Süddeutsche Zeitung

Frankfurt im DFB-Pokal:Fast schon wie Handkäs

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der Torwart Kevin Trapp kennt die Geschichten und die Bilder aus dem Mai 2017 und 2018 bestens. Er war in jener Zeit zwar nicht im Kader von Eintracht Frankfurt, aber er hat genug davon mitbekommen: "Alle wissen, wie schön es ist", sagte Trapp also am Mittwochabend nach einem 2:0 (1:0) gegen Werder Bremen im Pokalviertelfinale: "Wenn man mit den Jungs darüber redet, macht es Spaß zuzuhören, und wenn man den Film gesehen hat, dann noch mehr." Und jetzt soll sich das Ganze wiederholen.

Pokal, das ist ein Wort, das auf dem besten Weg ist, in künftigen Stadtbeschreibungen gleich neben den kulinarischen Klassikern wie Handkäs mit Musik oder Grüner Soße als Frankfurter Spezialität gewürdigt zu werden. 2017 stand die Eintracht im Endspiel um den DFB-Pokal, das sie gegen Dortmund verlor (1:2). 2018 gewann die Eintracht dann die Trophäe gegen den FC Bayern, und in der Saison danach war zwar im nationalen Pokal bereits in Runde eins gegen den Viertligisten Ulm Schluss, aber es ging im Europapokal bis ins Halbfinale. Nun steht der Klub also zum vierten Mal in vier Jahren unter den besten vier Teams eines Pokalwettbewerbs, und in der Europa League ist er darüber hinaus auch noch vertreten (Achtelfinale gegen Basel). Unter den deutschen Klubs kommt nur der FC Bayern auf einen besseren Wert.

Zufall? "Man bekommt da sicherlich eine Erfahrung", sagt Trapp. Immerhin fünf Spieler des Kaders waren in allen vier Jahren dabei, und die anderen wie Trapp scheinen die Vorliebe mit zu übernehmen. Dass die Frankfurter ihre Spielweise oft emotional und aggressiv anlegen, dürfte in K.-o.- Spielen außerdem auch nicht schaden.

Dass sich die Serie nun fortsetzte, lag aber nicht an einer berauschenden Leistung, sondern eher an Trapp, der in der ersten Hälfte zwei große Bremer Chancen parierte. Und es lag an einem ungewöhnlichen Einsatz des Videoassistenten. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte kam eine Flanke in den Bremer Strafraum, Frankfurts Timothy Chandler stieg hoch zum Kopfball, direkt neben ihm Werders Ludwig Augustinsson mit weit ausgestrecktem Arm. Dann kam der Ball angeflogen, dann flog der Ball wieder weg - und wenig später unterbrach der Schiedsrichter Felix Zwayer das Spiel, um an die Seitenlinie zu schreiten. Er tat das nicht etwa, um eines der vielen kreativen Banner aus der Frankfurter Fankurve ("Dietmar Hopp, du Sohn einer Mutter" oder "Adi, meld dich, wenn du 'ne Spielunterbrechung brauchst!") auf beleidigende Aspekte zu prüfen. Sondern er sah sich diese Strafraumszene an, was nicht nur den Zeugen Chandler verblüffte: "Als der Schiri ,Stopp' gesagt hat, habe ich erst mal geguckt und gefragt, was los ist, und dann hat Augustinsson zu mir gesagt, er glaubt, dass er den Ball mit der Hand berührt hat."

Zwayer gab nach längerer Prüfung dann tatsächlich Elfmeter, André Silva traf für die Eintracht zum 1:0. Es war zwar klar, dass sich Augustinssons Hand in einer Position befand, in der sie halt nicht sein sollte. Aber es war eben die große Frage, ob das wirklich ein zwingender Elfmeter war, wie hinterher selbst die Frankfurter einräumten.

"Das war eine glückliche Entscheidung für uns und die Schlüsselszene des Spiels", sagte Trainer Adi Hütter. Und Werder-Coach Florian Kohfeldt fragte sich, wo denn hier die "klare" Fehlentscheidung und damit die Legitimation für den Hinweis des Videoschiedsrichters gewesen sei: "Nach der achten, neunten Wiederholung konnte man sehen, dass er mit der Hand am Ball war", sagte Kohfeldt, "mit so etwas kann ich schwer leben." Die Schiedsrichterverantwortlichen des DFB wollten sich zu der Szene nicht äußern.

So also wurde das Pokal-Viertelfinale zum nächsten Rückschlag für die Bremer, die in der Bundesliga tief im Kampf gegen den Abstieg stecken. Kohfeldt gab zwar auch nach diesem Abend und vor dem Spiel bei Hertha BSC am Samstag den unverdrossenen Optimisten: "In wenigen Monaten werden wir den Klassenerhalt feiern", sagte er: "Wir sind ja keine Opfer. Das zu glauben, wäre ein großer Fehler."

Aber es war auffällig, wie schwer sich die Bremer taten, Ideen zu entwickeln, insbesondere nach dem 0:2 durch Daichi Kamada (60.). In der Schlussphase gab es zwar gute Szenen, aber um die von Kohfeldt identifizierten "fünf hochkarätigen Torchancen" für Werder auszumachen, bräuchten selbst gute Videoschiedsrichter wohl mehr als acht, neun Wiederholungen.

Es gibt auch schlechte Nachrichten

Aber auch die Frankfurter Pokalspezialisten gingen noch mit einer schlechten Nachricht aus dem Abend: Ausgerechnet Filip Kostic, ihr seit Wochen starker Offensivspieler, sah wegen eines Trittes in die Wade von Ömer Toprak kurz vor Schluss die rote Karte. Der Verdacht auf Wadenbeinbruch bei Toprak, der vom Feld getragen wurde, erhärtete sich zwar nicht, aber Kostic wird das Halbfinale sicher und ein etwaiges Endspiel sehr wahrscheinlich verpassen. Hütter versuchte, es mit Humor zu nehmen: "Jetzt müssen wir fürs nächste Pokalspiel jemanden rauszaubern", sagte er, vielleicht mache das dann "der Martin Hinteregger" - der Abwehrspieler, der vieles kann, nur nicht so flitzen wie Kostic.

Ferner muss Hütter auch noch schnell klären, warum seine Elf zwar im Pokal so oft so gut auftritt, aber in der Liga diese Leistungen so selten abliefert. Sonst kann es sein, dass selbst die beste Spezialität irgendwann nicht mehr mundet.

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SZ vom 06.03.2020
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