Zukunft von Löw:Zwei Gesprächs­runden zur Revolution

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Wie geht es weiter mit Joachim Löw?

(Foto: Michael Sohn/AP)

Stehen die letzten Tage einer weltweit nahezu einzigartigen Trainer-Ära an? Das Fußballvolk steht nicht mehr hinter Joachim Löw, das hat die DFB-Führung nachdenklich werden lassen.

Von Philipp Selldorf

Ein Vortrag über den Fußball-Funktionär Peter Peters, 58, würde allein deshalb viel Zeit beanspruchen, weil es einer langen Vorrede bedürfte, um all seine Tätigkeiten und Titel aufzulisten. Der in Ochtendung in Rheinland-Pfalz geborene vormalige Finanzvorstand des FC Schalke 04 firmiert unter anderem als "erster stellvertretender Sprecher des Präsidiums des Ligaverbandes", Vorsitzender des Aufsichtsrats der DFL GmbH, DFB-Vizepräsident und DFB-Vorstandsmitglied und demnächst wohl auch als Vertreter des DFB im höchsten Fifa-Gremium, dem Exekutiv-Rat. Außerdem, und das hat ihn nun auch jenseits von Gelsenkirchen ein bisschen prominent werden lassen, ist er der Mann, der in Ausübung all seiner Ämter in Liga und Verband Bundestrainer Joachim Löw, 60, darin unterstützt, Bundestrainer bleiben zu dürfen - zumindest wird ihm das nachgesagt, und er hat dieser Nachrede nicht widersprochen.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland teilte Peters jetzt mit, Löw nicht im Schnelldurchgang abservieren zu wollen. "Hauruck-Lösungen sind selten die beste Lösung", sagte er. Eigentlich ist das zwar ein Satz ohne Inhalt (nur ein Eintreten für Hauruck-Lösungen wäre wirklich spektakulär), aber in dem schwebenden Verfahren um den zurzeit wieder mal sehr verschollenen Löw stellt die im Prinzip nichtssagende Äußerung bereits eine aufregende Neuigkeit dar - zumal Peters dank seiner vielfältigen Funktionen im Prozess eine gewisse Schlüsselstellung einnimmt. Ihm kommt die Aufgabe zu, am nächsten Dienstag an der Seite von Präsident Fritz Keller das Vorgespräch mit Löw und dessen Mitstreiter Oliver Bierhoff zu führen, bevor sich zwei Tage darauf das DFB-Präsidium in großer Runde ebenfalls mit der Nationalelf und ihrer näheren Zukunft unter dem Eindruck des epochalen 0:6 gegen Spanien beschäftigen wird.

Ist Löw noch der richtige Bundestrainer?, lautet die Kernfrage

Eine Frau und 13 Männer haben in dem Gremium Stimmrecht. Ist Löw noch der richtige Bundestrainer?, lautet die Kernfrage. Das Fußballvolk ist offenkundig nicht mehr gewillt, sie zu bejahen, das hat die DFB-Führung nachdenklich werden lassen. Nun werden die Tage bis zur Sitzung gezählt, denn es sind vielleicht die letzten Tage einer weltweit nahezu einzigartigen Trainer-Ära - nur in Montevideo/ Uruguay gibt es noch ein Pendant: Oscar Washington Tabarez, 73, führt ebenfalls seit 2006 ein Nationalteam. Im April hatte man ihn wegen der Corona-Krise aus ökonomischen Gründen entlassen, im Herbst war er wieder da.

Peter Peters

Peter Peters, bis zum Sommer Finanzvorstand bei Schalke 04.

(Foto: Guido Kirchner/dpa)

Löw wurde, mit selbstauferlegtem Kurzarbeitergehalt, durchbezahlt. Einige Medien berichteten, eine Trennung käme den DFB wegen des bis Ende 2022 laufenden Vertrags teuer zu stehen, mit bis zu acht Millionen Euro. Aber das sind nur Spekulationen. Nach jetzigem Stand erwartet kein Kenner, dass demnächst eine Abfindung verhandelt werden muss, obwohl in Ralf Rangnick, 62, immerhin eine bekannte Trainergröße im Angebot wäre. Er hat nicht ja gesagt, als er jetzt gefragt wurde, ob er Bundestrainer werden möchte. Er hat aber auch nicht nein gesagt.

Außer Löws Rücktritt, den Nahestehende zumindest anfangs nicht ausschließen mochten, ist auch ein Machtwort des Präsidenten in die eine oder andere Richtung bisher ausgeblieben, es steht Fritz Keller mangels Richtlinienkompetenz nicht zu. So kommt nun eben Peter Peters ins Spiel. Dieser ist dem großen Publikum trotz jahrzehntelanger Präsenz im Fußballgeschäft bisher weitgehend unbekannt geblieben. Er ist weder in Gelsenkirchen, noch während seiner zahlreichen Länderspielreisen, die er im Rang des DFB- bzw. DFL-Delegierten mit dem Nationalteam unternommen hat, als Weltveränderer oder gar Weltverbesserer aufgefallen.

"Du hast noch Joshua Kimmich und Kai Havertz"

Eine seiner bewundernswerten Leistungen besteht auf jeden Fall darin, fast 30 Jahre in führender Stellung auf Schalke durchgehalten zu haben. Die Regime kamen und gingen, die Schuldenkrisen drückten, das Volk rebellierte - Peter Peters blieb. Hausintern ist er dafür bekannt, dass er selbst in heißesten Phasen stets ein Plädoyer für das "geordnete Verfahren" hielt, um dadurch die Kontrolle zu behalten oder zumindest den Eindruck von Kontrolle zu erwecken. Als er Anfang Juni seinen Rücktritt einreichte - aus Amtsmüdigkeit, wie er sagte - bestand der Finanzmann darauf, geordnete Verhältnisse hinterlassen zu haben: "Es geht nicht bergab auf Schalke, das Gegenteil ist der Fall. Alles ist vorbereitet, um durch die Krise zu kommen." Das sahen schon damals viele Schalker ganz anders.

Es ist nicht davon auszugehen, dass aus den Gesprächsrunden in der nächsten Woche revolutionäre Erkenntnisse hervorgehen werden. Von Löw erwartet niemand einen Plan für einen Fußball, der plötzlich ganz anders aussehen wird. Praktiker aus der Branche haben ihn darin bestärkt, Ruhe zu bewahren. "Mach jetzt keinen Blödsinn, tritt nicht zurück, du hast noch Joshua Kimmich und Kai Havertz", hat ihm etwa ein Liga-Manager zu bedenken gegeben. Und kein Funktionär werde Löw jetzt vorschreiben, Mats Hummels, Jérôme Boateng oder Thomas Müller wieder einzubestellen. Zumindest dies hat Peter Peters schon mal vorab klargestellt: "Diese sportlichen Einschätzungen und Bewertungen sind die Urkompetenz des Bundestrainers - damit liegt sie auch in den richtigen Händen."

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