DFB-Pokal:Anderthalb Monate später

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Das Spiel des Jahres könnte auch das letzte des Jahres sein: Während der gesamte Amateurfußball eingemottet wird, tritt Regionalligist Schweinfurt auf Schalke an - unter widrigen Umständen.

Von Christoph Leischwitz

Es gibt Fußballvereine, für die ist zurzeit alles tatsächlich noch ein bisschen verrückter als für andere. Den FC Schweinfurt 05 darf man getrost dazuzählen. Am 17. Oktober hat der Regionalligist sein bislang letztes Pflichtspiel bestritten (0:2 in Aschaffenburg), am vergangenen Wochenende fiel das Spiel gegen den SV Schalding-Heining aus, weil die Passauer auf dem Weg zum Spiel einen Autounfall hatten. Auch die Partie am kommenden Wochenende beim FC Memmingen ist nun abgesagt. Aber kommende Woche, also dann, wenn der gesamte Amateurfußball eingemottet wird, hat der Viertligist aus Unterfranken seinen großen Auftritt: am Dienstagnachmittag bei Schalke 04 steht das verschobene DFB-Pokal-Spiel an. Nach jetzigem Stand wären die Schweinfurter das einzige Amateurteam im gesamten Land, dass dann noch spielen darf.

An Tobias Strobl dürfte zudem auch die wochenlange Ungewissheit genagt haben, die der bayerische Pokalstreit mit sich brachte: Türkgücü hat bekanntlich in letzter Instanz nicht Recht bekommen, aber die Austragung des Erstrundenspiels nunmehr anderthalb Monate verzögert. Der 33-jährige Trainer will sich aber jetzt auf das Sportliche konzentrieren, zumal das Spiel auf Schalke auch für ihn ein persönliches Highlight ist.

Und das ist schwer genug: "Wir haben jetzt natürlich keine Spielpraxis. Die Erfolgschancen gegen einen Bundesligisten sind sehr gering, in den kommenden Tagen wollen wir zusehen, dass wir sie noch minimal erhöhen." Spielrhythmus ist nicht vorhanden. Überhaupt erzählen viele Amateurfußballer in diesen Tagen, wie schwer es fällt, den Fokus auf dem nächsten Spiel zu behalten. Wenn man nicht weiß, ob es stattfindet. Wenn sich Trainingsbedingungen permanent ändern. Wenn vielleicht ein Mitspieler mit der Infektion zu Hause im Bett liegt. Strobl äußert sich dazu offen: "Du merkst es an dir selbst schon, wie schwer es ist, dich Woche für Woche zu straffen. Wie geht es dann wohl den Spielern?", sagt der Trainer. "Wir haben aber das Glück, dass die Mannschaft alle Enttäuschungen auffängt, wir sind sehr dankbar, dass sie sich da selbst antreibt."

Rein organisatorisch bedeutet der DFB-Pokal für einen Klub aus einer Amateurliga freilich auch zusätzlichen Aufwand. So muss der Verein Rücksprache mit der Stadt halten, um am kommenden Montag auf dem Vereinsgelände noch einmal trainieren zu können, ehe dann der Bus nach Gelsenkirchen abfährt. Das Regionalliga-Spiel in Memmingen wurde übrigens auch deshalb abgesagt, weil man nicht Gefahr einer Corona-Infektion aussetzen möchte - die Schweinfurter werden wegen des Pokalspiels insgesamt dreimal getestet. Besonders kurios wäre es, wenn den Unterfranken ein Sensationssieg gelingen würde: Dann würde der Regionalligist in der zweiten Runde stehen, die kurz vor Weihnachten ausgetragen wird. Der FC müsste dann erneut beantragen, trainieren zu dürfen. Und Gegner für mögliche Testspiele dürften während des Amateur-Lockdowns sehr schwer zu finden sein.

In der Zwischenzeit hat sich freilich auch beim Gegner einiges getan. Schalke wirkte Mitte September verwundbarer als jetzt. Und mit dem neuen Trainer Manuel Baum sei der Erstligist auch taktisch schwerer ausrechenbar, findet Strobl. Er kennt Baum aus der Zeit, als dieser beim Nachwuchs des FC Augsburg arbeitete, dort hatte sich Strobl einmal vorgestellt. Doch so klein die Chancen auf das Weiterkommen auch sein mögen, so groß ist die Vorfreude auf das Spiel. "Wir freuen uns wirklich extrem, und ich finde es auch unter diesen Umständen spannend: in dieser Arena zu spielen und in Gelsenkirchen zu übernachten." In normalen Zeiten hätte Schweinfurt ja Heimrecht gehabt.

Von Türkgücü München ist indes vor dem Spiel wohl kein weiterer Querschuss mehr zu erwarten. Nach dem Urteil des Schiedsgerichts am Dienstag veröffentlichte der Verein das Urteil, das der Geschäftsführer Max Kothny spontan als "dahingerotzt" bezeichnet hatte. Dieses Urteil zugunsten des Bayerischen Fußball-Verbandes, hält man für, gelinde gesagt, oberflächlich, es übergehe "wesentliche Teile des Sachverhalts". Vor allem wird beanstandet, dass das Gericht über "keine erkennbare Expertise" im Kartellrecht verfüge. Türkgücü kündigte an, den "hierdurch entstandenen Schaden ersetzt zu verlangen".

Strobl sagt, er freue sich einfach nur, "dass wir jetzt diese Klarheit haben". Und findet es zugleich ein komisches Gefühl, dass das Spiel des Jahres zugleich auch das letzte des Jahres sein könnte. Dann nämlich, wenn Schweinfurt ausscheidet - und die Regionalliga Bayern im Dezember gar nicht mehr angepfiffen wird.

© SZ vom 30.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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