DFB:Die nächste Volte im Projekt "Hydra"

Fußball - DFB Bundestag 25.05.2020 Das Praesidium des Deutschen Fussball-Bundes hat einen Ausserordentlichen Bundestag

Protagonisten des DFB-Machtkampfes: Generalsekretär Friedrich Curtius (großer Monitor) und Präsident Fritz Keller.

(Foto: Hirnschal/Osnapix/Imago)

Im DFB-internen Machtkampf kommt es zu einer neuen Zuspitzung: Der Verband lässt umstrittene Beraterverträge prüfen. Im Fokus stehen ein umtriebiger Medienberater und ein umgeschriebener Wikipedia-Artikel.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Das muss man den Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Bundes und ihren Partnern von der Berliner Beratungsfirma Esecon lassen: Ihrer stillen Unternehmung haben sie den perfekten Projektnamen verpasst. "Hydra" heißt sie, und darunter firmieren allerlei Forschungsarbeiten, um die sich die diskreten Forensiker schon seit rund zwei Jahren beim DFB kümmern. Hydra ist in der griechischen Mythologie das Ungeheuer, dem für jedes abgeschlagene Haupt zwei neue Köpfe nachwachsen. Ziemlich ähnlich läuft das nun auch beim DFB: Kaum wird versucht, ein Problem auszumerzen, fallen allerlei neue auf den Verband zurück.

Nun gibt es in der bunten Liaison der Funktionäre mit ihren teuren Privatagenten die nächste Volte. Die umstrittenen Verträge aus dem Kommunikationsbereich, die auch viel mit den Arbeiten von Esecon zu tun haben, sollen intensiv geprüft werden. Der DFB lässt auf Anfrage sicherheitshalber einen Presseanwalt mitteilen, "dass mit Blick auf Beraterverträge ergänzend zu den externen Untersuchungen auch eine unabhängige interne Untersuchung angestoßen wurde".

Wer genau das übernimmt, sagt der DFB auf Anfrage nicht. Aber: Untersuchungen extern und intern, das ist ein gewaltiger Schritt, und es zeigt, wie bedeutsam das Vertragsthema im zähen Machtkampf zwischen Präsident Fritz Keller, 63, und Generalsekretär Friedrich Curtius, 44, ist.

Im Zentrum der Differenzen steht ein Vertrag mit einem umtriebigen Medienberater

In der vergangenen Woche war einer dieser Kontrakte - eine angeblich eher knapp gefasste, doch üppig dotierte Vereinbarung mit einem Medienberater - ein zentraler Auslöser dafür gewesen, dass Keller per außerordentlicher Präsidiumssitzung eine Entscheidung gegen Curtius erzwingen wollte. Das gelang ihm und seinen Verbündeten in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zwar nicht; es wurden nur ein Burgfriede zwischen den zwei Spitzenkräften und ein letztmaliges Klärungsgespräch verfügt. Aber wenn die Verträge nun objektiv und unabhängig untersucht werden sollen, dürften neue Turbulenzen programmiert sein.

Besonders erklärungsbedürftig erscheint der größte Einzelposten im Bereich Kommunikation: Das ist der Vertrag mit einem umtriebigen Berater, der schon seit Jahren enge Bande zu DFB-Spitzenleuten pflegt, speziell zum mächtigen Vizepräsidenten Rainer Koch. Nach SZ-Informationen galt der Kontrakt von Oktober 2019 bis Herbst 2020, angeblich war er mit mehr als 300 000 Euro dotiert. Überdies stellt sich die Frage, ob es auch schon zuvor Zahlungen an diesen Berater gab. Nach SZ-Informationen sollen rund um die Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag auch Rechnungsstellungen des Beraters für Gespräche mit Medienvertretern ein Thema gewesen sein. Der DFB sagt zu Vertragsdetails auf Anfrage nichts.

Doch schon in der Woche vorm Krisentreff des Präsidiums ließen Heimlichtuereien um diesen Dienstleister-Vertrag einen Verdacht in Kellers Lager reifen: Ist just die teure Kommunikationsarbeit, die eigentlich den Verband in ein besseres Licht rücken sollte, ein Quell jener Indiskretionen, unter denen das Erscheinungsbild des DFB seit Monaten enorm gelitten hat?

Intern heißt es, der Vertrag habe mit der Kommunikation zum Infront-Thema zu tun

Aus Sicht der DFB-Basis drängt sich zudem die Frage auf, wie und warum der Verband hier Medien für einen so exorbitanten Aufwand betreuen ließ - in einer Zeit, in der Amateur- und Breitenfußballer den völligen Stillstand erlitten. Solche Finanzmittel lassen sich womöglich ja bedarfsorientierter einsetzen als für eine Kommunikationsberatung, an deren Ende das größte Kommunikationsdesaster des Verbandes seit der Sommermärchen-Affäre anno 2015 steht.

Da ergibt wohl nur eine Gesamtbetrachtung dieser Dienstleistungen richtig Sinn. Das soll nun mit externer Sachkunde gelingen. Letztlich könnten sogar Fragen der Geschäftstreue auftreten. Darüber dürften sich haftende Funktionäre im Klaren sein, zumal im DFB, dessen Topleute um Curtius und Vize Koch ohnehin schon Steuer-Strafermittlungen am Halse haben.

Intern kursiert die Darstellung, der ominöse Beratungsauftrag sei zur kommunikativen Begleitung des Infront-Themas erfolgt. Infront: Hier schließt sich der Bogen zu Esecon. Beim Infront-Thema handelte es sich um einen Großauftrag, den Esecon vom DFB erhielt. Im Frühjahr 2019 waren Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Geschäftspraxis zwischen Verband und langjährigem Vermarkter beim DFB eingegangen. Esecon wurde mandatiert. Nach Ermittlungen, harten Auseinandersetzungen und diskreten Aufrechnungen endete die Partnerschaft DFB/Infront im Sommer 2020.

Die bezahlte Pflege von Curtius' Wikipedia-Eintrag erzeugt Irritation, Spott - und eine Protestnote von Wikipedia

Daneben gibt es aber weitere Verträge, die im Präsidenten-Lager Unmut erzeugen. Dazu gehört die Beauftragung einer Hamburger Marketingagentur, die das Image von Generalsekretär Curtius pflegen soll. Ans Tageslicht kam auch eine peinliche Abmachung, mit welcher der DFB eine Firma beauftragte, einen formidablen Wikipedia-Auftritt für Curtius zu gewährleisten - und zwar: Esecon. Eine rund 20 000 Euro teure Fassadenarbeit für einen Funktionär, die als "Hydra III" in internen Dokumenten vermerkt ist. Tatsächlich kam es im Herbst 2019 zu auffälligen Veränderungen, die Curtius in günstigerem Licht dastehen ließen.

Abgesehen davon, ob ein gemeinnütziger Verband überhaupt so teure Personality-Pflege für seinen Chefverwalter betreiben sollte: Dieser Vorgang löste öffentlich Irritation und Spott aus, und bei Wikipedia eine scharfe Protestnote. "Mit fairem Sportsgeist hat das nichts zu tun", sagte der geschäftsführende Vorstand von Wikimedia Deutschland, Abraham Taherivand, der Frankfurter Rundschau. Er sprach von einem "schwerwiegenden Verstoß gegen die Richtlinien von Wikipedia", weil eine mögliche bezahlte Überarbeitung des betreffenden Artikels nicht transparent gemacht worden sei. Und er verlangte Aufklärung.

Der DFB tut so, als habe er mit der Sache nichts zu tun. "Der DFB hatte keine Kenntnis von Verstößen gegen Wikipedia-Richtlinien. Diese wurden von dem von der Firma Esecon beauftragten Dienstleister begangen. Die Zusammenarbeit wurde bereits im Oktober 2020 beendet", heißt es in der Stellungnahme des DFB-Anwaltes. General Curtius habe sich bei Taherivand in einem Telefonat für den Verstoß eines Dienstleisters entschuldigt und sein Bedauern ausgedrückt. Wikipedia bestätigt dieses Gespräch der SZ, eine Stellungnahme des DFB sei vereinbart worden. Prompt veröffentlichte dieser am Freitag eine Entschuldigung: Der Dienstleister habe versäumt, die Änderungen als bezahlte Arbeit zu kennzeichnen.

Es ist unklar, wer nun die interne Aufarbeitung übernimmt

Ulkig wirkt die Feststellung des DFB, dass die Zusammenarbeit mit dem Wikipedia-Pfleger schon im Oktober 2020 beendet wurde, angesichts der Tatsache, dass die damit beauftragte Firma ja immer noch im Hause ist: Esecon. Mögen auch die Projekte Hydra I, II und III beendet sein - Hydra IV, die sogenannte Generalinventur, in der es auch um pikante Fragen zum WM-Zuschlag für 2006 geht, läuft immer noch.

Nun geht die DFB-Saga also erst mal mit der Prüfung der Beraterverträge weiter. Nicht bekannt ist übrigens, wer diese Aufgabe intern übernehmen sollte. Die Compliance-Abteilung dürfte eigentlich ausfallen, sie war schon an anderer Stelle in Vorgänge rund ums Beraterthema involviert. Aber eine Pointe, die perfekt ins Bild passen würde, wäre es, wenn Esecon auch diese Aufgabe übernehmen sollte. Dann dürfte die Hydra ihre Köpfe zusammenstecken und sich auch noch selbst untersuchen. Abwegig? Beim DFB ist derzeit mit allem zu rechnen.

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