzerns natürlich - und manchmal kann schon ein kleiner Buchstabe entscheidend sein: Leipzigs Torhüter Peter Gulacsi war nach dem Spiel virtuell aus dem Innenraum des Stadions zugeschaltet, aber die Verbindung hakte ein wenig. Deshalb war schwer verständlich, ob er sagte, wie schön es sei, dass "Geschichte sich wiederholt". Oder aber, ob er davon sprach, dass "Geschichten sich wiederholen".

So oder so hatte er recht: Dieser Mittwochabend ist von nun an ein wichtiger Teil der Geschichte des Vereins - und er hatte eine sich wiederholende Geschichte geschrieben.

Wann genau dieses höchst umkämpfte 2:1 im Halbfinale zwischen RB Leipzig und Union Berlin doch noch zugunsten der Leipziger gekippt war, wird sich natürlich nie ganz genau feststellen lassen. Indizien sprächen für die 61. und 62. Minute, in der erst André Silva per Elfmeter zum 1:1 traf und dann, noch im Leipziger Jubel, Emil Forsberg das Feld betrat. Der Schwede ist - auch hier ist der Begriff mit Vorsicht zu genießen - in Leipzig eine "Legende", zumindest bezeichnete ihn sein Trainer Domenico Tedesco nach dem Spiel als solche.

Emil Forsberg, 30, hat mit RB schon in der zweiten Bundesliga gespielt, das war vor dem Aufstieg 2016. Er hatte sehr gute Zeiten in Leipzig, in denen er recht eindeutig der beste Spieler seiner Mannschaft war, dann durchlebte er wiederum Phasen, in denen er selten spielte und über einen Wechsel nachdachte. In 254 Partien hat er 57 Tore erzielt, und sollte man eines herausgreifen, das entscheidend zur Legendenbildung beigetragen hat, so wäre es das 2:1 im Pokal-Halbfinale - des vergangenen Jahres.

Tedescos Rotationsprinzip beugt sich Forsberg bislang ohne öffentliche Kommentare

Gegen Werder Bremen traf Forsberg damals in der finalen Minute der Verlängerung und sorgte dafür, dass RB Leipzig ein knappes Spiel gegen einen kämpferischen Gegner gewann. Und insofern wäre Torwart Gulacsi rechtzugeben, wenn er denn "Geschichten" gesagt haben sollte, denn die Ereignisse im Spiel gegen Union Berlin glichen der Episode aus dem vergangenen Jahr doch verblüffend genau.

RB Leipzig im Pokalfinale: Pokalfinale erreicht: Leipzigs Trainer Domenico Tedesco (rechts) und Abwehrspieler Willi Orban schreien ihre Freude heraus.

Pokalfinale erreicht: Leipzigs Trainer Domenico Tedesco (rechts) und Abwehrspieler Willi Orban schreien ihre Freude heraus.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Damals wie am Mittwochabend wurde Forsberg eingewechselt und machte dann den Unterschied. Es war spürbar, dass Leipzig in der Schlussviertelstunde gegen Union mehr Druck nach vorne zustande brachte, unter anderem weil sich der Schwede als ein weiterer Spieler zwischen den Positionen bewegte: Forsberg war manchmal Linksaußen und erwirkte einen Freistoß; dann ließ er sich fallen, um das Spiel aufzubauen; und schließlich bewegte er sich in den Strafraum, um dort in der 92. Minute eine Flanke von Benjamin Henrichs ins Tor zu köpfen.

"Ab sofort immer Flanke auf Forsberg", das sei die Lehre aus der Partie, sagte Tedesco - natürlich im Scherz. Er weiß um die Qualitäten seines Offensivspielers, er weiß allerdings auch, dass Forsberg keiner ist, der gerne auf der Bank Platz nimmt. Mit Beschwerden des Schweden ist in solchen Fällen fast immer zu rechnen, doch dem Rotationsprinzip, das Tedesco in Leipzig eingeführt hat, beugt sich Forsberg bislang ohne öffentliche Kommentare - es ist ja auch durchaus erfolgreich. Leipzig steht im Pokalfinale, im Halbfinale der Europa League und hat in der Liga beste Chancen auf die Champions League, was bei Geschäftsführer Oliver Mintzlaff zu Momenten der Rührung führte, weil das der Mannschaft noch im November, vor Tedescos Übernahme, "niemand zugetraut hatte", wie er sagte.

"Ich habe ihm mit auf den Weg gegeben, dass er das Spiel entscheiden kann", berichtete Tedesco von der Einwechslung des Siegtorschützen. Man sollte bei all den Emotionen der Verantwortlichen und den romantischen Einwechslungsbotschaften aber keine Parallelen zu sporthistorischen Ereignissen wie etwa dem WM-Finale 2014 ziehen ("Geh raus und zeig der Welt ..."), sondern vielmehr darauf verweisen, dass Forsbergs Einwechslung ein Indiz für den Qualitätsunterschied ist, der Leipzigs Sieg gegen Union auch auf sehr irdische Ebenen beschränkt.

Im Berliner Pokalfinale am 21. Mai wartet nun der SC Freiburg

Die Berliner nämlich kämpften aufopferungsvoll und hielten sich über die gesamte Spieldauer an die taktischen Prinzipien ihres Trainers Urs Fischer, sodass man fast vergessen konnte, dass sie an den finanziellen Voraussetzungen gemessen eigentlich keine Konkurrenz für eine Mannschaft wie Leipzig sein sollten. Den Status als herausfordernder Gegner für jede deutsche Fußballmannschaft hat sich Union in dieser Saison spielerisch erarbeitet, nicht durch die Gnade eines Sponsors verliehen bekommen.

"Über 90 Minuten ist es ein glücklicher Sieg für RB", sagte Fischer, er sei stolz auf seine Mannschaft. Es war auch ein Sieg, der zustande kam, weil Berlins Ressourcen im Vergleich endlich sind: Während Leipzig erst Forsberg und später Yussuf Poulsen und Marcel Halstenberg einwechselte, musste Fischer in der 77. Minute sein Sturmduo aus Taiwo Awoniyi und Sheraldo Becker - dem Torschützen zum 1:0 in der 25. Minute - auflösen und durch Andreas Voglsammer und Sven Michel ersetzen. Beide machten ihre Sache gut, nur war Union anzumerken, dass ohne die Schnelligkeit von Becker und ohne die Wucht von Awoniyi entscheidende Elemente im schnellen Umschaltspiel fehlten.

Das konnte Leipzig ausnutzen. Das Tor in der Nachspielzeit hatte sich in den Minuten zuvor angedeutet, als RB sich immer mehr in der gegnerischen Hälfte festspielte. Im Pokalfinale wartet nun mit dem SC Freiburg ein Gegner, auf den Ähnliches zutrifft wie auf Union Berlin: Die Mannschaft von Christian Streich wird den Leipzigern ebenfalls alles abverlangen, in hervorragender Grundordnung und mit viel Leidenschaft. Es sollten sich also am 21. Mai möglichst die Geschichten aus dem Halbfinale wiederholen, wenn RB dann mit dem ersten Titel Geschichte schreiben möchte.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusUli Hoeneß im Interview
:"Dann muss beim FC Bayern eine neue Ära beginnen"

Der Ehrenpräsident der Münchner spricht über die Aussichten der Basketballer, die Verluste durch die Pandemie - und erklärt, wie sehr er sich ärgert, dass die Meisterschaft der Fußballer nicht mehr ausreichend gewürdigt wird.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: