Deutsche Nationalmannschaft:Bierhoff fremdelt mit der Basis

German National Team Press Conference

Oliver Bierhoff (rechts) auf der Pressekonferenz in München, neben ihm Bundestrainer Joachim Löw.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Auch Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff steht nach dem verfrühten WM-Aus in der Kritik.
  • "Wir haben Erfolg und Unterstützung durch unsere Fans für selbstverständlich gehalten", gibt er bei der Pressekonferenz des DFB in München zu.
  • Das richtige Vokabular, um an der Basis zu punkten, wählt er aber nicht.

Von Martin Schneider

Vielleicht erkennt man die schwierige Position von Oliver Bierhoff daran, dass er auch nach 14 Jahren bei der Nationalmannschaft immer noch erklären muss, was er eigentlich macht. "Ich bin für die Außendarstellung der Mannschaft und die Teamentwicklung nach innen" zuständig, sagte Bierhoff, dessen Jobbezeichnung, so steht es auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes, "Vertreter der Nationalmannschaft" lautet.

Es gibt einige, die der Meinung sind, dass er die mächtigste Person im Verband ist, und ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass er auf der Pressekonferenz am Mittwoch in München, wo es um das Scheitern der Nationalmannschaft ging, sein eigenes Scheitern analysieren durfte. Denn sowohl Außendarstellung als auch Teamentwicklung waren nicht wirklich optimal bei der Weltmeisterschaft, aber Bierhoff durfte wie Joachim Löw weitermachen.

Unumstritten war und ist Bierhoff nie, das weiß er auch, in München sagte er mit einem Hauch von Sarkasmus. "Wer meine Karriere verfolgt hat, weiß dass sie sehr häufig mit Kritik verbunden war", und nach der WM wurde das natürlich nicht weniger. In Umfragen wünschte sich eine Mehrheit der Befragten seinen Rücktritt - im Gegensatz zum Bundestrainer, dem die Leute noch eher ihr Vertrauen aussprachen.

"Wir sind selbstgefällig aufgetreten"

In München gab sich Bierhoff ähnlich selbstkritisch wie der Bundestrainer, der sich "Arroganz" vorwarf. "Wir sind selbstgefällig aufgetreten. Wir haben Erfolg und Unterstützung durch unsere Fans für selbstverständlich gehalten", sagte Bierhoff. Man habe auch Disziplin in der Mannschaft schleifen lassen, man wolle wieder näher an die Spieler ran, was impliziert, dass man ein bisschen weit weg war - und den Betreuerstab, den wolle man auch verkleinern.

Was ihn aber getroffen habe, sei der Vorwurf, Nationalmannschaft und Fans hätten sich entfremdet - dazu muss man wissen, dass die Leute auch mit der Person Oliver Bierhoff immer ein bisschen fremdelten. Er war und ist der Mann aus der Wirtschaft, sein Vater war Vorstandsmitglied beim Energieriesen RWE und Bierhoff übernahm auch in seiner Rolle bei der Nationalmannschaft das Vokabular aus den Teppichetagen. Das sorgt im Wurst-und-Bier-Sport Fußball für eine Grundmisstrauen und schwillt im Misserfolgsfall an zu lautem Protest.

Aber Bierhoff will das nicht ändern, er spricht in seinem Vortrag mehr oder weniger in einem Atemzug von seinem Bedauern, wie es zu dieser Entfremdung kommen konnte, verspricht mehr öffentliche Trainings (der September sei dafür aber ganz schlecht, Oktober und November schon besser), betont man sei in Südtirol doch mit dem Fahrrad zum Training gefahren, aber das habe offenbar nicht gereicht. Man müsse wohl in Zukunft noch mehr Autogramme geben und man werde den Werbeclaim "die Mannschaft" zusammen mit den Stakeholdern analysieren. Das ist nicht direkt die Sprache der Basis, an die sich Bierhoff wieder annähern will.

Über das Thema Özil spricht Bierhoff nicht mehr als nötig

Oliver Bierhoff sagte irgendwann in seiner halbstündigen Rede, dass das "Gemisch aus selbstgefälligem Auftreten und der Bildsprache" kein gutes war. Die Bildsprache, dass waren Werbeplakate eines Sponsors, auf denen der Hashtag #BestNeverRest (Die Besten ruhen nie) stand, obwohl der ein oder andere Nationalspieler gegen Mexiko und Südkorea durchaus ruhte, da war der Hashtag #ZSMMN (Zusammen) für eine Mannschaft, von der Joachim Löw sagt, dass der Teamgeist nicht der der WM 2014 war. Und wenn selbstbewusste und aggressive Werbebotschaften wirklich erkennbar nichts mit der Realität zu tun haben - dann fühlen sich die Leute verschaukelt, zumindest das scheint Bierhoff erkannt zu haben.

Aber Bierhoff kann auch nicht aus seiner Rolle, neben den "Stakeholdern" (übrigens ein Begriff aus der Wirtschaft, mit der eine Gruppe bezeichnet wird, die ein Interesse an einem Prozess hat), spricht er auch über die "Partner" (Sponsoren) und eben über die unglücklichen Werbebotschaften.

Über Mesut Özil verliert er nach Monaten immerhin den Satz, dass ein Nationalspieler keine Zielscheibe für rassistische Angriffe sein kann und dass man sich dagegen wehren müsse. Nachdem er selbst versucht hat, vor laufenden Kameras das Thema zu beenden und Özil in einem Interview nach der WM als Sündenbock hingestellt hat - und sich dann dafür entschuldigte. Darüber spricht Bierhoff nicht mehr als nötig, über die möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen in einem Verband, in dem sehr viele türkischstämmige Spieler und Nachwuchsspielern spielen, verliert er kein Wort. Stattdessen ist es ihm wichtig, zu betonen, dass die Nationalmannschaft die Haupteinnahmequelle des DFB ist (was stimmt) und dass es in Russland nicht mehr Werbeaktivitäten gab als 2014 in Brasilien (was stimmen könnte, es ist schwer nachprüfbar).

Am 6. September findet das Länderspiel gegen Frankreich in München statt, die Stadt ist voll von Plakaten, auf denen darum geworben wird, sich doch bitte Tickets zu kaufen. Die Normalpreise reichen von 25 bis 100 Euro, wobei man da noch argumentieren könnte, dass immerhin eine der beiden Mannschaften der Weltmeister ist und es im Rahmen der Nations League so etwas wie ein Pflichtspiel ist. Ein paar Tage später verlangt der DFB für einen Testkick gegen Peru aber ebenfalls 25 bis 80 Euro für eine Eintrittskarte. Es gibt auch noch Tickets.

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