Silke Sinning und Ralf Viktora sitzen schon seit einigen Jahren im Präsidium des Hessischen Fußballverbandes (HFV). Erst im September wurden sie in ihren Ämtern bestätigt, Sinning als Vorsitzende des Frauenausschusses, Viktora als Schatzmeister. Doch nun sieht sich das Duo mit einer drastischen Drohung vom eigenen Verbandspräsidenten Stefan Reuß konfrontiert: Sie sollen ihre Ämter im Verband sofort niederlegen - wenn sie nicht auf eine Kandidatur für das Team von Peters Peters bei der Neuaufstellung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verzichten.
Es ist ein spektakulärer Vorgang, der im hessischen Verband abläuft. Er zeigt, nebenbei, wie schmutzig die Auseinandersetzung um die DFB-Spitze geführt wird. Mitte März kommt es erstmals in der Verbandsgeschichte zu einer Kampfkandidatur um das Präsidentenamt: Bernd Neuendorf, den das von Interimsboss Rainer Koch angeführte Amateurlager als Kandidaten ausgesucht hat, tritt als Favorit an gegen Peters, einen Mann aus dem Profibetrieb.
Doch weil sich bei den Amateuren sehr viel Unmut über Kochs Führungsstil aufgebaut hat, sind die Fronten keineswegs so eindeutig, wie es offizielle Statements erscheinen lassen. Die Grundlage für Peters' Kandidatur schuf beispielsweise der Umstand, dass ihn der westfälische Amateurverband nominierte. Bald darauf erklärten Sinning und Viktora, dem Team des früheren Schalker Funktionärs beizutreten und als Vizepräsidentin beziehungsweise Schatzmeister zur Verfügung zu stehen.
Zunächst sah es so aus, als würde der Schritt von den Kollegen im HFV nicht gerne gesehen, aber doch akzeptiert werden. Aber plötzlich eskalierte die Sache. Am 22. Januar stellte Hessens Landeschef Stefan Reuß, wie zunächst die Fuldaer Zeitung berichtete, den beiden Funktionären ein Ultimatum: Rückzug von der Kandidatur - oder Rücktritt aus dem Verbandspräsidium.
Pikanterweise zielt Sinnings Anwartschaft just auf den Posten von Rainer Koch ab
Die beiden Funktionäre äußern sich nicht dazu. Der HFV erklärte, man gebe über interne Vorgänge im Rahmen von Präsidiumssitzungen generell keine Stellungnahme ab. Der Verband habe sich von bestimmten Aussagen von Sinning und Viktora distanziert, weil diese nicht die Meinung des Verbandes widerspiegeln. Es sei eine Stärke, einheitlich als Verband aufzutreten und das wolle man auch zukünftig tun.
Pikant ist aber die Tatsache, dass Sinnings stille Anwartschaft just auf den Posten von Rainer Koch abzielen könnte. Dieser tritt nach neun Jahren zwar als erster Vizepräsident ab, will aber als Topvertreter des süddeutschen Verbandes im DFB-Präsidium bleiben, dem auch der HFV angehört. Nur so kann er sein Vorstandsamt in der Europa-Union Uefa sichern. Offenbar dämmerte dem Lager um Koch und Neuendorf erst verzögert, dass Sinnings Schritt nicht nur Alibicharakter hat, sondern eine Chance für sie bestünde.
Die DFB-Satzung ist in diesen Fragen sehr kompliziert. Jedem der fünf Regionalverbände steht ein Vizeposten im Präsidium zu, dem süddeutschen sogar zwei. Im ersten Wahlgang beim Bundestag können nur Funktionäre gewählt werden, die aus dem jeweiligen Regionalverband vorgeschlagen sind - bei einem etwaigen zweiten Wahlgang aber könnten auch andere kandidieren. Normalerweise ist es im DFB üblich, die Vorschläge in Runde eins brav abzunicken. Aber in dieser hitzigen Wahlschlacht kommt ein weiteres Element ins Spiel: Das Profilager bringt den Antrag ein, dass schon im ersten Wahlgang geheim gewählt werden muss - wenn für einen etwaigen zweiten Wahlgang ein Gegenkandidat zur Verfügung stünde.
All das könnte dazu führen, dass Sinning als Kandidatin zugelassen wird und Koch sein Amt verliert. Wie angeknackst dessen Standing bei den Amateuren ist, zeigte sich schon bei einer Konferenz der Landes- und Regionalpräsidenten im Mai, als er sich bei einer geheimen Vertrauensfrage nur mit 21:13 durchsetzte - wobei er dank seiner Ämterfülle selbst über vier Voten verfügen konnte. Am Bundestag nehmen 262 Delegierte teil, ein gutes Drittel davon stellt die Liga. Die Frage wird also immer brisanter, wie viele aus dem Amateurbereich im Schutz einer geheimen Abstimmung für ihren langjährigen Anführer votieren würden.