DFB-Mittelfeld mit Khedira, Schweinsteiger, Kroos:Drei sind einer zu viel

Sami Khedira hat Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld der DFB-Elf als Chef abgelöst. Der Ersatzkapitän wirkte im Spiel gegen die Griechen fahrig und räumte fehlende "Explosionskraft" ein. Dennoch hält Bundestrainer Löw an Schweinsteiger fest - und macht so Toni Kroos zum EM-Verlierer.

von Thomas Hummel

Wenn Toni Kroos derzeit in der Öffentlichkeit spricht, dann bahnt sich ein kleiner Skandal an. Die Überschriften schweben unsichtbar über seinem Kopf: Stunk im DFB-Quartier! Revolte gegen Jogi! Schöne EM-Stimmung ade! Aufstand des Ausgestoßenen!

Toni Kroos, Europameisterschaft, Nationalmannschaft

Toni Kroos ist der Verlierer der EM.

(Foto: AFP)

Es gibt nach dem Viertelfinale gegen Griechenland nicht mehr viele Spieler im deutschen EM-Kader, die solche Schlagzeilen produzieren könnten. Toni Kroos ist noch ein Kandidat. Er ist bislang einer der Verlierer dieser Europameisterschaft und wenig deutet darauf hin, dass sich dies ändern könnte.

Der 22-Jährige des FC Bayern München war in den vergangenen beiden Jahren zu einem wichtigen Bestandteil der Nationalmannschaft aufgestiegen. Für ihn erfand Bundestrainer Joachim Löw sogar eine neue Position: den Zwischenspieler. Einer, der die Verbindung von Abwehr zu Angriff organisiert. Kroos war bei fast allen wichtigen Partien dabei, beim 3:2 gegen Brasilien, beim 3:0 gegen die Niederlande, bei den Festspielen in der Qualifikation. Doch als es ernst wurde, erwies sich der Dauereinsatz als Illusion. Kroos gilt bei Löw als Alternative für eine der beiden defensiven Mittelfeldposition, doch da regieren in Polen und der Ukraine zwei Schwergewichte: Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira.

Es sind die beiden Positionen, die am festesten zementiert sind. Aus dieser Zentrale heraus soll der Titel entstehen: der Ersatzkapitän aus München und der Gigant aus Madrid.

Vor allem Khedira hat sich zum Anführer der DFB-Elf entwickelt, gegen Griechenland stach der ehemalige Stuttgarter aus einer starken Mannschaft deutlich heraus. "Khedira ist sehr gut, sehr dynamisch, sehr präsent. Er ist eine wirkliche Führungsperson geworden", lobte Bundestrainer Joachim Löw. Und dann sagte er einen Satz, den man mit ein bisschen bösen Willen als Kritik an Bastian Schweinsteiger missverstehen konnte: Er sei "auch gut für die anderen, die um ihn herumspielen."

Am Freitagabend in Danzig kam der Verdacht auf, dass dieser großartige Sami Khedira vor allem gut für den fahrigen Bastian Schweinsteiger war. Muss da einer den anderen mit durch das Spiel ziehen? Schweinsteiger befand sich beim 4:2 gegen Griechenland auf einer unansehnlichen Suche nach seinem Spiel.

Mit seinen Fehlpässen und teilweise schläfrigen Spielweise nervte er sogar die Mitspieler und manch einer fragte sich, ob sich der 27-Jährige immer noch vom Dänemark-Spiel erholt. Da hatte er über erhebliche Müdigkeit geklagt, weil er im Mittelfeld große Löcher zulaufen musste. Oder liegt es daran, dass er nach den vielen Pausen in dieser Saison schlichtweg nicht fit ist?

Seine Sprunggelenksverletzung beeinträchtigt ihn offenbar stärker als bislang angenommen. "Um ehrlich zu sein, macht mir mein Knöchel Sorgen", sagte der Nationalspieler in einem seiner seltenen Interviews und begründete damit seine schwache Leistung im Spiel gegen Griechenland. "Gegen die Griechen sind mir einige Fehlpässe unterlaufen, die mir sonst nie passieren", räumte er ein. Es fehle "Explosivkraft".

Kroos bleibt Edel-Ersatzspieler

Bastian Schweinsteiger hat sich von einem Luftikus zum bierernsten Innenminister seiner Mannschaften gewandelt. Stets betont er, dass sein Beitrag im Spiel gerade der unauffällige sei, gerade der strategische, der leicht übersehen werde und die anderen gut aussehen ließe. "Nur wenige verstehen und wissen, welche Aufgaben die einzelnen Spieler auf dem Platz haben. Die Leute sehen das Tor und sie jubeln dem Schützen zu. Den Ballverlust davor oder den entscheidenden Laufweg, um einem anderen einen freien Raum zu verschaffen - all das wird selten wahrgenommen", sagte er auf der Internetseite des DFB. Weil er sich so oft missverstanden fühlt, spricht er nur noch selten mit unabhängigen Medien.

Wenn in den Stadien die Mikrofone warten, dann verschließt sich Schweinsteigers Gesicht, der Blick wird starr und der Gang unaufhaltsam. Es ist einiges passiert, die Chefchen-Debatte zum Beispiel oder die Bilder mit seiner Freundin Sarah Brandner vom Urlaub auf Capri. Schweinsteiger mag solche Fotos gar nicht, er besteht auf sein Recht auf Privatleben. Und diese ewige Kritik an seinem Spiel nervt vermutlich auch.

Dabei ist er selbst schuld, dass die Öffentlichkeit so kritisch reagiert. Vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika hat er einfach zu gut gespielt, für manche war er dort der beste Mittelfeldspieler der Welt, mindestens auf einer Stufe mit den Spaniern. Der Anspruch an ihn ist seitdem so hoch wie bei kaum einem anderen Nationalspieler, doch dafür hat sein Körper vermutlich doch zu viel mitgemacht im vergangenen Jahr.

Erst in den letzten, entscheidenden Spielen kam Schweinsteiger zurück ins Team des FC Bayern, im Champions-League-Finale war er trotz einer frühen Wadenverletzung und seines verschossenen Elfmeters einer der besten Münchner. Doch hier in Polen und in der Ukraine findet er nicht die Konstanz eines Innenminister-Spiels. Er macht eher den Eindruck eines launischen Partei-Generalsekretärs, der einmal effektvoll zwei Tore vorbereitet (Holland) und dann Pässe, die normal zu seinen leichtesten Übungen gehören, nicht mehr zum Mann bringt (Griechenland).

Dennoch deutet alles darauf hin, dass Joachim Löw seinen Ersatzkapitän zur Not durch das ganze Turnier schleppt. Er lobt unablässig die Präsenz Schweinsteigers im Mittelfeld, die Zweikampfstärke, die Passsicherheit, die Ausstrahlung und die Erfahrung.

Löw glaubt, dass ein guter Schweinsteiger die Mannschaft zu ihrem höchsten Niveau verhilft, deshalb hält er eisern an ihm fest. Dabei hilft es Löw und Schweinsteiger bislang sehr, dass Sami Khedira vom braven Dauerläufer der WM 2010 zum großartigen Alleskönner der EM 2012 geworden ist.

Gibt es irgendwo eine brenzlige Situation, ist Khedira da. Benötigt das deutsche Spiel Struktur, findet sie Khedira. Und braucht die Elf dringend ein Tor, schlägt er die Flanke auf Gomez (Portugal) oder donnert den Ball volley selbst ins Netz (Griechenland). Khedira ist bislang die entscheidende Figur im deutschen Spiel. Das Selbstvertrauen dazu hat er aus Madrid mitgebracht: Vor dem Halbfinale sagt er: "Wenn wir unser Potential abrufen, sind wir nur schwer zu schlagen."

Wenn Khedira weiterhin sein eigenes Potential abruft und Schweinsteigers Verletzung nicht doch noch einen Einsatz unmöglich macht, ist hingegen Toni Kroos' Rolle bei dieser EM vorgezeichnet. Er bleibt der Edel-Ersatzspieler, der in den letzten Minuten mit seiner Ballsicherheit Ruhe ins deutsche Spiel bringen. Bislang hat Kroos 18 Minuten Einsatzzeit. Viel mehr werden wohl nicht dazu kommen.

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