DFB-Pokal:"Wir spielen für Bayern München, wir stehen doch für etwas!"

DFB-Pokal: Die einen verzweifeln, die anderen jubeln: Jill Roord (Mitte) hat sich im Pokal mit dem VfL Wolfsburg eindrucksvoll für die Bundesliga-Niederlage revanchiert.

Die einen verzweifeln, die anderen jubeln: Jill Roord (Mitte) hat sich im Pokal mit dem VfL Wolfsburg eindrucksvoll für die Bundesliga-Niederlage revanchiert.

(Foto: Sven Beyrich/Sports Press Photo/Imago)

Die Münchnerinnen werden vom VfL Wolfsburg im Pokal-Halbfinale regelrecht auseinandergenommen. Durch das 0:5 ist die nächste Titelchance verpufft - und der Vorsprung in der Bundesliga auf die Dauerrivalen winzig.

Von Anna Dreher

Lange dauerte es nicht, bis eine nach der anderen verschwunden war. Noch kurz hatten sich die Fußballerinnen des FC Bayern bei den Fans bedankt, aber dann war ihnen nach Rückzug an diesem für sie so tristen, regnerischen Samstag. In der Kabine verbrachten sie mehr Zeit als sonst üblich, es gab viel zu besprechen. Darüber reden wollte dann aber kaum eine. Vereinzelt kamen die Münchnerinnen aus dem Gang des Campus-Stadions herausgetrottet. Sie wirkten schockiert nach der herben Klatsche, die in dieser Form unerwartet kam.

Vor drei Wochen noch hatte der FC Bayern den VfL Wolfsburg in der Bundesliga per Handelfmeter mit 1:0 besiegt und von der Tabellenspitze verdrängt. Nun revanchierte sich der Dauerrivale mit einem 5:0 im Halbfinale des DFB-Pokals. Und während die Wolfsburgerinnen eine Woche vor ihrem Champions-League-Halbfinale gegen Bayern-Bezwinger Arsenal London unerschütterlich wirkten, fanden die Münchnerinnen nie wirklich hinein in ein Spiel, das ihnen letztlich entglitt und zum Debakel geriet. "Es ist nicht akzeptabel wie wir heute gespielt haben", sagte Verteidigerin Glodis Viggosdottir. "Das ist ein Scheitern, wir wollten ins Finale. Es ist nicht okay, dass wir die Kontrolle komplett verloren haben."

Die Isländerin und ihre Mitspielerinnen hatten sich durchaus bemüht, sie waren auch zu Chancen gekommen. Aber es fehlte an Effizienz, Präzision, Zweikampfhärte und Ruhe. Sie kamen einfach nicht an gegen jene Regel, die seit ein paar Jahren fest in einem ungeschriebenen Gesetz verankert zu sein scheint: Im DFB-Pokal setzt sich der VfL Wolfsburg durch.

2012 konnte der FC Bayern in diesem Wettbewerb zuletzt die Trophäe holen. Ein Jahr später begann eine grün-weiße Regentschaft, die einzig 2014 der 1. FFC Frankfurt zu unterbrechen und Wolfsburg dabei im Achtelfinale die bislang letzte Pokal-Niederlage zuzufügen vermochte. Der Sieg am Samstag war auf dem Weg zum angestrebten neunten Titel in Serie der 44. nacheinander, seit der Saison 2016/2017 erwischte es dabei jedes Jahr auch die Bayern. Am 18. Mai in Köln trifft der VfL auf den SC Freiburg, der sich am Sonntag dank des Tores von Hasret Kayikci in der Nachspielzeit mit 1:0 gegen Zweitligist RB Leipzig durchsetzen konnte. Nach 2019 hat es Freiburg damit zum zweiten Mal so weit geschafft. Aber es ist kaum vorstellbar, dass der SC die VfL-Dominanz nun durchbrechen kann.

Vor drei Wochen noch hatte Bayerns Trainer gemahnt, sein Team habe einiges zu lernen von Wolfsburgs "Kultur des Gewinnens"

Für Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot spielte neben dem im Pokal tief verankerten Selbstvertrauen der Ehrgeiz seiner Spielerinnen die entscheidende Rolle. "Wir waren mutiger und aggressiver als vor drei Wochen", sagte der 34-Jährige. Der Frust über die Liga-Niederlage muss enorm gewesen sein. Wie ein Schalter entsprechend umgelegt werden kann, blieb Betriebsgeheimnis. Die Ausfälle von Kapitänin Alexandra Popp, Lena Lattwein und Marina Hegering konnte das Team jedenfalls problemlos kompensieren, was die hohe Qualität dieses Kaders in den Fokus rückte. Dafür sorgten vor allem Jill Roord, die vom Mittelfeld aus entscheidende Akzente setzte, und Sveindis Jonsdottir in der Offensive.

DFB-Pokal: Wird mehr und mehr zu einer entscheidenden Spielerin beim VfL Wolfsburg: Sveindis Jonsdottir (links) jubelt über ihr Tor mit Jill Roord und Ewa Pajor.

Wird mehr und mehr zu einer entscheidenden Spielerin beim VfL Wolfsburg: Sveindis Jonsdottir (links) jubelt über ihr Tor mit Jill Roord und Ewa Pajor.

(Foto: Christian Kolbert/dpa)

Nach ihrem Führungstreffer (19. Minute) leitete die 21-Jährige mit einem ihrer berüchtigten langen Einwürfe ein Eigentor von Bayerns Torhüterin Maria-Luisa Grohs kurz vor Pause ein. "Ihre Einwürfe sind eine Waffe, da wären viele Vereine froh, wenn sie sowas hätten", kommentierte Stroot die Szene. Als Jonsdottir auch noch auf 3:0 erhöhte (47.), war das Spiel gelaufen. Jule Brand (56.) und Dominique Janssen per Handelfmeter (60.) zermürbten die Gastgeberinnen vor 2500 Zuschauern endgültig. Die Bayern wirkten ratlos, kein Wechsel, keine taktische Umstellung half. Für sie war es die höchste Niederlage der Saison. Von ihren übergreifend überhaupt erst vier Pleiten geht die Hälfte aufs Konto der Wolfsburgerinnen, von elf Gegentoren schossen diese sieben.

Vor drei Wochen noch hatte Bayerns Trainer Alexander Straus nach dem 1:0 gemahnt, sein Team habe einiges zu lernen von Wolfsburgs "Kultur des Gewinnens". Am Samstag sah sich der Norweger bestätigt. "Das ist ein Schock. Ich habe das nicht erwartet", gestand Straus. Er wirkte fassungslos, als auch er erst nach längerer Zeit aus der Kabine kam, um einzuordnen, was auf dem Rasen passiert war. "Wir fallen die letzte halbe Stunde auseinander, das sagt etwas über die Haltung und Kultur aus, da geht es nicht um Taktik. Wir müssen die Blutung stoppen und tun es nicht", sagte der 47-Jährige. "Das tut weh, wenn du merkst, du verlierst die Kontrolle." Eine Erklärung dafür habe er nicht. Aber das Auftreten sei doch auch eine Frage von Stolz: "Wir spielen für Bayern München, wir stehen doch für etwas! Das kann nicht noch mal passieren!"

Mag von manchen angesichts der zwischenzeitlichen 14 Bayern-Siege in Serie vor nicht allzu langer Zeit erneut der sogenannte Machtwechsel im deutschen Frauenfußball gewittert worden sein, so ist dieser nun bis auf Weiteres verschoben. Für die Münchnerinnen ist nach dem Champions-League-Aus die nächste Titelchance verpufft. In der Bundesliga immerhin könnte es klappen, fünf Spieltage stehen noch aus. Dass dieses Pokalhalbfinale sich auch auf die Liga auswirkt, ist jedoch nicht ausgeschlossen. "Wir sind wieder die Jäger, wir müssen unsere Hausaufgaben machen", sagte Wolfsburgs Svenja Huth. "Aber jeder Sieg setzt die Bayern auch unter Druck. Wenn sie straucheln, wollen wir da sein." Noch aber führt der FC Bayern hier - mit einem Punkt.

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