DFB und Infront:Ein Rad, ein Yacht-Ausflug und ein Job für den Sohn

DFB Wolfgang Niersbach und Günther Netzer auf Tribüne TSG 1899 Hoffenheim vs SV Werder Bremen 13 09; x

Seit vielen Jahren eng verbandelt: Der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (links) und der frühere Infront-Topmanager Günter Netzer.

(Foto: Michael Weber/Imago)

Weil ein interner Bericht zu massiven Vorwürfen gegen den Partner Infront kommt, trennt sich der DFB vom Sportvermarkter. Nun steht eine rechtliche Auseinandersetzung bevor.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt, und Thomas Kistner

Eigentlich hätten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Sportvermarkter Infront bald eine Art runden Geburtstag feiern können. Vor fast 40 Jahren kam die erste Zusammenarbeit zustande - wobei es das Schweizer Unternehmen Infront selbst damals noch nicht gab. Sondern diverse Firmen-Vorläufer, darunter schließlich der 2002 in Konkurs gegangene Kirch-Konzern. Auf den Trümmern gegründet wurde 2002/03 die Infront. Rasch wurde das Verhältnis zum DFB sehr eng, es entstand ein dicht verflochtenes Netz. Über viele Jahre fungierte Infront wie die Haus- und Hof-Agentur des Verbandes.

Jetzt ist damit Schluss. Das Verhältnis zwischen Infront und einigen DFB-Vertretern soll nach Erkenntnissen der aktuellen Verbandsspitze irgendwann zu eng geworden sein. Sie sehen sich massiv getäuscht. So steht nun statt enger Partnerschaft und Jubiläumsfeier eine gerichtliche Auseinandersetzung im Raum.

Am Mittwoch verkündete der DFB die Entscheidung, die bestehenden Verträge mit Infront zu beenden. Anlass ist ein interner Bericht, nach dem es in der Geschäftsbeziehung zu dem Sportvermarkter "klare Unregelmäßigkeiten" sowie "unrechtmäßige Einflussnahmen auf DFB-Vertreter" gegeben habe. Konkret soll die Kündigung zwei Verträge betreffen, einen Service-Vertrag für Länderspiele und den Vermarktungsvertrag für den DFB-Pokal. Infront jedoch will das nicht hinnehmen. Die Firma bestreitet die Wirksamkeit der Kündigungen und weist die Vorwürfe ungewöhnlich scharf zurück. Infront kündigt auch an, sich mit allen Mitteln zu wehren - notfalls vor Gericht. Das wirft die Frage auf, wie gut gerüstet der DFB für eine solche juristische Auseinandersetzung ist, in der es im Zweifel um achtstellige Beträge gehen kann.

Basis für Eskalation und Trennungsbeschluss ist ein interner Bericht der Berliner Beratungsfirma Esecon. Diese setzte der DFB im Frühjahr 2019 auf das Thema an, weil ihn anonyme Hinweise erreicht hatten, nach denen es "mögliche schädigende Handlungen" gegenüber dem Verband gegeben habe. Dabei gab es zwei Stränge. Der erste war der sogenannte Sekunden-Klau: Die Zeiten für die DFB-Werbekunden, deren Bandenwerbung bei Länderspielen der Nationalelf zu sehen war, wurden zu Lasten der Kunden falsch abgerechnet. Der zweite, größere Strang: Unregelmäßigkeiten bei der Gestaltung von Verträgen. Jetzt liegt der Zwischenbericht von Esecon dazu vor - und der DFB sah die Grundlage für eine Vertragsbeendigung gegeben. Details nennt er nicht, er beantwortet auch nicht die Frage, warum er glaubt, das Vertrags-Aus juristisch durchsetzen zu können. Aus dem bisher Vorliegenden lässt sich das nicht zwingend ableiten. Der DFB sagt trotzdem, dass er im Zuge des laufenden Prozesses keine Details kommentiert. Derweil ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen möglicher Korruption rund um das Thema Bandenwerbung beim DFB, wie eine Sprecherin bestätigte.

2015 soll ein DFB-Mitarbeiter ein 12 000-Euro-Rennrad erhalten haben

Laut dem Magazin Spiegel beziffern die Esecon-Ermittler den mutmaßlichen Schaden auf mehr als 40 Millionen Euro; ihr Bericht liefere Hinweise auf mutmaßliche Korruption. Unter anderem geht es um das Zustandekommen eines Vertrags 2013: Damals erhielt Infront für weitere fünf Jahre das Recht, die Bandenwerbung für die Länderspiele des Nationalteams zu vermarkten. Dabei habe bei jener Ausschreibung das um 18 Millionen Euro höhere Angebot eines Rivalen vorgelegen. Und 2015 habe es beim Abschluss eines solchen Vermarktungsvertrags für den DFB-Pokal erneut fragwürdige Vorgänge gegeben.

Publiziert wurden drei Vorwürfe. 2013 habe der Sohn des damaligen DFB-Generalsekretärs Helmut Sandrock just im Monat des Vertragsabschlusses einen Job bei Infront angetreten. 2015 sei der damalige DFB-Chef Wolfgang Niersbach von Infront-Topmanager Günter Netzer auf eine Luxusyacht im Mittelmeer eingeladen worden, im selben Jahr habe zudem ein DFB-Mitarbeiter ein 12 000-Euro-Rennrad erhalten. Und dann, zeitlich aber nicht klar spezifiziert: Weitere mit Infront befasste DFB-Mitarbeiter hätten teure Uhren bekommen.

Alle Beteiligten weisen ein Fehlverhalten zurück. Infront moniert aber, dass Esecon keine Beweise vorlege "für den Verdachtsmoment einer Vorteilsnahme". Ein Rennrad, ein Yacht-Ausflug, zeitlich noch klar zu präzisierende Uhrengeschenke: Falls sich aus der möglichen Vater-Sohn-Job-Affäre um Sandrock und seinen Filius keine konkreten Verdachtsmomente ergeben, und falls die interne Ermittlung nicht weiteres, bisher unbekanntes Belastungsmaterial bereit hält, erscheint es keineswegs als gesichert, dass solche Vorgänge vor einem Gericht ausreichen können. Das Verhältnis Infront/DFB ist wie erwähnt seit Jahrzehnten speziell: In seinem Kontext könnte noch manches deutsche Fußball-Geheimnis stecken.

Esecon hat vom DFB inzwischen einen erweiterten Auftrag: Die Firma soll eine Generalinventur vornehmen und in dem Zusammenhang auch der ungeklärten Millionen-Transaktion um die WM 2006 nachspüren. Hier kommt das Thema Infront auf andere Weise erneut ins Spiel. Denn die Vergabe des berühmten Zehn-Millionen-Franken-Kredits von Robert Louis-Dreyfus an den deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer und der Gründungsprozess von Infront fielen in dieselbe Zeit im Jahr 2002. Und laut einer Notiz von Louis-Dreyfus' Bank diente der Kredit dazu, dass ein Sportprominenter namens "F.B." TV-Rechte aus dem Kirch-Nachlass erwerben könne. Infront erwarb aus besagtem Nachlass wenig später in der Tat das Kronjuwel: die Rechte an der WM 2006. Beckenbauers Kreditgeber Louis-Dreyfus war zugleich Hauptaktionär der neuen Infront, der Empfänger der Kreditmillionen war Mohamed bin Hammam: Der enge Gewährsmann des zweiten Hauptaktionärs von Infront, des saudischen Scheich Kamel. Da ist viel aufzuklären.

Bei Infront wechselten später die Eigentümer: Erst übernahm eine Londoner Equity-Gesellschaft, 2014 wurde die Firma an den chinesischen Wanda-Konzern veräußert. Die Top-Drähte zum DFB blieben stets bestehen. Anfang 2015 schrieb Ex-General Sandrock nach SZ-Informationen in einer internen Mail zu einem Infront-Pokal-Angebot einen Satz, der heute besonders interessant klingt: "Das Ding muss wirklich total sauber sein, schon weil es Infront ist."

Und nun ermittelt also Esecon. Der weitreichende Beschluss zur Kündigung einer langjährigen Partnerschaft beruht auf dem Bericht der Berliner Firma. Allerdings beanstandet nun schon mancher Befragte gegenüber der SZ die konkreten Gesprächsabläufe. Und der DFB weicht Fragen aus, wer wann warum genau Esecon beauftragt habe. Nur allgemein verweist der Verband darauf, alles sei in Einklang mit den bestehenden Bestimmungen abgelaufen. Auch die Frage, welches Honorar die Firma für ihre Tätigkeiten bekommt, will der DFB nicht näher spezifizieren: "Alle Zahlungen aber entsprechen den marktüblichen Gepflogenheiten."

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v.l. Dr. Rainer KOCH (GER, DFB Vizepraesident), Fritz KELLER (GER, DFB Praesident), auf der Tribuene, Fussball Laendersp

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