DFB-Aus für Boateng, Hummels und Müller:Verabschiedet zwischen Tür und Angel

Bundestrainer Löw vollzieht im DFB-Team einen notwendigen Generationenwechsel - doch die Frage drängt sich auf, ob so ein Abschied für Boateng, Hummels und Müller würdig ist.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Joachim Löw hat gehandelt, gewissermaßen im Regierungsauftrag. Ende November war er von Reinhard Grindel, seinem Präsidenten beim Deutschen Fußball-Bund, mit einem deutlich formulierten Auftrag in die Winterpause entlassen worden. Nach dem historisch trüben WM-Sommer mit dem Vorrunden-Knockout in Russland möge Löw bitte "den Umbruch konsequent fortsetzen". Zudem, so die Forderung, solle "das veränderte Gesicht", das in den Nach-WM-Spielen zu erkennen war, "zu einem ganz neuen Bild der Mannschaft werden".

Laut dieser Formulierung hat Löw ein präsidial abgesichertes Alibi für das, was er Mats Hummels, 30, Jérôme Boateng, 30, und Thomas Müller, 29, jetzt mitgeteilt hat. Im neuen Gesicht der Nationalelf ist dieses Weltmeister-Trio von 2014 nicht mehr vorgesehen. Löw hat chirurgisch in seinen Kader eingegriffen, ob es bereits eine Schönheitsoperation geworden ist, soll sich in den ersten Länderspielen des Jahres 2019 gegen Serbien (20. März) und die Niederlande (24. März) zeigen. Löw teilte seinen Verzicht, nach allem was bekannt ist, dem Trio in München in direkten Gesprächen mit. Das ist das Mindeste, denn die Frage, die die Debatte der nächsten Tage wohl bestimmt, wird weniger die sein, ob man es tun muss. Sondern die Frage, ob man es jetzt und genau so tun muss. Ob der Abschied, der am Dienstag eher formlos bekannt wurde, eines Weltmeister-Trios würdig ist.

"Richtiger Zeitpunkt!", lobt Grindel in präparierter Stellungnahme seinen Angestellten. Ein kurioser Zeitpunkt, muss man dem DFB-Chef entgegenhalten.

Das Echo wird laut werden

Denn von Tag zu Tag werden die Argumente weniger, die für eine überzeugende Ausmusterung tauglich sind. Soeben hat der FC Bayern seinen gefürchteten Turbo wieder angeschmissen. Er überholt gerade mit einem Kick aufs Pedal den mehrmonatigen Tabellenführer Borussia Dortmund, er hat - ohne dem Zweitligisten Heidenheim zu nahe zu treten - fast ein Freilos im Viertelfinale des DFB-Pokals, zudem beim 0:0 in der Champions League in Liverpool den taktisch eindrucksvollsten Auftritt unter dem neuen Trainer Niko Kovac hingelegt. In einem Spiel, in dem die Republik erkennen konnte, dass dieser Mats Hummels wohl doch noch nicht so altersmüde ist, wie es mancher Tribünenkritiker jüngst behauptet hat. Und jetzt heißt es, der FCB wirke in allen Wettbewerben fast schon wieder titelreif, in Schlagzeilen wird das nächste Münchner Triple angedroht. Da gibt es passendere Augenblicke, als eine Woche vor dem Liverpool-Rückspiel mit der Botschaft vom Rauswurf ins Vereinsheim an der Säbener Straße zu platzen. Kehraus der Weltmeister am Faschingsdienstag - der Vorgang dürfte ein Echo werfen.

Es gibt für bittere Botschaften keinen optimalen Zeitpunkt. Es gibt nur bessere und schlechtere. Nach dem WM-Knockout in Russland, nach dem Löw im Amt bleiben durfte, war ihm vorgeworfen worden, er habe den Umbruch nicht radikal genug gewagt, als nur die Trennung von den 2014er-Weltmeistern Sami Khedira und Mesut Özil besiegelt wurde. Auch für die Erkenntnis, dass es störend sein kann, wenn zwei Innenverteidiger (Hummels/Boateng) zwar im selben Klub nebeneinander spielen, aber nur das Nötigste miteinander sprechen, so dass dies negativ ins Binnenklima abstrahlt, hätte es weitere vier Monate - von November bis heute - kaum gebraucht.

Das hätte sich in relativer Ruhe auch in der Winterpause klären lassen, denn neu ist es nicht, dass der FC Bayern sich mit einer Siegesserie im Frühling erhebt. Und so groß ist das Angebot international vorzeigbarer Innenverteidiger ja auch nicht, da fällt einem derzeit maximal ein Quartett ein: Süle, Ginter, Tah, Rüdiger.

Doch wie gesagt, die Fachfragen werden von den Stilfragen überlagert. An der Torflaute von Thomas Müller haben sich zuletzt viele abgearbeitet, verflogen sind ein bisschen Sturm und Drang, aber einen WM-Torschützenkönig (2010 in Südafrika) verabschiedet man nicht zwischen Tür und Angel. Löw vollzieht einen notwendigen Generationswechsel. Dazu emanzipiert er sich von sportlichen Weggefährten. Er tut dies in erstaunlichen, oft rätselhaften Etappen. Seine Botschaft lautet heute: Wir sind zusammen Weltmeister geworden (2014); wir sind auf die Schnauze gefallen (2018). Aber wir probieren es nicht mehr zusammen, denn aufstehen müssen jetzt andere. Einerseits nachvollziehbar, andererseits unter den jüngsten Eindrücken nicht leicht zu moderieren.

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