Süddeutsche Zeitung

Machtkampf im DFB:Das nächste und vielleicht letzte Finale

Im schier ewigen Machtkampf zwischen Präsident Keller und Generalsekretär Curtius kursiert eine spektakuläre Idee: vorgezogene Neuwahlen auf einem Bundestag im Spätsommer.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Der heftige Machtkampf im Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat in den vergangenen Monaten diverse Krisensitzungen ausgelöst - mit dem immer selben offenen Ausgang. Die Präsidiumsrunde im Oktober war die erste, in der es darum ging, dass Präsident Fritz Keller seinen Generalsekretär Friedrich Curtius gerne loswerden würde. Im Januar konferierten die Granden dann gleich sieben Stunden lang, um sich erneut auf einen allerletzten Versöhnungsversuch zu verständigen, während sich das Verhältnis weiter verdüsterte.

An diesem Freitag steht erneut eine Präsidiumssitzung an, und vorab appellierten die Amateurvertreter an die heillos zerstrittene DFB-Spitze. Schon seit Anfang vergangener Woche kündigt sich die finale Entladung dieses Konfliktes an, es braucht unbedingt einen lösungsorientierten Vorschlag. Und so machte am Donnerstag unter DFB-Funktionären eine spektakuläre Überlegung die Runde: die Einberufung eines Bundestages im Spätsommer, auf den die eigentlich 2022 anstehenden Neuwahlen vorgezogen werden soll. Ein Rücktritt der vierköpfigen Führungscrew, die sich im Machtkampf wild ineinander verbissen hat, und die sich ja dann erneut einem Votum der Basis stellen könnte: Präsident Keller auf der einen und das Trio aus Curtius, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und dem mächtigen Vizepräsidenten Rainer Koch auf der anderen Seite.

Formal sollen in der Sitzung am Freitag die Vizepräsidenten Peter Frymuth, Günter Distelrath und Ronny Zimmermann das Ergebnis ihrer Beratung zum Konflikt Keller/Curtius vorlegen, in kleiner Runde erfolgten bereits strukturelle Anregungen. Die drei waren als Schlichter beauftragt herauszufinden, wie es weitergehen könnte. Nur, ein Weiter-So kann es nicht geben; der große Unmut der Basis über die Zustände an der DFB-Spitze ist bereits dokumentiert und muss bei den Treffen nur noch einmal artikuliert werden.

Die Vertreter der 21 Landesverbände hatten in den vergangenen Tagen ein alarmierendes Protestschreiben auf den Weg gebracht - deutlich angewidert von den Grabenkämpfen auf der Führungsetage. In einem der SZ vorliegenden Entwurf brandmarkten sie den Zustand des Sieben-Millionen-Mitglieder-Verbandes als "desolat" und beschrieben die Lagerstellung zwischen Keller, den insbesondere die Liga stützt, und Curtius sowie Vize Koch und Osnabrügge. Eine Zusammenarbeit sei "in der aktuellen Konstellation undenkbar", hieß es darin. Pikant vor allem für Koch, der ja seit vielen Jahren im DFB selbst Chef der Amateure ist. Dass nun just er das Treffen der Empörten moderieren sollte, gehört zu den großen Ungereimtheiten, zeugt aber von Kochs taktischem Geschick.

Eine weiteres Thema mit Unwucht: Der Report der Forensiker zur WM-2006-Affäre

Am Donnerstagabend tagten die Landesfürsten noch einmal, aber der Stein, den sie ins Rollen brachten, ist nicht mehr einzufangen ohne eigene massive Gesichtsverluste. Andererseits wird keiner aus der Führungsriege freiwillig abtreten. Also könnte ein vorgezogener Bundestag den Ausweg für alle bieten. Und die Basis könnte den DFB neu aufstellen.

Dass sich der Konflikt einvernehmlich lösen ließe, erscheint ausgeschlossen. Jüngst eskalierte auch die undurchsichtige Gemengelage um den umstrittenen Medienberater Kurt Diekmann weiter. Der Kommunikationsagent war 2019 in den Genuss eines üppig dotierten Vertrages in Höhe von 372 000 Euro gekommen, der bis heute Fragen aufwirft. Nun reichte er bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt eine Strafanzeige gegen Keller ein - es geht um den Vorwurf, Geschäftsgeheimnisse verraten zu haben.

Demnach soll sich Kellers Büroleiter Samy Hamama im Auftrag des Präsidenten unbefugt Unterlagen zu besagtem Vertrag besorgt haben, die schließlich in den Medien landeten. Beim DFB, wo nicht Keller, sondern Gegenspieler Curtius für das hauptamtliche Personal zuständig ist, führte das zum fristlosen Rauswurf Hamamas. Die Causa erscheint arbeitsrechtlich wackelig und ist nun ein Fall für Juristen. Der Anwalt Diekmanns erklärt zwar, dass dessen Strafanzeige nichts mit dem Vertrag oder dem aktuellen Machtkampf an der Verbandsspitze zu tun habe. Aber der Vorgang ist pikant und könnte selbst weitere Klagen auslösen. Ein Dienstleister stellt eine Anzeige gegen den Präsidenten des Verbandes, vom dem er monatelang satte Honorare bezog.

Die Fragen um Diekmann, dessen Vertrag und tatsächliche Tätigkeiten sind schon lange Kern der internen Verwerfungen. Sie führten dazu, dass Keller im Januar seinem General Curtius offiziell das Vertrauen entzog. Herausgestellt hatte sich auch, dass Diekmann schon seit Jahren im Kontext heikler Themen wie der WM-2006-Affäre eng mit DFB-Protagonisten verbunden ist, darunter insbesondere mit dem Vizepräsidenten Koch. Im Oktober 2019 erhielt Diekmann schließlich seinen üppig dotierten Vertrag.

Der DFB behauptet, Diekmanns Aufgabe habe insbesondere darin bestanden, Arbeiten der Berliner Forensiker-Firma Esecon medial zu begleiten: zur WM-2006-Affäre sowie zur langjährigen, letztlich beendeten Partnerschaft mit dem Vermarkter Infront. Die Zusammenarbeit habe im Oktober 2020 geendet. Das ist ein Argument mit erkennbarer Unwucht, denn die Begleitung der WM-2006-Affäre wäre gerade jetzt vonnöten: Entgegen aller Planungen liegt der Report der Forensiker, deren Wirken ebenfalls zu vielerlei Verstimmung im Verband geführt hat, dazu noch immer nicht vor. Auch das könnte am Freitag ein Thema sein.

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