Süddeutsche Zeitung

Dortmund im DFB-Pokal:Reus' Hand

  • Die Dortmunder erfüllen die Pflichtaufgabe im Pokal gegen Uerdingen mit 2:0.
  • Erst trifft Kapitän Reus mit Hilfe seiner Hand und dann versenkt Paco Alcácer einen schönen Freistoß.
  • Drittligist KFC Uerdingen zelebriert das Spiel des Jahres, Dortmunds Ensemble hat noch Luft nach oben.

Von Felix Meininghaus, Düsseldorf

Eine gute Stunde nach Spielschluss stand Marco Reus in der Mixed Zone der Düsseldorfer Arena und berichtete den anwesenden Journalisten, wie er die Pokal-Auseinandersetzung mit dem Drittligisten KFC Uerdingen 05 erlebt hatte. Die Analysen des Kapitäns sind gefragt, denn im Herbst seiner Laufbahn hat es der Nationalspieler gelernt, sich eloquent auszudrücken und die Dinge rhetorisch geschickt auf den Punkt zu bringen. Reus sprach zu den Medienschaffenden und hatte dabei die Kapuze seines schwarzen Pullovers weit über seinen Kopf gezogen. Während der Stürmer dozierte, ging hinter ihm der junge Engländer Jadon Sancho vorbei, stieß seinem Kollegen in den Rücken und rief den Berichterstattern feixend zu: "Look at him, he is a very good player."

Dass Marco Reus ein durchaus passabler Fußballer ist, dürfte der breiten Öffentlichkeit auch schon vorher bekannt gewesen sein. Doch nun wussten die Journalisten auch, dass die Stimmungslage beim BVB eine Woche vor Beginn der neuen Saison locker und gelöst ist. Im Supercup den ewigen Rivalen aus München geschlagen, beim 2:0 (0:0) im Pokal die Pflichtaufgabe gegen den Klub aus der Krefelder Vorstadt zwar nicht glanzvoll, aber alles in allem souverän abgearbeitet - es könnte schlechter laufen für den selbsternannten Meisterschaftsanwärter.

Während die Uerdinger das Spiel des Jahres zelebrierten und vehement betonten, wie stolz sie darauf seien, gegen den BVB das gleiche Resultat erzielt zu haben, wie eine Woche davor der Rekordmeister aus dem Süden, erörterten die Dortmunder, was ihrem so hochkarätig besetzten Ensemble noch fehlt. Feiertag in Uerdingen, Alltag in Dortmund - auf diesen kurzen Nenner konnte man diese Auseinandersetzung verdichten. Im Gegensatz zum Supercup durften die Dortmunder im Pokal schon Mal das proben, was in der kommenden Saison im Ligaalltag regelmäßig auf sie zukommen wird. Während die Bayern beim Gipfel in Dortmund den für sie typischen Ballbesitz-Fußball demonstrierten, den BVB dabei früh in der eigenen Hälfte attackierten und dabei nach Ballverlusten üppige Räume für die raketenartig vorgetragenen Gegenangriffe der Männer in Schwarz-Gelb anboten, werden andere Vereine in ihrer taktischen Ausrichtung sehr viel zurückhaltender auftreten.

So viel Selbstbewusstsein und individuelle Klasse wie der Rekordmeister haben in der ersten Liga nicht viele Vereine, und deshalb werden von 17 Kontrahenten, die dem BVB auf dem Weg zur angestrebten Meisterschaft im Weg stehen, ungefähr 15 so agieren, wie es die Uerdinger exemplarisch vorexerzierten: Tief stehen, dem Gegner den Ball überlassen und das Heil darin suchen, im letzten Drittel des Spielfelds ein solch engmaschiges Netz zu knüpfen, dass sich der Widersacher darin immer wieder verheddert.

Um da durchzukommen, bedarf es Tugenden wie Geduld, technischem Vermögen, Passsicherheit und klugen Laufwegen. All das brachten die Dortmunder nicht wirklich überzeugend auf den Rasen. "Wir müssen das Spiel mehr auf die Seite verlagern, sehr breit spielen", dozierte der Tüftler Favre: "Wir müssen mehr zwischen die Viererketten spielen, diese Läufe in die Tiefe haben wir in der ersten Halbzeit nicht gemacht."

Eine Gala war es nicht

Mit Marco Reus hatte der Schweizer bei seiner Analyse einen Bruder im Geiste: "Die Abläufe sind noch nicht so da", sagte der Kapitän, der bei seinem Treffer zum 1:0 die Hand zur Hilfe nahm und dabei Glück hatte, dass es in der ersten Runde des DFB-Pokals noch keinen Video-Schiedsrichter gibt. Man müsse "gegen solche Mannschaften mehr laufen, mehr Tempo machen und sie zum Nachdenken zwingen", monierte der Nationalspieler. Alles in allem "haben wir sie nicht hergespielt, aber es war in Ordnung". Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc fasste die Ereignisse in der ihm eigenen Nüchternheit zusammen: "Hinfahren, Aufgabe erfüllen, nach Hause fahren. Auftrag erledigt."

Eine Gala war das, was der BVB bei seiner Dienstreise ins Rheinland vollbrachte, mit Sicherheit nicht. Doch selbst wenn es den Profis in Schwarz-Gelb nicht gelingt, einen solch massiv verteidigenden Abwehrverbund wie den der Uerdinger mit schnellen Ballstafetten und technischer Raffinesse aus dem Gleichgewicht zu bringen, bleibt immer noch die Möglichkeit, einen Standard zu nutzen. Der spanische Torjäger Paco Alcácer traf per Freistoß aus 25 Metern zum 2:0. "Da ist er sehr, sehr geschickt", lobte Favre, "das hat er nicht nur in der Vorbereitung ständig gemacht." Der Kollege Reus, der im Umgang mit dem ruhenden Ball ja selbst eine gewisse Meisterschaft entwickelt hat, will Alcácer "mal fragen, warum er diesen Anlauf nimmt. Er schwingt sein Bein einfach nur durch, er braucht gar keine Gewalt." Und der belgische Nationalspieler Axel Witsel witzelte, er habe dem Stürmer vor der Ausführung des Freistoßes zugeraunt, "das ist jetzt für dich wie ein Elfmeter". Und siehe da, wenige Sequenzen später zappelte der Ball im Netz. Keine Frage, mit einem solchen Kunstschützen in seinen Reihen kann man nicht nur Uerdingen schlagen, sondern auch die großen Spiele gewinnen.

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