Süddeutsche Zeitung

DFB:Ein Berater und ein doppelter Torpedo

Ein mysteriöser Vertrag mit dem Medienberater Diekmann löste die Chaos-Tage im DFB aus - jetzt taucht er im Machtkampf wieder auf. Ein Prüfbericht könnte die Position der Bosse weiter schwächen und die Causa beschäftigt die Ethikkommission.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt, und Thomas Kistner

Der Kampf um die Neuaufstellung im Deutschen Fußball-Bund ist voll im Gange. Vor allem die derzeitigen Interimspräsidenten Rainer Koch, 62, und Peter Peters, 59, mühen sich, die Dinge vor dem vorgezogenen Wahl-Bundestag im März in ihrem Sinn zu regeln. Sonst droht das Ende ihrer Funktionärskarrieren - und auch ihrer gut dotierten Vorstandsposten in Uefa und Fifa.

Seit Wochen laufen Bemühungen, den erst 2019 an die Spitze des Mittelrhein-Verbandes gerückten Bernd Neuendorf, 61, als neuen DFB-Präsidenten aufzubauen. Zugleich gilt es abzuwägen, ob sich die überwiegend von Koch gesteuerte Amateur-Fraktion damit nicht zu früh aus der Deckung wagen könnte. Satzungsänderungen stehen an, die Ambitionen von Peters, der als möglicher Kandidat des Profilagers betrachtet wird, sind noch nicht klar einzuordnen. Überdies arbeitet die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" daran, eine Doppelspitze ins Rennen zu schicken.

Bis März kann sich die Statik der Präsidentenkür also noch gehörig verändern. Auch deshalb, weil in den Untiefen des DFB noch so mancher Torpedo schlummert, nicht zuletzt zu finanziellen Fragen. Ein solcher Sprengsatz, der zurück an den Anfang der verbandsinternen Chaos-Monate führt, rückt gerade wieder ins Zentrum: der äußerst üppig dotierte Vertrag der alten DFB-Spitze mit dem Kommunikationsberater und langjährigen Koch-Bekannten Kurt Diekmann, 74, und die bis heute ungeklärten Hintergründe dieser brisanten Vereinbarung.

Es war ein ungewöhnlicher Schritt, dass interne und externe Prüfer ran mussten

Es ist sogar ein doppelter Torpedo. Denn nach SZ-Recherchen ist nun auch bei der Ethikkommission des Verbandes ein Verfahren in der Causa Diekmann anhängig. Und passend dazu liegt seit Kurzem auch der abschließende Prüfreport zum 372 000 Euro teuren Vertrag vor - nach SZ-Informationen mit einem Ergebnis, das die Position der DFB-Bosse weiter schwächen könnte.

Das Thema Diekmann war zu Jahresbeginn der Auslöser für das erbitterte, permanent schlagzeilenträchtige Zerwürfnis zwischen dem damaligen Präsidenten Fritz Keller, der im Mai abtrat, und seinen Gegenspielern: Generalsekretär Friedrich Curtius (ebenfalls nicht mehr im Amt), Schatzmeister Stephan Osnabrügge (tritt beim DFB-Bundestag im März nicht mehr an) und eben Strippenzieher Koch. Die Umstände des Diekmann-Vertrages waren erkennbar so dubios, dass es zu dem ungewöhnlichen Schritt kam, interne Revisoren und externe Prüfer zur Klärung einzusetzen. Beide Untersuchungsgremien übten in einem Zwischenbericht im Frühjahr vernichtende Kritik, eine Vorwarnung: Sie legten dar, dass sich aus den ihnen vorgelegten Unterlagen nicht erschließe, aus welchen nachvollziehbaren Gründen und für welche konkreten Leistungen Diekmann so viel Geld vom DFB erhielt. Sogar eine Selbstanzeige der DFB-Oberen stellten sie in den Raum. Schatzmeister Osnabrügge war empört und drängte auf Klarstellungen, es folgte wilder Streit.

Der nun erstellte Schlussbericht soll nach SZ-Informationen zwar an einigen Stellen weniger scharf formuliert sein - aber substanzielle Abweichungen gegenüber dem ersten Bericht soll es kaum geben. Die Befunde seien passagenweise in der Wortwahl abgemildert, heißt es aus Insiderkreisen, aber in wesentlichen inhaltlichen Teilen, auch bezüglich der unklaren Leistungsnachweise, weiter kongruent mit dem explosiven Zwischenbericht.

Für den Verband wäre es wichtig, wenn er den Report publizieren würde

Der DFB erklärt dazu auf SZ-Anfrage, dass der Bericht dem Compliance-Beauftragten zur Zweitprüfung vorgelegt worden sei. Dieser habe schon bestätigt, dass sich aus dem Bericht "keine Handlungsnotwendigkeiten für den DFB ergeben. Die ursprünglich beanstandeten Passagen enthält der Bericht nicht mehr. Das Vertragsverhältnis mit der Diekmann Kommunikation GmbH ist ordnungsgemäß abgewickelt." Auf Nachfrage am Freitag, ob die angemahnten Punkte der Prüfer zu den Leistungsnachweisen geklärt sind, und ob diese das auch so bezeugt hätten, hüllte sich der DFB in Schweigen.

Dabei wäre es zumal nach dem desaströsen Zwischenbericht im Mai von größter Bedeutung für den gemeinnützigen Verband, der 7,1 Millionen Mitglieder vertritt, öffentlich Entwarnung zu geben mit einem entsprechend vorzeigbaren Prüfbericht. So ist nun die Frage, wie der Verband mit dem Report umgeht. Den Behörden, die nach SZ-Informationen auch bei diesem Thema durchaus stutzig geworden sind, will der DFB die Untersuchung wohl nicht übergeben. Dem Vernehmen nach wurde das Papier auch nicht im Präsidium verteilt, sondern nur den Mitgliedern beschieden, sie könnten es in der Frankfurter DFB-Zentrale einsehen. Der Verband sagt dazu, der Umgang sei im Präsidium "abgestimmt worden". Das ist ein denkwürdiges Verfahren, bekannt schon in Hinblick auf eine Untersuchung eines anderen teuren Dienstleisters: dem Bericht der Firma Esecon zu Unregelmäßigkeiten rund um die WM 2006. Auch der wird, allen Transparenz-Mantras zum Trotz, nicht publiziert.

Offiziell war Diekmann zwischen April 2019 und Oktober 2020 für den Verband tätig, auch wenn der Vertrag merkwürdigerweise erst im Oktober 2019 besiegelt wurde. Das Papier in Vorbereitung hatte die Funktionärs-Troika um Koch schon länger, signiert wurde es aber erst zwei Wochen nach der Wahl Kellers ins Präsidentenamt. Diekmanns Aufgabe bestand laut DFB vor allem darin, die internen und millionenschweren Nachforschungen der Firma Esecon zu Vorwürfen in der Zusammenarbeit mit dem Langzeit-Vermarkter Infront medial zu begleiten; zudem auch die Arbeiten in der Affäre um die Fußball-WM 2006 - die sich aber bis weit nach Diekmanns Vertragsende zogen, nämlich bis ins Jahr 2021.

Diekmann spielte im sportpolitischen Umfeld schon länger eine Rolle

Das Taktieren des DFB rund um Diekmanns Vertrag war oft irritierend. Umso pikanter wirkte, dass der Kommunikationsberater nach Aktenlage schon lange eine Rolle im sportpolitischen Umfeld des Verbandes spielte: 2012 trommelte er hohe Verbandsfunktionäre mit Hinweisen auf äußerst schräge Vorgänge im Weltfußball und deren Abstrahleffekte auf den deutschen Sport zusammen. Auch Koch war damals zum Meeting nach Hannover geeilt - geredet worden sei dann angeblich aber über etwas völlig anderes, hieß es später vom DFB. Auch im Herbst 2015, im Zuge des "Sommermärchen"-Skandals rund um fragwürdige Millionen-Zahlungen im Kontext der WM 2006, tauchte der Berater auf. Zum Beispiel soll er schon vor der ersten Spiegel-Enthüllung gegenüber dem Schweizer Compliance-Experten Mark Pieth von einer bevorstehenden "Bombe" geraunt haben.

Später und für einige Wochen sogar parallel zu seiner Tätigkeit für den DFB arbeitete der Spiegel mit Diekmann zusammen. Im Oktober 2018 kündigte er den Hamburger Journalisten den Beginn der "P-Demontage" an: der Präsidenten-Demontage? Im März 2019 wiederum, wenige Tage vor dem Beginn seiner Tätigkeit für den DFB, prahlte Diekmann in einer Mail damit, dass er beim bevorstehenden Sturz des damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel assistiert habe. "Chapeau! Mit dieser Großkalibersalve habt (haben wir) die Munitionskammer des Grinch erwischt", schrieb er an Spiegel-Redakteure.

Der Mann, der dem Präsidenten nachstellt, erhält gleich nach dessen Sturz eine Kooperation? Das klingt zumindest so abenteuerlich, dass es die eigene Ethikkommission beschäftigen müsste. Das tut es auch. Zumindest formal.

Die runderneuerte Ethikkommission unter der umstrittenen Personalberaterin Irina Kummert ist erst seit kurzer Zeit im Amt. Sie spielt seit ihrer plötzlichen Umbesetzung im DFB-Machtkampf selbst eine merkwürdige Rolle. Das vorherige Ethikgremium war Anfang Juni von den DFB-Granden mit dubiosen Manövern gesprengt worden - just zu einem Zeitpunkt, als dort zwei Anzeigen zu Vize Koch eingegangen waren. Die eine kam von der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr", es ging um ungebührlichen Druck, der von Koch auf die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb ausgeübt worden sei. Aber die zweite ist inhaltlich weitaus pikanter: Sie stammt von Ex-Präsident Grindel.

In dessen Eingabe ging es auch um Diekmanns Rolle rund um seinen Sturz und um die Verbindungen des Nachrichtenhändlers zu alten DFB-Fahrensleuten wie Koch. Und zudem um einen weiteren brisanten Vorgang rund um WM-Affäre. Demnach habe ihm Koch schon vor der Publikation des Spiegel im Herbst 2015 von seinem Wissen über Recherchen berichtet. Dies hatte Grindel kurz zuvor schon im ZDF-Sportstudio erklärt - Koch hatte daraufhin gekontert, dass "die Aussagen von Reinhard Grindel nicht der Wahrheit entsprechen". Er wies stets alle Vorwürfe zurück. Die Berichterstattung des Spiegel, von der Koch laut Grindel vorab gewusst haben könnte, kostete 2015 schließlich Grindels Vorgänger Wolfgang Niersbach den Job.

Ex-Präsident Grindel machte eine brisante Eingabe

Die Kernfrage ist nun, wie die neuen Ethiker mit allen diesen Sachverhalten umgehen. Nach SZ-Informationen legte noch die alte Ethikkommission früh im Jahr ein Verfahren an, in dem es um die "Beauftragung Diekmanns" ging, also um die Themen, die auch die Prüfer beschäftigten. Deren Schlussbericht sollte natürlich abgewartet werden. Im August wurde Grindel dann endlich angehört. Doch seine Einlassungen zu angeblichen sportpolitischen Tätigkeiten des diskreten DFB-Beraters sollen nach SZ-Informationen nicht separat, sondern als Teil des anhängigen Diekmann-Verfahrens behandelt werden. Auch sollen die beiden Prüfer ihren Schlussbericht, wie vor Monaten vereinbart, an die neuen Ethiker geschickt haben.

Offiziell teilt Ethik-Chefin Kummert zum Verfahrensstand nur mit: "Die Ethik-Kommission äußert sich grundsätzlich auch gegenüber der Presse nicht dazu, ob und wenn ja welche Eingaben sie aus welchen Gründen behandelt oder nicht behandelt."

Ein heikles Verfahren, brisante Fragen, ein Konvolut eindeutiger Hinweise und Indizien: Wird der DFB doch noch eines seiner dunkelsten Geheimnisse lüften? Bisher lässt der gemeinnützige Verband die Öffentlichkeit jedenfalls weiter nicht teilhaben an der angeblichen Auflösung - obwohl der Schlussbericht doch so entspannend sein soll.

Gemessen an den bisherigen Arbeitsnachweisen der umgestrickten Ethiker-Combo sollte es nicht überraschen, wenn die Angelegenheit still versanden würde. Bisher lief das Verfahren mit gewisser Komik ab. Wie die SZ erfuhr, musste Grindel die Veröffentlichungen, mit denen er seine Aussagen stützte, selbst heraussuchen, weil sie für die umfangreiche DFB-Pressestelle nicht auffindbar seien - darunter ein spektakulärer halbstündiger Auftritt Kochs im ZDF-Sportstudio. Grindel kam der Aufforderung nach und benannte die Fundstellen: anhand des DFB-eigenen Pressespiegels.

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SZ/schm
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