DFB-Pokal:Bremen vertraut seinen Überlebenskünstlern

Werder Bremen v FC Augsburg - Bundesliga

Seit 2014 Cheftrainer bei Werder Bremen: Viktor Skripnik, 46.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Pizarro, Fritz und Junuzovic sind die prägenden Figuren im Abstiegskampf beim SV Werder Bremen.
  • Vor dem Halbfinale im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München gibt sich vor allem der ehemalige Bayern-Spieler Claudio Pizarro optimistisch.
  • Hier finden Sie alle Ergebnisse des DFB-Pokals.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Otto Rehhagel, der einst in Bremen die sogenannte Wagenburg-Mentalität gegen die feindliche Presse erfand, hat bestimmt seine Freude gehabt an jenem kleinen Interview, das Claudio Pizarro gerade dem kicker gegeben hat. Auf die Frage, ob es eine Abstimmung der Profis pro Trainer Viktor Skripnik im Haus des Kapitäns Clemens Fritz gegeben habe, antwortete Pizarro ganz im Stile Rehhagels: "Dazu gibt es nichts zu sagen."

Der als bester 37 Jahre alter Stürmer der Welt geadelte Peruaner weiß als echter Bremer eben genau, wann man lieber schweigt, anstatt die Diskussion zusätzlich anzufeuern. Es spricht allerdings viel dafür, dass es diesen Termin wirklich gab. Diese vermeintliche Spontankonferenz der Werder-Profis dürfte ein gutes Stück dazu beigetragen haben, dass Skripnik auch weiterhin als "Überlebenskünstler" bezeichnet werden darf. Denn es gab in dieser Saison schon etliche knifflige Situationen für den ukrainischen Bremer.

Die jüngste Bedrohung ist noch ganz frisch, zu fühlen war sie nach dem 1:2 vor gut einer Woche gegen den FC Augsburg; Geschäftsführer Thomas Eichin stellte den Coach da öffentlich in Frage. Aber auch im Oktober war es schon mal eng für Skripnik, Werder hatte gegen den FC Bayern (0:1) gerade die fünfte Niederlage hintereinander kassiert.

Skripnik soll schon zweimal seinen Rücktritt angeboten haben

Und Skripnik sagte in seiner Skripnik-typischen Mischung aus Verzweiflung und Offenheit, wenn man nun auch in Mainz verliere, dann könnte das nächste Heimspiel gegen Dortmund "vielleicht ja ohne mich" stattfinden. Werder gewann in Mainz dann 4:1. Ähnlich wie am vergangenen Wochenende, als die Bremer den VfL Wolfsburg 3:2 besiegten. Insider behaupten, der ebenso engagierte wie empfindliche Skripnik habe schon zweimal seinen Rücktritt angeboten.

Nun gibt es vor dem Abstiegs-Lokalderby beim Hamburger SV am kommenden Freitag zwischendurch mal eine Partie, in der Skripnik selbst dann gewinnen kann, wenn er verliert: das Halbfinale im DFB-Pokal beim FC Bayern an diesem Dienstagabend. Für eine gute Vorstellung oder mehr braucht der Überlebenskünstler Skripnik allerdings auf jeden Fall jene drei erfahrenen Spieler, die beim Bundesliga-0:5 in München vor sechs Wochen fehlten: Claudio Pizarro, Clemens Fritz und Zlatko Junuzovic.

Ohne jene Profis, die das abstiegsbedrohte Team immer wieder aufrütteln, trottete der Rest der Kollegen damals widerstandslos zum Schafott. Pizarro war angeschlagen, Fritz und Junuzovic waren gesperrt, weil sie jeweils die fünfte gelbe Karte provoziert hatten, weshalb der DFB ihnen eine Geldstrafe von je 20 000 Euro aufbrummte. Sie wollten damals lieber spielberechtigt sein für eine Partie, in der es mehr zu holen gibt als in München.

Pizarro hat bereits sechsmal den DFB-Pokal gewonnen

Nun aber "ist Pokal und Pokal ist geil": Claudio Pizarro sagt das. In einem Spiel sei alles möglich, meint der Stürmer, vor allem, wenn Werder nach dem Sieg gegen Wolfsburg "mit Moral und Schwung" nach München komme. Pizarro ist ein verlässlicher Experte, er hat mit dem FC Bayern fünfmal und mit Werder einmal den Cup gewonnen, "ich werde den Jungs sagen, dass es etwas ganz Besonderes ist, in Berlin im Finale zu stehen".

Noch ist allerdings unklar, ob er selbst fit genug ist für 90 oder mehr Minuten; wegen eines Faserrisses an der Bauchmuskulatur hatte er vor dem anstrengenden Wolfsburg-Spiel zwei Wochen aussetzen müssen. Mit Massagen und allerlei weiteren Reha-Maßnahmen wird alles versucht, um Pizarro fit zu bekommen. Er schießt ja nicht nur die Tore. Er gibt den Kollegen alleine mit seiner Anwesenheit ein Gefühl von Sicherheit.

Junuzovic hat dem Cheftrainer bisher noch keine wohlmeinenden Sätze gewidmet

Sicherheit können sie gerade gut gebrauchen in Bremen, trotz des Erfolgs gegen Wolfsburg ist die Lage ja immer noch ein bisschen undurchsichtig. Während Pizarro und Kapitän Clemens Fritz sich zuletzt als Skripnik-Befürworter einen Namen gemacht haben, hat sich der Kapitäns-Stellvertreter Junuzovic davon ein wenig abgesetzt. Der Österreicher hat dem Cheftrainer bisher noch keine wohlmeinenden Sätze gewidmet.

Das hat womöglich damit zu tun, dass der Mittelfeldspieler kurz nach Verlängerung seines Vertrages bis 2018 in ein Leistungsloch stürzte und sich im Spätherbst auch noch an der Schulter verletzte. Die Krise war aus Skripniks Sicht so dramatisch, dass er Junuzovic sogar einige Male auf der Ersatzbank platzierte. "Ich war das Gesicht des Niedergangs", sagte der Österreicher, der sich nun aber offenbar wieder jener Form nähert, mit der er Werder schon in der vergangenen Saison rettete.

Pizarro ist der beste Bremer Bundesliga-Schütze

Skripnik, Pizarro, Fritz, Junuzovic, auf diesen Überlebenskünstlern ruhen die Bremer Hoffnungen im Saison-Endspurt. Pizarro zieht dabei zusätzliche Motivation aus den Geschichtsbüchern, in denen er sich gerade mit Vorliebe verewigt. Ist er mit 189 Toren längst bester ausländischer Torjäger der Bundesliga-Geschichte und seit Samstag mit 102 Treffern auch bester Bremer Bundesliga-Schütze, so greift er nun den zweiten Platz bei den Pokalschützen an.

Er müsste zwei Tore in München erzielen, um Hannes Löhr (32 Tore) einzuholen. Mit Platz eins wird es allerdings schwierig werden: Platz eins hält natürlich Gerd Müller. Der hat den Ball im Pokal unglaubliche 64 Mal über die Linie gebracht.

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