DFB-Pokal:Dämliches Leverkusen

Beim Drittligisten Lotte kassiert Bayer Leverkusen eine denkwürdige Pleite. Die hoch veranlagte Mannschaft wird immer schlechter.

Von Martin Schneider

Auch peinliche Pokalniederlagen geraten in Vergessenheit, und Stefan Kießling weiß das. Kießling war dabei, als sein Klub Bayer Leverkusen in der ersten Runde des DFB-Pokals 2011 im strömenden Regen in Dresden bis zur 68. Minute 3:0 führte und am Ende noch 3:4 nach Verlängerung verlor. Kießling ist oft früh aus dem DFB-Pokal geflogen. Seit 2006 spielt er unterm Bayerkreuz, und in dieser Zeit scheiterte Leverkusen fünfmal in der ersten oder zweiten Runde. Und trotzdem sagte der 32-Jährige am Dienstagabend: "Das ist die schwierigste Situation, seitdem ich im Verein bin."

Bayer Leverkusen hat gegen die Sportfreunde Lotte 5:6 nach Elfmeterschießen verloren. Lotte ist ein Drittligist aus einer westfälischen Kleinstadt mit 13 500 Einwohnern, die man in Teilen Deutschlands bisher wegen des Autobahnkreuzes kannte. Auch Sportdirektor Rudi Völler wählte drastische Worte: "Das ist an Dämlichkeit nicht zu überbieten."

Beide, Kießling und Völler, geben da trotz der harschen Rhetorik realistische Einschätzungen ab. Der Spielverlauf sprach zu jeder Zeit für Bayer Leverkusen. Kevin Volland erzielte die Führung (25. Minute), Lotte bekam daraufhin ein regulär erzieltes Tor aberkannt. Nach dem Ausgleich durch ein Eigentor von Roberto Hilbert (47.) spielte Leverkusen nach einer gelb-roten Karte gegen Tim Wendel von der 79. Minute an in Überzahl. Bayer ging in der Verlängerung erneut durch Volland in Führung (95.), dennoch kämpfte sich der unterklassige Klub zurück und erzielte das 2:2 (105.).

Auch im Elfmeterschießen hatte Leverkusen einen psychologischen Vorteil, die ersten beiden Lotter Schützen verschossen, aber auch das reichte nicht. Der frühere Leverkusener Benedikt Fernandez im Tor der Sportfreunde hielt am Ende den Elfmeter von Julian Baumgartlinger und bekam sinnbildlich für die letzten Reserven seines Teams einen Krampf. Als Torwart!

"Wir müssen uns langsam mal zusammenreißen. Jetzt haben wir durch die ganze Scheiße ein Ziel kaputtgemacht. Das tut schon ziemlich weh", sagte Kießling noch, und Rudi Völler meinte. "Wir glauben weiter an den Trainer. In den beiden anderen Wettbewerben können wir immer noch etwas gutmachen. Die Trainergeschichte ist nicht der Knackpunkt."

Die Trainergeschichte ist aber mindestens Teil der Situation, die Stefan Kießling als schwerste seiner Leverkusener Zeit bezeichnet. Denn der Trainer, Roger Schmidt, sah die Niederlage im Mannschaftsbus. Nachdem er am Wochenende seinen Kollegen Julian Nagelsmann unter anderem einen "Spinner" genannt hatte, wurde er vom DFB für zwei Spiele gesperrt. Schmidt coachte auf Bewährung, weil er sich in der vergangenen Saison gegen Dortmund geweigert hatte, nach Aufforderung des Schiedsrichters das Feld zu verlassen.

Formkurve zeigt nach unten

Nun verteidigte sein Freiburger Kollege Christian Streich Schmidt relativ energisch, aber dass er sich mindestens dämlich angestellt und damit dem Verein geschadet hat, musste Schmidt selbst zugeben. Und dass es zumindest nicht förderlich für die Leistung seines Teams ist, wenn der Chef im Bus sitzt, auch. Bei seiner Sperre im vergangenen Jahr verlor Bayer 1:3 gegen Mainz, 1:4 gegen Bremen und holte mit Ach und Krach noch ein 3:3 gegen Augsburg.

Das Hauptproblem ist aber, dass der Trainer aus dem vielleicht besten Kader, den er seit seinem Amtsantritt in Leverkusen zur Verfügung hat, aktuell sehr wenig rausholt. Zur Erinnerung: Im Sommer kamen mit Julian Baumgartlinger, Kevin Volland und Danny da Costa hochkarätige Zugänge, der Chilene Charles Aranguiz kehrte nach einer ewig langen Verletzungspause zurück, die Formkurve von Talenten wie Jonathan Tah und Julian Brandt zeigte nach oben.

Aktuell aber geht es bergab. In der ersten Saison unter Schmidt scheiterte Leverkusen in den Pokal-Wettbewerben jeweils spektakulär im Elfmeterschießen an Bayern München und Atlético Madrid im Achtelfinale der Champions League. Im vergangenen Jahr folgte international in der Europa League ein relativ klägliches Aus gegen Villareal und eine Niederlage gegen abstiegsbedrohte Bremer im Pokal-Viertelfinale (nach einem Erstrunden-Sieg gegen Lotte übrigens).

Und nun? Platz elf in der Liga, kein Sieg in der Champions League, Aus in Lotte.

Das ist zu wenig, und das weiß Rudi Völler. "Er bleibt unser Trainer, selbst wenn wir am Samstag in Wolfsburg verlieren", sagte er aber auch, denn was der Sportdirektor auch noch weiß: Vergangene Saison hat Roger Schmidt nach seiner Sperre sieben Bundesliga-Spiele in Folge gewonnen. Leverkusen hat sich nun in eine Situation gebracht, in der eine ähnliche Serie fast schon notwendig geworden ist.

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