Welche Spiele ihm besonders in Erinnerung geblieben seien, ist Joshua Kimmich am Montag anlässlich seines Jubiläums gefragt worden. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft verzichtete darauf, seine bisher 99 Länderspiele im Geiste durchzugehen, er war auf solche Fragen offenkundig vorbereitet und antwortete, ohne zu zögern. Sehr präsent sei ihm noch das Viertelfinale der vergangenen Heim-EM, die knappe Niederlage gegen Spanien, meinte Kimmich, „da hatten wir das Gefühl, wir können was reißen“. Auch dränge sich ihm noch das Halbfinale gegen Frankreich bei der EM 2016 auf, „da waren wir spielerisch die beste Mannschaft des Turniers“.
Tatsächlich ist das schon eine halbe Fußballerkarriere her, Bastian Schweinsteiger spielte damals noch mit, wenn auch auf unglückselige Art und Weise. Schweinsteigers Handspiel leitete die Niederlage gegen Frankreich ein.
Man vergisst manchmal, woher dieser Kimmich kommt: von sehr weit her. Er ist der Zeitzeuge in dieser aktuellen Nationalelf, die sich jetzt darum bemüht, den Titel eines Wettbewerbs namens Nations League zu gewinnen, den es 2016 noch gar nicht gab. Kimmich, 30, kann Florian Wirtz, erzählen, wie das damals so war, als er, Kimmich, auch erst 21 war. Zur EM 2016 war Deutschland als Weltmeister gereist, und der Bundestrainer Joachim Löw musste sich nahezu entschuldigen, als seine Elf die EM im Halbfinale verließ. Kimmich war damals ein sehr junger Rechtsverteidiger, von dem alle dachten, dass er bald ein prägender Mittelfeldspieler sein würde. So ist es dann auch gekommen, mit der lustigen Einschränkung allerdings, dass Kimmich beim DFB im Moment wieder ein Rechtsverteidiger ist, wenn auch kein sehr junger mehr.
Nur einen kleinen Titel hat Kimmich bislang mit der DFB-Elf gewonnen
So ist aus Kimmich einstweilen ein hoch anerkannter, aber auch sehr kurioser Nationalspieler geworden. Am Mittwoch wird er im Nations-League-Halbfinale gegen Portugal also sein 100. Länderspiel bestreiten, „das zeugt davon, dass man bisher ganz gut unterwegs war“, wie er am Montag in bewährtem Understatement sagte. Der Vollendung dieser heiligen Zahl steht allerdings eine Bilanz gegenüber, die Kimmich als ausgesprochen unvollendet betrachtet. Er hat mit der DFB-Elf bisher nur einen kleinen Titel in einem inzwischen abgeschafften Wettbewerb gewonnen, den Confed Cup im Sommer 2017. Er habe mit dem DFB-Team „viele Tiefen und Höhen erlebt“, sagt Kimmich, offenbar empfindet er das in genau dieser Reihenfolge. Kimmich ist der einzige von inzwischen 14 Spielern im DFB-Hunderterklub, der noch nicht Weltmeister war.

Aber jetzt will er erst mal den nächsten kleinen Titel gewinnen, die Nations League im eigenen Land. Und danach, so sieht er das, hat er immer noch genügend Zeit, um die Reihenfolge umzudrehen und später mal von einer Bilanz mit Höhen und Tiefen zu berichten.