DFB-Niederlage gegen Argentinien:Weltmeisterlich entzaubert

Germany v Argentina - International Friendly

Wenig weltmeisterlich: die deutschen Nationalspieler in Düsseldorf.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es war nur ein Freundschaftsspiel, doch die deutsche Abwehrleistung beim 2:4 gegen WM-Finalgegner Argentinien gibt Anlass zur Sorge. Bundestrainer Joachim Löw wirbt um Milde für seine Weltmeister. Ersatz-Kapitän Manuel Neuer findet schärfere Worte.

Von Lisa Sonnabend, Düsseldorf

Egal wie ein Länderspiel ausgeht, der DFB-Kapitän muss sich danach stellen und reden. Philipp Lahm pflegte stets zu sagen, die Mannschaft habe sich das Leben selbst schwer gemacht, wenn es einmal nicht so gut gelaufen war. Doch Philipp Lahm ist nicht mehr Kapitän der DFB-Elf, stattdessen stand nun ersatzweise Manuel Neuer am Mittwochabend in der Düsseldorfer Arena - und der richtete deutlich schärfere Worte an die Mannschaft.

2:4 (0:2) hatte die deutsche Nationalmannschaft am Mittwochabend gegen Argentinien verloren. Es war nur ein Freundschaftsspiel, doch es genügte den Weltmeistern, sich nach dem WM-Finale in Rio sogleich wieder selbst zu entzaubern. Neuer stand also vor den Kameras, er trat von einem Bein auf das andere und klagte: "Es ist bitter, wir sind hinten nicht ordentlich gestanden."

Dann wählte der Torwart noch kritischere Worte, die Philipp Lahm wohl in zehn Jahren Nationalmannschaft nicht herausgebracht hätte: "Dabei haben wir in der Abwehr drei vom BVB, die sich eigentlich gut kennen."

Vier Mal trafen die Argentinier an diesem Abend ins deutsche Tor - und vier Mal sah dabei die Verteidigung alles andere als gut aus. Einmal stand Kevin Großkreutz zu weit von Sergio Agüero entfernt, dann sprang Matthias Ginter nicht hoch, um den Kopfball von Federico Fernández zu verhindern. Gleich mehrmals entwischte der flinke Ángel Di María Erik Durm auf der Außenbahn.

Während Ersatz-Kapitän Neuer seine Kritik äußerte, saß Bundestrainer Joachim Löw nebenan in der Pressekonferenz und ließ mehr Milde walten. "Wir haben in der Defensive den einen oder anderen Fehler gemacht", räumte Löw ein, fügte aber entschuldigend hinzu: "Viele Spieler haben so noch nie zusammengespielt."

Die Dortmund-Connection überging der Bundestrainer, er hatte mit seiner Erläuterung dennoch recht. Denn Löw baut nach der WM sein Team neu auf. Er will und muss jungen Spielern eine Chance geben. Zudem fehlten viele Stammkräfte verletzt. Nur vier Spieler aus der Weltmeister-Startelf standen in Düsseldorf auf dem Platz, Argentinien schickte acht Finalisten aufs Feld, um Revanche zu nehmen.

Chancenlos gegen argentinische Konter

Es war deutlich zu sehen, dass die Abläufe bei Löws Team nur knirschend funktionierten. Zuständigkeiten waren unklar, die Abstände zum Gegner zu groß, Pässe landeten nicht dort, wo sie hingehörten. Die Folge: Die DFB-Elf war nicht imstande, die argentinischen Konter zu stoppen. Di María, der soeben für 70 Millionen Euro von Real Madrid zu Manchester United gewechselt ist, ließ die Weltmeister dastehen wie den Fußballzwerg Gibraltar.

Hinzu kam, dass die DFB-Angriffe lange wirkungslos blieben. Der wieder ins Team integrierte Stürmer Mario Gomez vergab dreimal aus so kurzer Distanz, dass das Publikum den Stürmer schließlich auspfiff. André Schürrle, Marco Reus und Julian Draxler agierten gehemmt statt kreativ. Schürrle brachte es dann immerhin zum 1:4, Götze sollte seine Einwechslung mit dem 2:4 belohnen.

Nach der Partie fanden die Spieler noch weitere Erklärungen für die unerwartet hohe Niederlage. Lukas Podolski analysierte: "Viele haben viele Belastungen gehabt." Was er meinte: Nach dem WM-Triumph hatten die Spieler nicht mehr als drei Wochen Urlaub, ehe ihre Vereine sie zurückbeorderten. Der gewiefte Müller versuchte die Schuld für das schlechte Ergebnis den DFB-Verantwortlichen unterzujubeln. "Es gab zu viele Ablenkungen", befand der Münchner. Schautraining vor 40.000 Fans, Fotoshooting für ein Postkarten-Set und vor Anpfiff die Verabschiedung von Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker. Nun soll der Fokus jedoch ganz auf dem EM-Qualifikationsspiel liegen, das beteuern alle.

Nach seiner Schelte für die Kollegen vom BVB sagte Neuer noch: "Das wichtige Spiel findet gegen Schottland statt." Es sind Worte, die auch von Philipp Lahm hätten stammen könnten und die alle anderen Spieler nach der Partie in gleichem Wortlaut wiederholten.

Doch wird es die DFB-Elf gegen Schottland leichter haben? Reicht ein bisschen mehr Fokussierung, ein bisschen mehr Motivation aus, um drei Punkte zu sammeln? Der nächste Gegner stand zwar noch nie in einem WM-Finale, wird jedoch deutlich defensiver agieren als die Argentinier und könnte deswegen unangenehm werden.

Nach dem mageren Testspielergebnis reagierte der Bundestrainer jedenfalls und kündigte weitere Nachnominierungen an. Julian Draxler musste am Mittwoch verletzt vom Platz, er wird gegen Schottland ebenso ausfallen wie Mesut Özil, der sich eine leichte Oberschenkelzerrung zuzog. Auch mit einer Rückkehr von Mats Hummels rechnet Löw nicht. Immerhin Jérôme Boateng soll wieder helfen, die Abwehr zu stabilisieren. Auch wenn die Dortmunder Verteidiger den Bayern-Hünen nicht so gut kennen.

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