Süddeutsche Zeitung

Nationalmannschaft:Abgehoben

Siegerflieger ade: Die DFB-Elf verzichtet vorerst auf die Dienste der Lufthansa. Die Nationalmannschaft soll jetzt in eine Chartermaschine aus Litauen steigen. Das sorgt für Unmut - und freut Qatar Airways.

Von Caspar Busse

Knapp 200 Kilometer sind es von Herzogenaurach nach München, vom EM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft zum Austragungsort der drei Vorrundenspiele. Da würden nicht einmal die Verantwortlichen der Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf die Idee kommen, ein Flugzeug zu chartern. Spieler und Betreuer treten deshalb die Reise per Bus an, mit einem Modell der Marke MAN - aus dem Hause des DFB-Sponsors Volkswagen. Nicht so gut ist dagegen das Verhältnis zu einem anderen wichtigen Sponsor, zur Lufthansa.

Sollte das deutsche Team die Vorrunde überstehen, muss es wahrscheinlich durch Europa reisen, vielleicht nach London, Bukarest oder Sevilla, Halbfinale und Finale sind in London. Dabei werden die Fußballer in diesem Sommer aber nicht auf die treuen Dienste der Lufthansa zurückgreifen. Diesmal hat der DFB vielmehr eine Billigairline aus Litauen gebucht - nicht nur bei Lufthansa sind sie deswegen verstimmt.

Die größte deutsche Fluggesellschaft und der DFB, das ist eine lange Beziehung, "seit Jahrzehnten" sind die Fußballer mit der Kranich-Airline unterwegs. Lufthansa war immer der "official carrier", die Gesellschaft flog die Fußballer umsonst durch die Welt und profitierte im Gegenzug vom Werbeeffekt. Unvergessen ist, als ein extra auf "Fanhansa" umlackierter Jumbo 2014 die Weltmeister in Brasilien abholte, nach Berlin flog und kurz vor der Landung noch eine Ehrenrunde über der Hauptstadt drehte. Sollte Deutschland Europameister werden, wird es das jedenfalls diesmal nicht geben.

"Der Sponsor-Vertrag mit dem DFB läuft noch, aber er liegt im Moment auf Eis", sagt ein Lufthansa-Sprecher. "Wir haben angesichts der wirtschaftlichen Lage alle Sponsorenverträge gestoppt." Der Grund: In der Corona-Pandemie war der weltweite Flugverkehr zusammengebrochen. Lufthansa machte zwischenzeitlich bis zu einer Millionen Euro Verlust - pro Stunde - und stand kurz vor dem Aus. Die Bundesregierung stelle Rettungsmilliarden zur Verfügung und beteiligte sich im vergangenen Jahr an der Airline. Lufthansa baut 30 000 Jobs ab und muss sparen, wo es geht. Kicker umsonst durch die Welt zu fliegen - das ist da nicht möglich. Dem DFB wurde also im Frühsommer 2020 mitgeteilt, dass es vorerst keine Gratis-Flüge mehr geben könne, der Transport also künftig bezahlt werden muss. "Wir haben dem DFB ein Angebot gemacht", berichtet der Lufthansa-Sprecher. Es soll fair gewesen sein.

Die Gewerkschaften kritisieren die Dumping-Löhne

Doch der Fußballfunktionäre dachten nicht daran, dem langjährigen Partner in der Not unter die Arme zu greifen und trotz der Krise zu buchen. Ein wenig Werbung hätte der angeschlagenen Airline gut getan. Der DFB entschied sich aber anders und beauftragten die Chartergesellschaft Klasjet mit Sitz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Diese fliegt auch die belgische EM-Mannschaft durch Europa, betreibt unter anderem zwei Boeing-Maschinen vom Typ 737 mit schicker Business-Class-Bestuhlung - und soll deutlich billiger sein. Die internationale Transportgewerkschaft ETF (European Transport Workers Federation) kritisierte die Airline. "Sie beutet den europäischen Binnenmarkt und ihre Angestellten aus, indem sie ihrem Kabinenpersonal zwischen 540 und 1300 Euro pro Monat zahlt", heißt es in einem offenen Brief. Von Dumping-Löhne ist die Rede. Die Mitarbeiter an Bord würden nach litauischen Tarifen bezahlt, obwohl sie in Europa unterwegs sind. "Statt auf Sozialdumping zu setzen, hätte der nicht gerade am Hungertuch nagende DFB einen kleinen Beitrag dazu leisten können, Menschen aus der Kurzarbeit herauszuholen", sagte ein Verdi-Sprecher dem Spiegel.

Eine Billigairline für hochbezahlte Kicker? Das ist nicht überall so. Die französische Nationalmannschaft landete am Montag in München in einer Air-France-Maschine. Die Schweizer Fußballnationalmannschaft, liebevoll Nati genannt, ist weiter mit der Lufthansa-Tochter Swiss unterwegs, obwohl sie jetzt dafür zahlen muss.

Einer wird sich zumindest freuen, dass Lufthansa nicht mehr für den DFB unterwegs ist: Qatar Airways. Die Fluggesellschaft aus Katar, wo 2022 die nächste WM stattfinden soll, ist der offizielle Airline-Partner der Uefa - das Logo ist gerade groß auf den Stadionbanden zu sehen - hat die Deutschen auch schon als Sponsor beim FC Bayern München ausgebootet, mit einem deutlich besseren Sponsorangebot. Manche spekulieren gar, Qatar habe beim Geschäft von DFB und Klasjet vermittelt. Doch dafür gibt es keine Bestätigung. Für innereuropäische Flüge besitzt Qatar Airways allerdings keine Verkehrsrechte.

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