Süddeutsche Zeitung

DFB-Machtkampf:Die nächste Räuberpistole

Handstreichartig besetzt der Deutsche Fußball-Bund seine Ethikkommission neu. Die alte hatte unbequeme Verfahren gegen Interimschef Rainer Koch auf dem Tisch.

Von Thomas Kistner

Die nächste Episode in der Seifenoper um die mutwillig zersprengte Ethikkommission des Deutschen Fußball-Bundes: Per Blitzaktion am Donnerstagnachmittag, etikettiert als außerordentliche Sitzung, hat das DFB-Präsidium unter der Interimsführung von Peter Peters und (dem diesmal abwesenden) Rainer Koch eine neue Ethik-Combo abgenickt. Die wurde eilig von der neuen Stabschefin Irina Kummert zusammengewürfelt - wobei die Personalberaterin Kummert, selbst erst vor drei Wochen unter fragwürdigen Umständen an die Gremienspitze manövriert, ihrerseits schon mit einer extrem merkwürdigen Aktion aufgefallen ist. Kummert wird wiederum assistiert vom Büroleiter der Ethikkommission, Ulrich Schulte-Bunert, dem nun gleichfalls ein dubioser Part bei der überfallartigen Neubesetzung des Gremiums zufällt, das in der alten Besetzung - und darum geht es wohl bei dieser unsauberen Geschichte - manchem DFB-Granden unbequem geworden war.

Kummert war am 16. Juni vom Präsidium mit 7:5 Stimmen gegen den vorherigen Interimschef Bernd Knobloch gekürt worden; kurz darauf stellten Amateurvertreter im Präsidium fest, dass sie falschen bzw. irreführenden Informationen seitens der DFB-Spitze aufgesessen waren. Zu den zwei Gegenkandidaten Kummerts, Anwalt Knobloch und Nikolaus Schneider, lange Jahre Vorsitzender der Evangelischen Kirchen in Deutschland, hatten sie vorm Urnengang Bestürzendes erfahren: Gegen Ersteren laufe selbst ein Verfahren - und Letzterer sei leider schwer erkrankt. Als der in Wahrheit gesunde Theologe von dieser Räuberpistole erfuhr, war es schon zu spät. Er wurde aus dem Rennen getilgt - und Kummert schlug knapp den angeblich mit einem Verfahren belasteten Knobloch.

Auch der Knobloch-Dreh taugt zum Groschenroman. Dem Münchner Juristen wurde sowohl in der Vorberatung der Amateure als auch bei der Präsidiumssitzung tags darauf, am 16. Juni, ein angebliches Verfahren angehängt. Aber dieses, zeigt die Aktenlage, wurde erst fünf Tage später überhaupt ans Sportgericht lanciert - am Donnerstag räumten es drei Sportrichter als belanglos ab: "Es wird festgestellt, dass eine Sachentscheidung nicht veranlasst ist." Angeschoben hatte dieses Verfahren am 21. Juni, also erst fünf Tage nach dem Kollaps des Gremiums, just der Ethik-Büroleiter Schulte-Bunert.

Am Donnerstag nun präsentierten der pensionierte Amtsrichter aus Bonn und die als Wirtschafts-Mediatorin tätige Kummert das neue Team ihrer Wahl: Peter Büllesfeld, 69, pensionierter Amtsrichter aus Hennef bei Bonn; Wolfgang Schmitz-Jansen, 50, aus Meckenheim bei Bonn, Amtsrichter in Euskirchen; Hermann Janning, 72, aktuell Wirtschaftsmediator und mit Konflikt- und Strategieberatung befasst; und die Frankfurter Baurechts-Expertin Ingrid Häußler, 57.

So verlagert sich nun das Ethikerschaffen des deutschen Fußballs - just in Zeiten, in denen der DFB seine wohl massivste Führungs- und Glaubwürdigkeitskrise durchlebt - in einen auch geografisch sehr überschaubaren Dunstkreis. Gestartet war das Gremium vor fünf Jahren mit renommierten Gesellschaftsvertretern wie Klaus Kinkel (Ex-Bundesaußenminister), dem inzwischen verstorbenen Thomas Oppermann (SPD-Fraktionschef im Bundestag) und eben dem namhaften Theologen Schneider, den die Umstände des Ethik-Umsturzes Mitte Juni allerdings rasch in den Rücktritt getrieben hatten.

Der ehemalige Präsident Reinhard Grindel vermutet, dass seine Demission 2019 aus dem DFB heraus gesteuert wurde

Das neue Gremium hat nun politisch hochpikante Verfahren abzuarbeiten. Insbesondere zwei, die gegen Rainer Koch angestrebt werden. Da ist zum einen die Causa um die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb, die sich rund um die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" von Koch unzulässig beeinflusst sieht. In diesem Verfahren stellt sich bereits die Frage nach Kummerts Rolle, denn Steinhaus bekam von Kummert jüngst ein Schreiben im Namen der alten Ethikkommission, von dem sich die Ex-Ethiker aber sofort massiv und mit dokumentieren Beweisen distanzieren. Und da ist ein noch heiklerer Fall: Der ehemalige DFB-Präsident Reinhard Grindel hat, bestärkt durch seit kurzem kursierende Mails, den Verdacht, dass politische Geschehnisse im DFB, vom Auffliegen der sogenannten "Sommermärchen"-Affäre im Herbst 2015 bis zu seiner durch stete Indiskretionen befeuerte Demission im April 2019, diskret aus dem Verband heraus gesteuert worden sein könnten - von Kräften, die auch sein jüngst gescheiterter Nachfolger Fritz Keller beklagte.

Sprengstoff also für die Funktionäre um Interimschef Koch. Und nun: die Blitz-Restauration der DFB-Ethiker. Nicht wenige im Umfeld des DFB würden schon jetzt Wetten darauf abschließen, wie die anstehenden Fälle behandelt werden. Mehr dazu in einer nächsten Folge zur Ethik-Operette des deutschen Fußballs.

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SZ/cca/schma
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