Dopingfall Vuskovic:Ersttäter, Fußballer, wenig Epo

Dopingfall Vuskovic: Mario Vuskovic, 21, kam vor zwei Jahren aus Split zum Hamburger SV und gilt als eine der Zukunftshoffnungen des Klubs.

Mario Vuskovic, 21, kam vor zwei Jahren aus Split zum Hamburger SV und gilt als eine der Zukunftshoffnungen des Klubs.

(Foto: Philipp Szyza/Imago)

Das DFB-Sportgericht suspendiert HSV-Profi Mario Vuskovic wegen Dopings für zwei statt der üblichen vier Jahre. Doch die Causa geht in die nächste Instanz - und die Begründung der Richter dürfte neue Debatten hervorrufen.

Von Johannes Aumüller

Im bisher spektakulärsten Dopingverfahren der Geschichte des deutschen Fußballs hat das DFB-Sportgericht Mario Vuskovic vom Hamburger SV für zwei Jahre gesperrt. Das teilte der Deutsche Fußball-Bund am Donnerstag mit. Damit ist die Angelegenheit allerdings nicht beendet. Der Verein und der Spieler werden Berufung einlegen, erklärte HSV-Sportchef Jonas Boldt unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils. Nun muss sich wohl das DFB-Bundesgericht als nächste Instanz mit der Sache beschäftigen.

Zudem entstehen aus dem Strafmaß und der Begründung des Sportgerichts in jedem Fall weitere Debatten in dieser Causa, in der es für viele Beteiligte um ziemlich viel geht. Das gilt nicht nur für den Spieler, seinen Klub und den deutschen Fußball generell, der gemeinhin so tut, als sei Doping bei ihm kein Problem. Zugleich steht auch die generelle Analytik der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) auf dem Spiel.

Vuskovic, 21, war im November vom Sportgericht provisorisch gesperrt worden, weil in einer Trainingskontrolle Spuren des Manipulationsklassikers Epo (Erythropoetin) gefunden worden waren. Der Kroate, einer der stärksten Profis im HSV-Kader, bestreitet Doping strikt. Entsprechend heftig ging es in den vergangenen Wochen vor dem Sportgericht her, und dieser Streit spiegelt sich nun auch im Urteil wider. Im Statement des DFB heißt es etwas gestelzt, das Sportgericht sei "im Ergebnis des Verfahrens mit hinreichender Gewissheit davon überzeugt, dass die Analysen der A- und B-Probe des Spieler-Urins im Labor in Kreischa das Vorhandensein von körperfremdem Erythropetin, kurz Epo, ergeben haben".

Nur zwei statt vier Jahre Sperre: Die Gründe dürfte so mancher wegen (Epo-)Dopings verurteilte Leichtathlet oder Radprofi mit Erstaunen registrieren

Auch ist auffällig, dass das DFB-Richtertrio um den Leipziger Juristen Stephan Oberholz den Hamburger Profi nicht für die bei Epo-Verstößen üblichen vier Jahre, sondern nur für zwei sperrte. Das habe man "bewusst" getan, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes, und das habe an drei Gründen gelegen: Erstens sei Vuskovic Ersttäter, zweitens zeige der Analysebefund "nur eine geringe Menge an Epo, so dass nicht von einem strukturierten Doping ausgegangen werden kann", und drittens träfe eine lange Sperre einen jungen Berufsfußballer intensiver als einen Einzelsportler.

Das sind Sätze, die so mancher wegen (Epo-)Dopings verurteilte Leichtathlet oder Radprofi mit Erstaunen registrieren dürfte - und es ist möglich, dass die nationale oder die internationale Anti-Doping-Agentur wegen dieser Abweichung von der Standardsperre ebenfalls gegen das Urteil vorgehen werden. Aber zugleich legen diese Sätze nahe, dass es dem Sportgericht wohl selbst nicht ganz geheuer war, nach dem Ablauf dieses Verfahrens eine Entscheidung treffen zu müssen.

Dopingfall Vuskovic: Eine stattliche Gruppe international renommierter Fachleute widersprach der Wertung im Fall Vuskovic eindringlich und erklärte die Probe als "falsch positiv". Für den 21-Jährigen steht viel auf dem Spiel.

Eine stattliche Gruppe international renommierter Fachleute widersprach der Wertung im Fall Vuskovic eindringlich und erklärte die Probe als "falsch positiv". Für den 21-Jährigen steht viel auf dem Spiel.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Vor Gericht war es in den vergangenen Wochen insbesondere um die Frage gegangen, ob das Labor korrekt gearbeitet hat, als es Vuskovic' Probe als positiv deklarierte. "Sar-Page" heißt die Methode, mit der Urinproben auf Epo überprüft werden - auf eine Substanz, die es sowohl in einer körpereigenen wie auch in einer künstlich zugeführten Form gibt. Im Kern funktioniert das Verfahren so: Der Urin des Sportlers wird auf eine Bahn mit Test-Gel aufgetragen, und die daraus entstehenden Bilder interpretieren die Labormitarbeiter per Augenschein. Werfen die kleinen schwarzen Flecken auf den Bildern einen Schatten, gilt die Probe als positiv.

Allerdings bemängeln Fachleute, dass es zu Problemen führen kann, wenn zu viel Probensubstanz auf den Streifen gerät. Dann könnten Schatten und Verschmierungen entstehen, und die wiederum könnten sich so interpretieren lassen, dass auf dem Teststreifen körpereigenes und künstliches Epo vorhanden sind - selbst wenn die Probe kein künstliches Epo enthält.

Der zuständige Leiter des Labors in Kreischa, wo Vuskovic' Probe untersuchte wurde, war sich dennoch sicher, dass die Probe positiv sei. Ebenso sahen das während des Analyse- beziehungsweise des Gerichtsverfahrens eine Wissenschaftlerin aus Norwegen und ein Wissenschaftler aus Kanada. Doch eine stattliche Gruppe international renommierter Fachleute, darunter auch der Mainzer Anti-Doping-Experte Perikles Simon, widersprach dieser Wertung eindringlich und erklärte die Probe als "falsch positiv".

Warum gibt es keine C-Probe?

Das DFB-Sportgericht erklärte zu dem Gelehrtenstreit nun, die erhobenen Einwände gegen das Analyseverfahren seien "letztlich nicht erheblich, um ernsthafte Zweifel an den positiven Epo-Befunden begründen zu können". Die vorgebrachten wissenschaftlichen Kritikpunkte seien "überwiegend eher abstrakter und spekulativer Natur" gewesen. Und zudem verfügten "die Fachberater der Verteidigung" in dem Verfahren "nicht über dieselbe hohe Bewertungskompetenz".

Dieser Passus dürfte noch ein Nachspiel haben. Denn die drei Wissenschaftler, die die Probe als positiv werteten, sitzen zugleich alle gemeinsam in einer Arbeitsgruppe der Wada. Zudem rückt nach dem Urteil umso mehr der Umgang mit einer von Vuskovic' Verteidigung gewünschten "C-Probe" ins Visier. Üblicherweise gibt es bei Doping-Verfahren nur eine A- und B-Probe, aufgrund der Unklarheiten wurde eine dritte Kontrollrunde ins Spiel gebracht. Das DFB-Gericht beauftragte damit besagten kanadischen Wissenschaftler. Doch dieser führte die C-Probe dann nicht durch, sondern bestätigte nur seine Kollegen aus der Wada-Arbeitsgruppe in ihrem Urteil.

Nun ist eine der maßgeblichen Fragen für das weitere Verfahren, warum sich das Sportgericht damit zufriedengibt, dass entgegen seiner Anordnung keine C-Probe vorliegt. Und ob dies die nächste Instanz vielleicht anders sieht.

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