Stefan Ortega im DFB-Team:Auf diese Beförderung hat er lange gehofft

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Stefan Ortega im Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf dem DFB-Campus in Frankfurt. (Foto: Jürgen Kessler/Imago)

Bei Manchester City hat sich Stefan Ortega den Ruf als bester Teilzeittorwart der Welt erworben. Mit 32 Jahren steht er erstmals im DFB-Kader – ein weiterer Grund, um seinen beruflichen Status zu überdenken.

Von Philipp Selldorf

Stefan Ortega sollte jetzt eigentlich ein paar entspannte Tage verbringen. Manchester City, sein Arbeitgeber, hatte allen Nicht-Nationalspielern für die Länderspielpause eine Woche Urlaub gewährt, ein Reiseziel hatte Ortega schon ausgemacht. Doch dann erreichte ihn dieser überraschende Anruf aus Deutschland und die Urlaubsfahrt musste ersatzlos ausfallen. Statt in die Erholung zu reisen, nahm der Torwart den Dienst beim DFB auf.

Auch wenn ihn die Berufung zur Nationalmannschaft im betreffenden Moment unvorbereitet traf, denn vom DFB hatte er bis dahin nichts gehört, so hat er sich doch sehr gern auf den Weg nach Frankfurt gemacht und auf die November-Freizeit verzichtet. Auf diese Beförderung hatte er schon länger gehofft, auch wenn er eher nicht erwarten darf, gleich zum Einsatz zu kommen. Im Alter von 32 Jahren reiht sich Stefan Ortega nun in die Gruppe der Spätentwickler in Nagelsmanns Team ein und steht dabei neben dem Torwartkollegen Oliver Baumann, 34, und Spielern wie Tim Kleindienst, 29, und Deniz Undav, 28, die ebenfalls alle im fortgeschrittenen Karrierestadium in den Auswahlkader gelangten.

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Mit Undav und Kleindienst teilt Ortega Erinnerungen an ein nicht allzu fern zurückliegendes Profi-Dasein in unteren Ligen. Wenn Undav aus Meppen im Emsland erzählt und Kleindienst aus Heidenheim an der Ostalb, dann kann Ortega aus Bielefeld in Ostwestfalen berichten. Mit der Arminia und dem TSV 1860 hat er dreimal so viele Spiele in der zweiten und dritten wie in der ersten Liga bestritten – 191, um genau zu sein. Bis ihm im Sommer 2022 Manchester City ein Angebot machte, das er nach einer gewissen Bedenkzeit nicht ablehnen wollte.

Pep Guardiola bedankte sich einst bei ihm für den Titelgewinn

Ein Bundesligator mit Nummer-Eins-Status wäre ihm damals lieber gewesen, beim englischen Meister stand für ihn vorerst nur die Rolle eines Stellvertreters in Aussicht. Der Brasilianer Ederson, 31, ist seit 2017 der verlässliche Stammkeeper in Manchester, und er ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. Dennoch hat sich herumgesprochen, dass Ortega nicht bloß ein konventioneller Reservetorwart ist, weshalb es vermutlich keinen Mitspieler überrascht hat, dass er jetzt am Tisch der Nationalmannschaft Platz nahm, während bewährte Größen wie Kevin Trapp oder Bernd Leno dort nicht anzutreffen waren.

Ortega ist wahrscheinlich der beste deutsche Teilzeit-Torwart des 21. Jahrhunderts. Seine Einsätze in der vorigen Saison, in den Pokalwettbewerben und im fordernden Ligafinale, brachten ihm hausintern hymnische Kritiken ein. Pep Guardiola bedankte sich bei ihm für den Titelgewinn („er rettet uns – sonst wäre Arsenal Meister“), Kapitän Rodri erklärte sich nach Ortegas brillanten Paraden in den entscheidenden Saisonspielen sprachlos („ich habe keine Worte“). Guardiola rühmte den Deutsch-Spanier aus Hofgeismar in Nord-Hessen als Botschafter hiesiger Tugenden („das ist die deutsche Kultur: Aufstehen, nicht nachgeben“), Ortega bestätigt das Kompliment gern. Er beansprucht Eigenheiten einer typisch deutschen (Fußballer-)Mentalität: „Harte Arbeit, Einsatz, Wille, Disziplin und Professionalität.“

Im Sommer hatte er deshalb Anlass zu hoffen, dass City seinen Status aufwerten würde. Ederson stand in Verhandlungen mit Klubs aus der saudi-arabischen Liga, kolportiert wurde ein jährliches Fabelgehalt von 30 Millionen Euro – netto. Ein Vertrag kam dennoch nicht zustande, Manchesters Ablöseforderungen wurden nicht erfüllt. So ist Ortega bei City weiterhin der Torwart im Hintergrund. Vier Einsätze hat er in der laufenden Saison absolviert, kürzlich war er auch für das Champions-League-Spiel bei Sporting Lissabon eingeteilt. Guardiola entschied sich dann doch anders – und City verlor 1:4.

Durch die Einladung zur Nationalmannschaft hat Ortega nun einen weiteren Grund, seinen beruflichen Stand zu überdenken. Er träumt von der WM 2026. Im kommenden Sommer will er bei einem Klub spielen, der ihn als Nummer Eins sieht – bei Manchester City oder auch gern in der Bundesliga. Anspruchsvolle Klubs, die ihm den Wunsch erfüllen möchten, haben sich bereits gemeldet.

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