Bierhoff und Löw beim DFB:Verbündete im Sturm

Bundestrainer Joachim Löw und Sportdirektor Oliver Bierhoff sind in all den Jahren nie Freunde geworden, ihre Allianz hatte aber immer Bestand. Nun wird sie sich bewähren müssen.

Von Philipp Selldorf

Protokoll und logistische Planung sahen vor, dass Joachim Löw und Fritz Keller nach der Ankunft aus Spanien am Flughafen München gemeinsam in ein Auto steigen und nach Hause gebracht werden sollten, und was beim DFB einmal beschlossen worden ist, das bleibt dann auch so. Bundestrainer und Verbandspräsident machten es sich also im Kleinbus der Fahrbereitschaft bequem und traten die durchaus langwierige Tour nach Freiburg an. Ein pragmatischer Vorgang, der am Abend zuvor beinahe unvorstellbar erschienen war: Schließlich hatte Fritz Keller in Sevilla als Augenzeuge das 0:6 der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien erlebt, und mancher historisch bewanderte Beobachter dachte schon zur Pause der Partie an die Episode mit Jean Löring und Toni Schumacher, die sich vor 21 Jahren im Kölner Südstadion zutrug.

Löring, allmächtiger Präsident des lokalen Zweitligisten SC Fortuna, hatte nach einer erbärmlichen Vorstellung seines Teams zur Pause die Tribüne verlassen und sich geradewegs in die Trainerkabine begeben. Dort teilte er dem Chefcoach Schumacher unter Beschimpfungen mit, dass er mit sofortiger Wirkung entlassen sei. Vom Ausgang des Spiels gegen Waldhof Mannheim erfuhr der Fußball-Lehrer aus dem Autoradio.

In Sevilla stand es zur Pause 0:3 - kein Resultat, um gleich extreme Schritte zu unternehmen. Noch war die Schmach, die am Ende des Abends die Annalen des ruhmreichen DFB beflecken würde, nur eine Ahnung, aber diese Ahnung war schon recht konkret, denn eine dermaßen unterlegene und unbelebte Nationalelf hatte man seit langer Zeit nicht gesehen. Besser ist es im zweiten Durchgang nicht geworden, im Gegenteil, und dennoch hat der Präsident weder einen Wutanfall bekommen noch einen angemessen zornigen Kommentar zum blamablen Auftritt abgegeben. Für den DFB äußerte sich stattdessen Sportdirektor Oliver Bierhoff.

Ihre Allianz wird sich nun im Sturm der öffentlichen Meinung bewähren müssen

WM 2018 - Deutschland - Training

Joachim Löw und Oliver Bierhoff arbeiten seit 16 Jahren zusammen beim Nationalteam.

(Foto: picture alliance/dpa)

Er machte vor der TV-Kamera einen überraschend entspannten Eindruck, sprach Löw "absolutes Vertrauen" aus und versicherte, daran werde auch dieser spezielle Abend nichts ändern. Solche Vertrauensbekundungen der Vorgesetzten sind nicht unüblich im Profifußball, häufig währt ihre Haltbarkeit aber nicht länger als ein halbes Wochenende. Bierhoff allerdings hat es tatsächlich ernst gemeint, schon am Mittwochnachmittag meldete Bild, Löws Bleiben als Bundestrainer sei nach einer Sondersitzung von Präsident, Sportchef und Cheftrainer beschlossene Sache.

Löw und Bierhoff arbeiten seit 16 Jahren zusammen beim Nationalteam, der eine begann als Assistenztrainer des aus Kalifornien herbeigerufenen Rundumreformers Jürgen Klinsmann, der andere als dessen Sprachrohr und Fürsprecher, wenn Klinsmann wieder für Wochen und Monate an seinen privaten Erstwohnsitz in Los Angeles entschwunden war. Lang ist's her. Beide haben beim DFB Karriere gemacht, inzwischen hat Bierhoff, 52, sogar eine ordentliche Berufsbezeichnung, seit 2018 fungiert er als "Manager Nationalmannschaften und Akademie". Eine stattliche Position, formell ist er jetzt Löws Vorgesetzter, er könnte dessen Entlassung zwar nicht autonom verfügen, aber mindestens veranlassen. Nach den Kriterien, die üblicherweise im Fußballgeschäft gelten, hätte Bierhoff dazu jetzt gute Gründe - ein 0:6 der Nationalelf darf als unverzeihlich angesehen werden.

Andererseits hatte Bierhoff Anfang der Woche der FAZ versichert, er werde Löws Kurs "bis einschließlich der EM" unterstützen. In den Medien wurde dieser Satz zunächst als verstecktes Misstrauensvotum und als Ankündigung des vorzeitigen Endes der Ära Löw interpretiert (der Vertrag des Bundestrainers gilt bis zur WM 2022), er erweist sich nun aber als quasi vorab ausgestellte Amtsbestätigung. Der konziliante Bierhoff und der mittlerweile etwas sonderliche Löw sind keine Freunde geworden in all den Jahren, sie sind jedoch immer Verbündete geblieben. Ihre Allianz wird sich nun im Sturm der öffentlichen Meinung bewähren müssen, ein eiliger Beschluss in einer Flughafenlounge stellt noch keine Garantie für Löws Job-Erhalt dar.

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Ja, der Bundestrainer darf trotz des titanicartigen 0:6 in Sevilla im Amt bleiben. Dennoch könnte der Abend weitreichende Folgen haben: Der Verband bekennt sich eher zu Löws Weg - als zu Löw als Trainer.

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