DFB-Pokal: Aachen - FC Bayern:Aachens Rumpelstilzchen

"Die Bayern kommen auch nicht vom Mond gebeamt": Aachens Trainer Peter Hyballa fällt vor dem Pokalspiel gegen den FC Bayern mit provokanten Sätzen auf. Das passt zu seiner Mentalität.

Bernd Müllender

Leise sein? Kann der Mann nicht. Peter Hyballa, 35, seit Juni Coach von Alemannia Aachen, muss mit Beschreibungen wie diesen leben: sehr selbstbewusst, gerne mal laut und provokativ, extrovertiert, immer unter Strom, die eigene Mannschaft stark belobhudelnd.

Alemannia Aachen - Karlsruher SC

Aachens Trainer Peter Hyballa bei der Arbeit an der Seitenlinie - leise ist anders.

(Foto: dpa)

Hyballa tobt durch seine Coaching Zone wie ein Rumpelstilzchen, armrudernd, brüllend, und macht dabei fast mehr Kilometer als sein Mannschaftskapitän Benjamin Auer.

Einer im Fanforum hat ihn einmal, durchaus freundlich, "Daum für Arme" genannt. "Ein Hauch stimmt wahrscheinlich von allem", sagt der Jungtrainer, "aber in der Kabine bin ich auch mal ruhig, konservativ manchmal, im Einzelgespräch auch väterlich." Er wolle immer wissen, wie es seinen Spielern geht. "Wir kümmern uns. Ich will gute, selbstbewusste Jungs haben und keine Ja-Sager."

Alemannia Aachen ist eine Art Jugendcamp. Teure Spieler und Ablösesummen sind tabu, die Gehälter gedeckelt. Wer sich ein überdimensioniertes Stadion für 33.000 Menschen baut, in dem meist drei Viertel der teuren Sitzplätze leer bleiben, kann sich nur Nachwuchsspieler leisten. Vor knapp einem Jahr schlitterte der Klub knapp an der Insolvenz vorbei, die Stadt musste (mal wieder) mit einer Bürgschaft helfen. Dann sprang im Sommer ein Drittel der Dauerkartenbesitzer ab. Das Pokal-Glückslos FC Bayern ermöglicht nun 2,5 Millionen Extra-Einnahmen und kann vieles sanieren helfen.

Seit gut dreieinhalb Jahren ist Alemannia nun schon wieder in der zweiten Liga. Die Zeit war zäh. Nur einen Lorbeer gab es: Alemannia ist mittlerweile Erster in der ewigen Tabelle der zweiten Liga. Den Trainern fehlte es an vielem, ob dem seltsam uninspirierten Weltmeister Guido Buchwald, dem drögen Jürgen Seeberger oder Michael Krüger, dessen Biederkeit die Elf souverän auf dem Platz abbildete.

Ende 2009 wurde Vereins-Ikone Erik Meijer, dem sie in Aachen zutrauen, über Wasser zu gehen, nach seinen Aufgaben als Spieler, Co-Trainer und Marketing-Praktikant neuer Geschäftsführer Sport.

Holländer und Straßenköter

Er bastelte einen extrem jungen Sparkader zusammen, mit Talenten aus dem eigenen Fünftligateam. Und dann überraschte er mit Hyballa, dem A-Jugendtrainer von Borussia Dortmund, als neuem Coach. Theologensohn Hyballa will vorleben: "Ich habe die jüngste Mannschaft der Liga, da muss ich voran gehen, Mut machen. Mit leisen Tönen würden wir auch leisen Fußball spielen." Hyballa predigt Angriffsfußball, flach, ohne Verstecken, "immer sehr aggressiv".

Seine Überschrift dazu: "Fußball ist kein Mädchenmikado." Seine Jungs nennt er "Straßenköter", die sollen immer "eklig sein und bissig". Bisweilen funktioniert Alemannias Youngster-Team schon wie gewünscht, darunter große Versprechen wie Marco Höger, 21, und Zoltan Stieber, 22, der mit 16 Scorerpunkten besten in der zweiten Liga. Zuletzt schonten sich manche auch mal mit Mädchenmikado fürs Bayern-Match, Hyballa drohte zu explodieren.

Für Louis van Gaal wird das Spiel fast zum Heimatausflug. Alemannia 2011 ist der niederländischste Klub in Deutschland. Meijer und Assistent Eric van der Luer kommen von nebenan, in Alemannias Jugendbereich arbeiten drei Landsleute. Peter Hyballas Mutter stammt aus Rotterdam, der Übungsleiter hat über niederländischen Jugendfußball seine Magisterarbeit und ein Buch geschrieben.

Bestuhlung und Rasen kamen von drüben, die Beschilderung am neuen Tivoli ebenso wie diverse Businesspartner. Vieles ist holländisch, eines aber nicht: Wie das Achtelfinale gegen Frankfurt bewies, können sie auch Elfmeterschießen.

Aber: Brauchen sie das überhaupt gegen die Bayern? Die haben seit 1969 nichts mehr in Aachen geholt: drei Spiele, drei Niederlagen. "Die Bayern kommen auch nicht vom Mond gebeamt", sagt Hyballa. Ob das vorlaut ist? "Mich hat nie interessiert, was Leute über mich denken", sagt Hyballa. Erik Meijer auch nicht, er sagt: "Aachen wird Bayerns Waterloo."

Bastian Schweinsteiger bekäme dann wohl einen Eintrag in die Personalakte: Er wäre der erste Spieler in der Geschichte des FC Bayern, der viermal in Serie beim gleichen Gegner verliert. Als Schweinsteiger bei Aachens erstem Triumph 2004 eingewechselt wurde, dauerte es keine 60 Sekunden, bis Erik Meijer das Siegtor köpfte.

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