Süddeutsche Zeitung

DFB-Machtkampf:Koch, Grinch und der Doppelagent

Ein Medienberater brüstet sich damit, dass er den ehemaligen DFB-Chef Grindel mit zu Fall gebracht haben will. Kurz danach kassiert er über 300 000 Euro vom DFB. Wie kann das sein?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Seit Monaten tobt ein epischer Machtkampf im Deutschen Fußball-Bund, nun steht der Showdown an. Die zentrale Rolle spielt dabei eine Person, die bis vor Kurzem kaum jemand kannte in der Sportbranche: Kurt Diekmann, 74, Kommunikationsberater aus Wesel. Viele heikle offene Fragen türmen sich rund um dessen Tätigkeit für den DFB - und um seinen üppig dotierten Vertrag. Im Fokus steht auch Diekmanns langjährige Beziehung zu Vizepräsident Rainer Koch. Und jüngst erstattete der Berater sogar eine Strafanzeige gegen DFB-Präsident Fritz Keller, in der es um den Vorwurf des Geheimnisverrats geht.

Aber nun überdeckt all diese ohnehin abenteuerlichen Vorgänge der nächste spektakuläre Sachverhalt, der den Machtkampf beeinflussen wird - und die Gruppe um Koch und Generalsekretär Friedrich Curtius weiter in Erklärungsnot bringt.

Es ist die große Frage, wie und warum der Medienberater diese Aufgabe bekam

Neu vorliegende Dokumente nähren den Verdacht, dass Diekmann im Frühjahr 2019 sogar als eine Art Doppelagent fungiert haben könnte. Weil er nach Aktenlage zu dem Zeitpunkt sowohl mit dem DFB als auch mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel kooperiert haben dürfte, das just delikate Recherchen im Verband geführt hatte.

Dies ergibt sich aus einem Bericht der Bild-Zeitung vom Montag. Darin bestätigt der Spiegel, dass er von 2016 bis Mai 2019 mit Diekmann zusammengearbeitet habe. Passend dazu zeigt ein Mailverkehr vom 27. März 2019, dass Diekmann offenbar zentral daran beteiligt war, dass ein Magazin-Bericht den damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, 59, schwer in die Bredouille brachte - Tage später, am 2. April 2019, gab Grindel das Amt ab. Zufall oder nicht: Im selben Monat nahm Diekmann eine fürstlich dotierte Beratungstätigkeit für den DFB auf, die ihm zirka 372 000 Euro einbringen sollte. Dieser neue Job war jedoch in den ersten Monaten nur den Spitzenleuten Curtius, Koch und Co. bekannt.

Demnach gab es hier also eine Überlappung von mehreren Wochen: im April, womöglich auch im Mai 2019. Der Anwalt von Diekmanns Agentur erklärt dazu, sein Mandant habe "im Zusammenhang mit dem bekannten Vertragsverhältnis zum DFB weder in zeitlicher noch in inhaltlicher Hinsicht Aufträge für Dritte bearbeitet".

Der Mailwechsel offenbart jedoch, wie tief Diekmann offenbar in den Sturz von Ex-Präsident Grindel involviert war. Ende März 2019 hatte der Spiegel dem Verband einen Fragenkatalog geschickt, in dem es unter anderem um umstrittene Zahlungen ging, die Grindel als Aufsichtsratschef einer DFB-Tochtergesellschaft erhielt - zusätzlich zu seiner Aufwandsentschädigung als Präsident. Die Umstände des Zusatzsalärs waren ein pikantes Thema, und neben einem Skandal um eine geschenkte Uhr wenige Tage später ein Grund für Grindels Rückzug.

Kurz nach der Anfrage beim DFB schrieb Diekmann eine Mail ans Nachrichtenmagazin, in der er zum Coup gratulierte und sich wortstark damit brüstete, am eingeleiteten Sturz Grindels selbst mitgewirkt zu haben. "Chapeau! Mit dieser Grosskalibersalve habt (haben wir) die Munitionskammer des Grinch erwischt. Er war offenbar heute Abend nicht einmal intern zu einer Reaktion fähig", heißt es in der auch der SZ vorliegenden Mail. "Haben wir?" - Das genau wird zu klären sein.

Umso mehr fragt sich, wie und warum Diekmann nur Tage später einen hoch dotierten, inhaltlich bis heute abgeschirmten Job beim DFB erhielt. Auf einen Fragenkatalog zum Thema teilt der Verband nur mit: "Der DFB kann aufgrund Unkenntnis der geschäftlichen Verbindungen von Herrn Diekmann vor April 2019 zu den Fragen keine Antwort geben und wird dies nicht weiter kommentieren." Diekmanns Anwalt sagt, man erteile keine Auskünfte zu Auftraggebern, Vertragskonditionen und Vertragsabwicklung.

Offiziell bleibt also unklar, wie die Zusammenarbeit zustande kam. Intern wurde nach SZ-Informationen erklärt, Diekmann habe sich aus Eigeninitiative bei Generalsekretär Friedrich Curtius gemeldet. Aber das Thema tangiert schon aus aller verbandspolitischen Logik einen Mann, der Diekmann zu der Zeit bereits gut kannte und sich mit ihm auch über manches heikle DFB-Thema gebeugt hatte: Rainer Koch. Der DFB-Vize ist ein alter Bekannter des Nachrichtenhändlers. Wie die SZ zu Jahresbeginn enthüllte, war Diekmann etwa in Zürich zugegen, als Koch auf dem Höhepunkt der Enthüllungen rund um die Fußball-WM 2006 Anfang 2016 mit dem Schweizer Compliance-Experten Mark Pieth zusammentraf. Und schon 2012 hatte Diekmann Koch und Kollegen in ein Treffen gelockt, für das er brisanteste Informationen rund um die WM-Vergabe 2006 an Deutschland in Aussicht gestellt hatte.

Das wird nun immer bedeutsamer. Präsident Keller und sein Lager monieren seit Langem die Umstände des Diekmann-Wirkens; die Gegenspieler um Koch, Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge insistieren, dass da alles korrekt abgelaufen sei. Aber das sehen nach SZ-Informationen nun auch diverse Finanzexperten kritischer, die auftragsgemäß der Diekmann-Liaison nachspüren.

Der Berater schwirrte zwar schon lange im DFB-Kosmos umher, offiziell aber begann dort erst im Frühjahr 2019 seine Tätigkeit - parallel zur Forensiker-Firma Esecon, die sich um Ungereimtheiten in der Zusammenarbeit des DFB mit dem langjährigen Vermarktungspartner Infront kümmern sollte. Das war die Zeit nach Grindels Sturz, das Spitzenamt blieb mehrere Monate vakant. Curtius, Koch und Osnabrügge waren in ihren Ämtern, Keller noch nicht. Zwar wurde Diekmanns Arbeit in jener Zeit bereits gut dotiert; allein für April 2019, den Monat, als Grindel fiel, soll er nach Aktenlage beim DFB rund 21 000 Euro abgerechnet haben. Jedoch lief all das noch ohne Kontrakt ab - was der Agent intern beklagt haben soll. Die Sache zog sich über Monate, bis am 9. Oktober 2019 ein Vertrag unterschrieben wurde - nur wenige Tage nach der Wahl Kellers zum Präsidenten. Erkennbar lag Kellers heutigen Gegenspielern daran, den Vertrag erst nach dessen Kür in dessen Beisein abzuzeichnen. Wobei der Frischling Keller von all den Vorgängen nicht viel gewusst haben dürfte.

Präsident Keller muss sich für einen Nazi-Vergleich entschuldigen

Interessanterweise wurde der Kontrakt, so bestätigt der DFB, rückwirkend zum 1. Mai 2019 geschlossen. Demnach gibt es bis heute einen nie aufgelösten Vertrag, auch wenn der DFB erklärt, die "Zusammenarbeit" mit Diekmann habe im Oktober 2020 geendet. Und was hat der Berater getan für das viele gute Geld? Offiziell heißt es, Diekmanns Aufgabe sei gewesen, die internen Schürfarbeiten von Esecon zur Partnerschaft mit Infront sowie zu Geldflüssen rund um die WM-2006-Affäre zu begleiten. Ein sehr, sehr weites Feld.

Aufgrund der vielen Fragen zum Vertrag hatte Keller durchgesetzt, dass sich intern der Prüfungsausschuss sowie externe Wirtschaftsprüfer mit dem Sachverhalt auseinandersetzen sollen. Nach SZ-Informationen formulierten die Prüfer in einem Zwischenbericht delikate offene Fragen. Da soll es darum gegangen sein, wie im Vorfeld der teuren Diekmann-Verpflichtung überhaupt geprüft worden sei, dass dieser der Richtige für diesen Job gewesen sei - für einen Job, den man erklärtermaßen der eigenen, großzügig ausstaffierten DFB-Medienabteilung nicht zutrauen wollte. Auch haken sie nach, ob Diekmann schon vor April 2019 oder nach Oktober 2020 tätig für den DFB gewesen sei. Schon 2018 war Grindel immer wieder durch an die Öffentlichkeit lancierte Informationen destabilisiert worden, auch Mailverkehr aus der Chefetage kursierte durch die Medien. Schließlich geht es den Prüfern um den Punkt, warum der Vertrag auf den 1. Mai 2019 zurückdatiert sei - aber ja schon im April Leistungen erbracht worden sind.

Der Prüfungsausschuss soll im Zwischenbericht sogar die Variante einer Selbstanzeige im Hinblick auf das Vereinsvermögen ins Spiel gebracht haben. Der DFB teilte dazu mit, dass es im Zwischenbericht "aufgrund der dort noch nicht vollständig ermittelten Tatsachen und daraus gezogener falscher Annahmen (...) zu juristisch unrichtigen Erwägungen" gekommen sei. Der Bericht sei umfassend aufgearbeitet und der Prüfungsausschuss um eine Korrektur gebeten worden. Auch beinhalte das Gutachten der externen Prüfer "keine erheblichen Beanstandungen".

Es ist erkennbar Endspiel-Zeit im ewigen DFB-Machtkampf. Wie blank die Nerven liegen, zeigt ein Vorgang bei einer Krisensitzung am Freitag. Präsident Keller bezeichnete dort seinen Vize Koch, hauptberuflich Richter, als "Freisler". Roland Freisler war zur Zeit des Nationalsozialismus der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofes. Daraufhin kam es bei der DFB-Ethikkommission zu einer Anzeige, am Montag erfolgte eine Entschuldigung Kellers bei Koch. "Manchmal", hieß es, "fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen." Über den Vorgang hatte zunächst der Spiegel berichtet.

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