Mit arbeitsrechtlichen Vorgängen hatte der Deutsche Fußball-Bund in jüngerer Vergangenheit einige Probleme. 2015, mitten in der großen Affäre um die WM 2006, feuerte die Interims-Spitze des DFB um Vizepräsident Rainer Koch den langjährigen Vizegeneralsekretär Stefan Hans fristlos. Gewaltige Vorwürfe standen im Raum: Hans habe Wissen über Vorgänge im WM-2006-Kontext nicht korrekt weitergegeben. Später hieß es zudem, er habe bei der Gestaltung seines Rentenvertrags getrickst. Der DFB gab sich siegesgewiss, aber scheiterte furios: Das angerufene Arbeitsgericht urteilte gegen den Verband - am Ende stand eine teure Einigung im ordentlichen siebenstelligen Bereich.
Nun beschäftigt den Verband erneut ein ziemlich spektakulärer arbeitsrechtlicher Vorgang. Er steht im Kontext des seit Langem schwelenden Machtkampfes zwischen Präsident Fritz Keller, 63, und Generalsekretär Friedrich Curtius, 44 - und die Frage ist, ob die Angelegenheit diesmal im Sinne des DFB läuft. Kellers Büroleiter Samy Hamama, 36, erhielt kürzlich die fristlose Kündigung. Hamama ist zwar ein Vertrauter des Präsidenten, aber die Personalverantwortung liegt bei dessen Widersacher Curtius. Die Kündigung war nach Wochen der trügerischen Ruhe die nächste Eskalation im Grabenkampf. Für Keller, der vor allem aus dem Profibetrieb Rückendeckung bekommt, ist das eine Schwächung. Aber zugleich geht es in dem Fall um sehr viel Grundsätzlicheres: um die Frage, welche Rechte ein DFB-Präsident hat - und welche nicht.
Exklusiv Machtkampf beim DFB:Der geheimnisvolle Berater
Ein bisher unbekanntes Treffen aus dem Januar 2016 am Züricher Flughafen verknüpft die WM-2006-Affäre mit den aktuellen verbandsinternen Auseinandersetzungen und einem ominösen Beratervertrag. Der mächtige Vizepräsident Rainer Koch gerät in die Bredouille.
Der Verband teilt den Grund für die Kündigung nicht mit, auch Hamama äußert sich nicht. Aber nach Lage der Dinge soll es um Hamamas Umgang mit einem internen Dokument gehen: einer Rechnung in Höhe von 20 111,50 Euro, die der umstrittene Medienberater Kurt Diekmann Ende November 2020 an den DFB gestellt hatte. Im Dezember verschaffte sich Hamama über Controlling-Mitarbeiter dieses Dokument aus dem internen Abrechnungssystem. Anfang Februar war das Papier in einem Beitrag des ZDF zu sehen.
Ende 2020 kamen Keller Zweifel an dem Vertrag
Nach der Ausstrahlung prüfte direkt die hauseigene Compliance-Abteilung den Vorgang, danach schaltete der DFB eine externe Kanzlei ein. Hamama bestreitet, dass er das Dokument weitergab; auch der Prüfbericht sieht nach SZ-Informationen keine Beweise dafür. Aber unabhängig von der Frage einer Weitergabe sehen manche Beteiligte im DFB schon einen ausreichenden Kündigungsgrund darin, dass sich Kellers Büroleiter die Rechnung überhaupt besorgte. Dazu sei er nicht berechtigt gewesen, und damit liege, so heißt es, ein unbefugtes Erlangen von Geschäftsgeheimnissen vor.
Nun dürfte es im arbeitsrechtlichen Fortgang darauf ankommen, ob das für eine fristlose Kündigung genügt; insbesondere angesichts der speziellen DFB-Umstände. Denn Hamamas Suchaktion erfolgte - so hat es Keller intern dargelegt - im Auftrag des Präsidenten. Und sie ist eingebettet in eine Vor- und Nachgeschichte, die auf größerer Ebene auf ein geheimnisumwittertes Vertragswerk zielte: einen circa 360 000 Euro teuren Kontrakt mit dem Medienberater Diekmann.
Ende 2020 kamen dem DFB-Präsidenten demnach erstmals Zweifel am Wirken dieses Beraters. Das war die Zeit, in der der Machtkampf zwischen Keller und Curtius offen zutage trat und plötzlich viele Interna an die Öffentlichkeit gelangten, die Keller in schlechtem Licht dastehen ließen. Zugleich war es die Zeit, in der neue Steuer-Ermittlungen den Verband erschütterten. Die Kompetenzen des Präsidenten sind 2019 zwar reduziert worden. Aber dabei wurde auch festgehalten, dass ihm eine "generelle Aufsichts- und Kontrollaufgabe" zukomme, und es ist von "umfassenden Informationsrechten" die Rede. Zudem gehört er bis heute zu den Funktionären, die im Zweifel haften müssen für DFB-Vorgänge. Deswegen, so sehen es Kellers Unterstützer, sei es nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht, sich um etwaige Ungereimtheiten zu kümmern.
So eine Ungereimtheit wollte Keller auch rund um den Diekmann-Vertrag ausgemacht haben. Bei seinen internen Nachforschungen im Dezember, so heißt es aus dem Präsidentenlager, habe Keller keine befriedigenden Auskünfte bekommen - und deshalb seinen Büroleiter Hamama damit beauftragt, sich um den Diekmann-Vertrag zu kümmern. Hamama nahm dann über das Controlling Einsicht in Rechnungen.
Gegner Kellers im DFB wiederum verweisen darauf, dass der Präsident kein Recht gehabt habe, einen solchen Auftrag zu erteilen, vorbei an den Verantwortlichen in der Zentrale. Sondern dass es bei etwaigen Zweifeln an den Umständen eines Vertrages nur einen korrekten Weg gegeben hätte: den Compliance-Beauftragten anzusprechen. Das geschah nicht. Dafür gab es im Januar die nächste Aufregung um den Vertrag, als Keller intern um die Aushändigung von Diekmann-Unterlagen bat und ein tagelanges Hin und Her folgte.
Die Curtius-Unterstützer versichern, dass mit diesem Diekmann-Vertrag alles seine Richtigkeit habe. Dabei wird immer evidenter, dass es ein großes Geheimnis gibt rund um das Tun dieses Beraters. Offiziell tätig war er nach Angaben des Verbandes schon seit April 2019, der Kontrakt mit dem DFB lief von Oktober 2019 bis Oktober 2020. Die Rechnung aus dem November 2020, um die es nun in der Hamama-Geschichte geht, sei eine berechtigte Nachforderung gewesen. Anlass für das hohe Salär von circa 360 000 Euro war nach Angaben des DFB die mediale Begleitung von zwei Komplexen, denen das Berliner Forensik-Unternehmen Esecon intern nachgeht: die inzwischen beendete Partnerschaft mit dem Vermarkter Infront sowie Fragwürdigkeiten rund um die WM 2006. Letzteres wundert als Argument, weil die internen Ermittlungen in der WM-Affäre noch laufen - und es, wenn überhaupt, doch jetzt eine mediale Begleitung bräuchte. Mal abgesehen davon, dass sich die Öffentlichkeit fragt, welche Aktivitäten genau eine so hohe Summe wert sind.
Der Kommunikationsberater ist ein alter Bekannter von DFB-Vize Koch
Zudem ist inzwischen klar, dass Diekmann schon viel länger im DFB-Kontext eine Rolle spielt als seit Beginn der Esecon-Ermittlungen im Frühjahr 2019 - und insbesondere zu Vizepräsident Koch eine lange, enge Verbindung hat. Mindestens seit dem Jahr 2012 tauchte Diekmann immer mal wieder auf, ohne dass klar gewesen wäre, was seine genaue Rolle war - und ohne dass der DFB diese erklären wollte ( siehe SZ vom 11. Februar ). Bemerkenswert überdies: Als Diekmann 2019 seinen Vertrag erhielt, erfuhr der Präsidialausschuss nicht, wie eng die Verbindung über die Jahre gewesen war.
Die Vorgänge um Diekmann sind so kurios, dass der DFB in der Zwischenzeit eine externe und eine interne Prüfung beschloss. Aufklärungsbedarf besteht also - und die Frage ist nun, wie dies alles hineinspielt in die Bewertung der Kündigung von Kellers Büroleiter Samy Hamama. Wollte er aufklären, was er nicht hätte aufklären dürfen?
Die Fraktion um Generalsekretär Curtius scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Aber es gibt auch andere Stimmen. Der Betriebsrat war dem Vernehmen nach nicht einverstanden mit der Kündigung. Auch befasst sich die DFB-Ethikkommission damit. Womöglich landet auch dieser Fall vor dem Arbeitsgericht - und abzuwarten bleibt, ob auch er den DFB dann wieder eine Stange Geld kostet.