Bremen-Stürmer im DFB-Pokal-Halbfinale:Warum alle den heiligen Pizarro lieben

Werder Bremen v Hannover 96 - Bundesliga

Schon wieder 13 Saisontore: Claudio Pizarro.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wenn er kommt, freut sich sogar der Papst: Claudio Pizarros erstaunlicher Karriere-Spätherbst hält Werder Bremen vor dem Pokalspiel beim FC Bayern am Leben.

Von Jonas Beckenkamp

Die Karriere des Fußballers Claudio Miguel Pizarro Bossio ist garniert mit Anekdoten, aber diese eine hat noch niemand erzählt. Sie basiert im Wesentlichen auf einem Foto. Als der FC Bayern im Herbst 2014 in der Champions League in Rom gastierte, entstand bei der Münchner Papst-Audienz ein herrlicher Schnappschuss. Zu sehen ist Pizarro beim Händeschütteln mit dem Heiligen Vater. Und wer genau hinschaut, der kann erkennen, dass sich Franziskus über das Treffen mit dem heiligen Pizarro sogar noch ein wenig mehr freut als umgekehrt.

VATICAN CITY VATICAN OCTOBER 22 Pope Francis talks to Claudio Pizarro of FC Bayern Muenchen duri; Claudio Pizarro

Ein Großer zu Gast bei einem anderen Großen: Pizarro und der Papst 2014 in Rom.

(Foto: imago/MIS)

Der Papst ist ein Connaisseur des Kickergewerbes, ihm war nicht entgangen, dass er es mit einem ganz Großen zu tun hatte. Wenn man so will, ist dieser Pizarro ja das lebendigste Stürmerfossil des Fußballs - es sollte also tatsächlich jeder froh sein, ihm in seinen aktiven Tagen noch einmal nahe zu kommen. Mittlerweile hält Pizarro seine Audienzen wieder in Bremen. Die Stadt an der Weser ist sein Vatikan, hier ist der Peruaner in solcher Würde gealtert, dass selbst der Liebe Gott mal applaudieren müsste.

Beifall dürfte dem 37-Jährigen auch an diesem Dienstagabend gewiss sein, wenn er mit seinen Bremer Pilgerbrüdern das Pokal-Halbfinale beim FC Bayern bestreitet (20.30 Uhr im SZ-Liveticker). Pizarro und München, das ist nämlich noch so eine große Liebe. Zwei mehrjährige, torreiche Aufenthalte verbrachte er beim FC Bayern, zum Schluss waren alle traurig, dass er geht. Alle mögen Pizarro, diesen ewig jungen Lilalaune-Bären der Bundesliga, den besten 37-jährigen Fußballer des Planeten.

Ja, richtig. Der Beste. Weltweit. Klar gab bis vor kurzem noch einen gewissen Raúl González Blanco. Der zwirbelte, lupfte und zauberte auch bis in sein 37. Lebensjahr - aber eben nicht in der Bundesliga, sondern gegen al-Gharafa oder irgendwelche No-Names aus Amerika. Klar gab es Rivaldo, Maldini und Matthäus, aber Pizarro besitzt eine einzigartige Eleganz. Er sieht immer noch aus als würde er in der Disco mit ein paar lässigen Dribblings alle 27-Jährigen stehen lassen. Am vergangenen Wochenende gelang ihm gegen Wolfsburg sein 102. Treffer für Bremen, er überholte damit Marco Bode als besten Werder-Torschützen der Geschichte.

189 Tore hat er insgesamt in der Bundesliga erzielt - kein Ausländer war je erfolgreicher. Wobei, kann man diesen Pizarro überhaupt noch als Ausländer bezeichnen? Ist er nicht irgendwie ein echter bayerischer Strizi? Der fünfte Bremer Stadtmusikant neben Esel, Hund, Katze und Hahn? Ein Liebling aller Deutschen? Mia san Pizarro? Klaus Pizarro?

Guardiola warnt in blumigen Worten

Pizarro, das ist der Typ, über den Pep Guardiola vor dem Pokal-Duell in der Münchner Arena sagt: "Im Strafraum ist er Wahnsinn. Wenn der Ball zu ihm kommt, dann Achtung." Und natürlich folgte noch ein Superlativ im klassischen Pep-Talk: "Er ist einer der besten Mittelstürmer, die ich kennengelernt habe." Pizarro ist in dieser Rückrunde für seine Bremer das, was der Volksmund "Lebensversicherung" nennt.

Er traf und traf (mittlerweile liegt er bei 13 Saisontoren) und Werder atmete die Luft des nahenden Klassenerhalts. Der Klub strampelte von Punkt zu Punkt, dann stoppte Pizarro ein Zwicken in den Bauchmuskeln und Bremen purzelte wieder auf Platz 16.

Bremen ohne Pizarro - das ergab dann ein heilloses Nulluzufünf in München in der Liga. Doch jetzt ist Pokal, es winkt das Finale in der Hauptstadt, in dem Pizarro schon sechsmal (!) den Pokal abbusseln durfte, fünfmal mit Bayern, einmal mit Werder. Seine Erfahrung, seine Klasse, seine Erzählungen sollen die Kollegen inspirieren. Vorne drin haben sie in Bremen sonst ja höchstens noch einen halben Pizarro (Anthony Ujah, verletzt) und einen Viertel-Pizarro (Fin Bartels, nunja).

"Ich versuche, an sie weiterzugeben, wie geil ein Finale in Berlin ist", sagte Pizarro am Montag im Kicker in Richtung seiner Mitspieler. Er glaubt an das Sensatiönchen in München, auch wenn viele andere nur das nächste Watschnpaket für die Bremer erwarten. "Im Pokal haben wir schon überrascht", erinnerte sich Pizarro, der nach dem 3:2 gegen Wolfsburg "in unserer Mannschaft wieder die Lust am Fußball" geweckt sieht.

Pizarro selbst hat sowieso immer Bock. Vielleicht hängt der bestgelaunte Spieler der Bundesliga (Gerald Asamoah hat sich ja zurückgezogen) sogar noch ein weiteres Jahr bei Werder dran. "Mein Körper macht mit, ich will weitermachen", erklärte er, "ich fühle mich hier wohl, würde gern hier bleiben." Bestimmte Dinge seien dafür noch zu regeln. Gut möglich, dass zu diesen bestimmten Dingen auch der Bremer Ligaverbleib zählt. Wobei: Der dann 38-jährige Pizarro in der zweiten Liga? Das wäre die nächste, erstaunliche Anekdote.

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