Süddeutsche Zeitung

DFB-Co-Trainer Schneider:Zu Hause bei den Weltmeistern

Die Zurückhaltung ist verflogen: Selbstbewusst und stilsicher nimmt Thomas Schneider seine ersten Aufgaben als Assistent von Joachim Löw wahr. Dass er lediglich der Zuarbeiter des Bundestrainers ist, stört ihn nicht.

Von Thomas Hummel

Wer in dem Amt des Bundestrainers und seines Assistenten den Auftrag erkennt, das Land zu repräsentieren und deshalb mit einer zivilisierten Eleganz und Ästhetik in der Öffentlichkeit aufzutreten, der wird weiterhin seine Freude haben. Joachim Löw ist seit Jahren bekannt für seine lässige Sicherheit in Stilfragen, sein neuer Co-Bundestrainer Thomas Schneider versicherte nun, sich modisch an seinem Chef orientieren zu wollen.

"Ich werde mich mit Jogi absprechen, da wird es keinen modischen Fauxpas geben", erklärte Schneider am Donnerstag. Wie zuvor das Duo Klinsmann/Löw hatten sich zuletzt über acht Jahre hinweg Löw und Hansi Flick stets die gleichen Kleider bestellt vor einem Länderspiel. War es warm genug, galt zumeist das hellblaue Hemd (auf gleicher Höhe gekrempelte Ärmel inklusive) plus dunkler Hose als chic. Bei Kälte kam zum dunklen Anzug ein Schal zum Einsatz.

Während in Frankfurt am Main derzeit ein wahres Sauwetter das Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft beeinträchtigt, soll es am Samstag in der polnischen Hauptstadt Warschau halbwegs angenehm werden. Um 20.45 Uhr beginnt im Nationalstadion direkt neben der Weichsel das erste Pflichtspiel Schneiders als Co-Trainer der DFB-Elf. Es geht um die Qualifikation zur Europameisterschaft 2016.

Seinen ersten Auftritt in der Öffentlichkeit absolvierte der 41-jährige Schneider an diesem Donnerstag hingegen in Trainingsklamotten. Er verdeutlichte dabei, dass hier keinesfalls ein zurückhaltender, vielleicht sogar leicht unsicherer Fußballtrainer seinen Dienst antritt. Als solcher war er aus der Ferne bisweilen wahrgenommen worden, als er für ein halbes Jahr Cheftrainer beim VfB Stuttgart war. Vor dem Mikrofon des DFB saß nun aber ein Mann, der selbstbewusst und mit klarer Stimme sprach. Selbstbewusstsein und Klarheit benötigt er auch, schließlich ist er nun offiziell Weltmeister-Co-Trainer.

"Es ist ein großartigen Gefühl für mich, eine Ehre und tolle Aufgabe, die ich mit Demut angehe", sagte Schneider. Er erzählte, wie toll er von der Mannschaft und dem Umfeld aufgenommen worden sei, es habe sich fast "wie nach Hause kommen" angefühlt. Es sei so, wie er sich das nach der WM vorgestellt habe: Es herrsche ein "totaler Teamgedanke, das zeichnet diese Nationalmannschaft aus".

Thomas Schneider ist nun Mitglied des Weltmeister-Teams, übernimmt die Stelle von Hansi Flick, der in den Sportdirektor-Posten beim DFB wechselte. Gegen Polen und am Dienstag in Gelsenkirchen gegen Irland geht es zwar gleich um Punkte für die EM-Quali, doch für Schneider gehören diese Partien eher zur Kategorie Eingewöhnungsphase. "Wenn man in eine neue Gruppe kommt, dann ist man in der Beobachtungssituation. Das war bei ihm auch so", berichtete Mittelfeldspieler Christopher Kramer.

Kramer und Schneider haben gemeinsam, dass ihre Karrieren zuletzt einen mächtigen Schub erhalten haben. Kramer darf sich nach sieben Länderspielen schon Weltmeister nennen, Schneider ist nach nur einer kurzen Station in der Bundesliga Mitglied des Weltmeister-Trainerteam.

Er gehört zu dem bemerkenswerten Trainerlehrgangs-Jahrgang 2010, dem auch Markus Gisdol (heute Hoffenheim), Markus Weinzierl (Augsburg), Roger Schmidt (Leverkusen), Tayfun Korkut (Hannover), Frank Schmidt (Heidenheim), Marc Kienle (Wehen-Weisbaden), Sascha Lewandowski (Jugendleiter in Leverkusen) oder Michael Wiesinger (früher Nürnberg) angehörten. Noch ist es nicht so, dass der Kurs den deutschen Fußball vollständig übernommen hat, aber er ist auf einem guten Weg dazu.

"Thomas Schneiders Stärke ist es, dass er die Sprache dieser Generation spricht", sagt DFB-Trainerausbilder Frank Wormuth, "die Jugendteams, mit denen er im Lehrgang gearbeitet hat, waren immer begeistert." Er habe Schneider damals als hochqualifizierten Jugendtrainer wahrgenommen, sagt Wormuth, "aber beim VfB hat er auch gelernt, wie es als Chef ist".

Es hat Schneider sicher geholfen, dass er aus dem Großraum des VfB Stuttgart entstammt, wie Löw. Der Verteidiger Schneider wurde unter dem Trainer Löw 1997 Pokalsieger. Auch Marc Kienle, Schneiders härtester Konkurrent um den Assistentenposten beim DFB, entstammt übrigens diesem Umfeld.

Schneider hat den Zuschlag erhalten und sieht sich "als Zuarbeiter für den Bundestrainer". Er soll Trainingspläne für die Nationalmannschaft mit entwerfen, soll die Abläufe analysieren. Über eine enge Verbindung zu Hansi Flick wird er Kontakt zu den Junioren-Mannschaften des DFB halten. Außerdem ist Thomas Schneider nun jedes Wochenende und oft auch dazwischen unterwegs, um Spiele und Spieler zu beobachten oder sich mit Vereinstrainern auszutauschen.

Hin und wieder darf er auch Informationen geben über die Nationalmannschaft. Diesmal: Trotz der Verletzung von Mesut Özil nominiert der Trainerstab keinen Spieler nach. Julian Draxler und André Schürrle werden wohl fit sein für Samstag. In der Vierer-Abwehrkette spielen Durm, Boateng, Hummels, Rüdiger - oder auch nicht, "wir wollen uns da nicht in die Karten schauen lassen". Die Diplomatie eines Co-Bundestrainers eben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2166593
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/hum/ebc/holzl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.