Süddeutsche Zeitung

Deutscher Fußball-Bund:Die neuen Köpfe der Hydra

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Nach dem Aus von Fritz Keller bekommt der DFB den vierten Präsidenten in sechs Jahren. Aber wer könnte das Amt übernehmen? Ausgerechnet das Duo Koch/Peters stellt nun die Weichen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Vor einigen Wochen geriet die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes arg in die Klemme. Eine Top-Personalie war plötzlich neu zu besetzen, weil Bundestrainer Joachim Löw seinen Abschied im Sommer ankündigte. Das Kandidatenfeld war sehr übersichtlich. Aber dann fügten sich allerlei Umstände so glücklich, dass dem DFB in Hansi Flick eine mehr als zufriedenstellende Personalie zufiel.

Nun hat der deutsche Fußball, seit einer Krisensitzung am Dienstagabend und dem angekündigten Rückzug von Fritz Keller, schon wieder eine Top-Position zu besetzen. Diesmal geht es ums Präsidentenamt, und zwei Dinge sind klar: Die Lage ist weit komplizierter als bei der Trainersuche - und eine perfekt erscheinende Lösung wie Flick ist nicht in Sicht.

Der Zustand auf der Chefetage des DFB ist desaströs. Dort tobt seit Monaten ein Machtkampf, der nicht nur Keller den Job kostet, sondern auch Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge. Letzterer wird beim nächsten Bundestag nicht mehr kandidieren. So steht zum dritten Mal in sechs Jahren ein Führungswechsel an: Wolfgang Niersbach (2012-2015), Reinhard Grindel (2016-2019) und nun Keller scheiterten aus unterschiedlichen Gründen früh. Damit reicht der Verschleiß an den beim Spitzenpersonal der SPD heran. Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit sind aufgescheucht und fordern, dass sich der Fußball jetzt gründlich und im Kern neu aufstellen müsse. Doch alle Weichenstellungen führen zurück in die Vergangenheit.

"Interimistisch" dauert ziemlich lange

In der Krisensitzung des Präsidiums am Dienstag gab es den Beschluss, wie es nach dem für kommende Woche vorgesehenen Rücktritt Kellers weitergehen soll: Liga-Vertreter Peter Peters, 58, und der oberste Amateur-Vize Rainer Koch, 62, sollen "vorübergehend als gleichberechtigte Interimspräsidenten den Übergang des Verbandes gestalten, um den Verband gemeinsam mit dem Präsidium schnellstmöglich in ruhige Fahrwasser zu bringen". Koch leitet den Verband dann schon das dritte Mal übergangsweise, nach je einigen Monaten 2015/16 und 2019. Jedoch ist "interimistisch" ein täuschender Begriff. Der nächste Bundestag soll erst Anfang 2022 stattfinden, der Zeitraum der Übergangsführung beträgt also mindestens acht Monate. Das ist viel Zeit, um Fakten zu schaffen und die Dinge nach eigenem Gusto zu lenken - und davon gibt es gerade einiges.

Peters und Koch sind auch deutsche Repräsentanten in den Vorständen der internationalen Gremien: Ersterer im Weltverband Fifa, Letzterer in der Europa-Union Uefa. Aber zugleich sind beide massiv angeschlagen. Der frühere Schalker Finanzvorstand Peters, für den Absturz des Traditionsklubs mitverantwortlich, durfte jüngst nicht mal mehr für den Aufsichtsrat der Gelsenkirchener kandidieren. Es stellt sich die Frage, wie lange er noch als Aufsichtsratschef bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) amtieren darf. Der Spitzenjob allein ermöglicht ihm ja die Interimsführung beim DFB - obwohl er gar keinen Klub mehr repräsentiert. Koch wiederum hat es sich komplett verscherzt mit dem Profilager, dem er alle Schuld an der Zerrüttung anlastet; zugleich schwindet auch beim unabhängigen Teil der Amateurbasis das Vertrauen in ihn.

Koch steht im Zentrum aller Erregungen. Er ist, wie seine scheidenden Kombattanten Curtius/Osnabrügge, Beschuldigter in einem Steuerstrafverfahren, und er spielt eine undurchsichtige Rolle in der Affäre um den gut dotierten Vertrag für den Medienberater Kurt Diekmann, den er schon sehr lange kennt. "Hydra" heißen laut Vertrag diese von dem DFB-Trio angeleierten Schürfarbeiten im eigenen Haus, in denen es ursprünglich um Unregelmäßigkeiten im Verhältnis zum Langzeitvermarkter Infront ging; der Berater sollte medial helfen. Wobei im Dunkeln liegt, welche Bedeutung eine sündteure Medienberatung dabei haben sollte. Die Vorgänge um den "Hydra"-Auftrag sind so mysteriös, dass interne und externe Prüfer Alarm schlugen. Es braucht weitere Aufklärung. Bisher hatte Keller das Korrektiv an der Führungsspitze verkörpert. Weil das nun wegfällt, hat es einen besonderen Geschmack, wenn der DFB mit Blick auf die Interimszeit von "ruhigem Fahrwasser" spricht.

Es ist die Frage, wohin Koch das Geschehen steuert. Am Dienstag schloss er manches aus: Er will beim Bundestag nicht mehr als erster Amateur-Vize kandidieren, auch nicht mehr haftender Vorstand sein - also nicht mehr im Präsidialausschuss sitzen. Aber dem Präsidium will er schon weiter angehören; sonst könnte sein Uefa-Amt futsch sein. Und was er explizit nicht ausgeschlossen hat: dass er sich zum neuen Präsidenten wählen lassen würde.

Es fallen erste Namen wie Rummenigge. Aber die sind wenig realistisch

Ließe sich eine Situation herbeiführen, in der er gerufen werden könnte? Die Kandidatensuche geht ja nun erst los, das Amt hat extrem gelitten. Zwar fallen prominente Namen wie Karl-Heinz Rummenigge, aber das ist so wahrscheinlich wie eine Kür von Lothar Matthäus zum Bundestrainer. Zugleich geht es darum, welche Struktur die DFB-Spitze und welches Profil der neue Präsident haben sollen. Im Fußball gibt es sehr divergierende Interessen, etwa zwischen Profis und Amateuren. Demnächst stehen Kernfragen an, wie der Abschluss des Grundlagenvertrags, der die Finanzströme zwischen DFB und Liga regelt und der in der Vergangenheit zugunsten der Profis ausfiel. Zudem werden 2022 die gewinnbringenden Teile des Verbandes wie die Nationalmannschaft in eine GmbH ausgelagert.

Schon vor Kellers Kür gab es intensiven Streit um die Strukturen. Da drängten insbesondere, aber nicht nur Liga-Vertreter darauf, dass das Präsidium nur noch eine Art Aufsichtsrat sein solle. Dagegen wehrte sich das Lager um Koch. Heraus kam ein Gemisch, in dem der Präsident Kompetenzen abgeben, aber weiter haften musste für Entscheidungen. Das ging schief; Keller wies vor Kurzem erst die Ethikkommission schriftlich darauf hin, dass es in der jetzigen Konstellation nicht gehe.

Wie der DFB der Zukunft aussieht, wird nun unter Regie zweier Leute erarbeitet, die für das Gestern stehen: Koch und Peters. Wie beschrieb schon die griechische Mythologie jenes Ungeheuer Hydra, das dem Projekt, das beim DFB nun alles explodieren lässt, seinen Namen gab? Wird ein Kopf abgeschlagen, wachsen zwei weitere nach.

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