Süddeutsche Zeitung

DFB gewinnt den Confed Cup:Sieg der furiosen Musterschüler

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Von Philipp Selldorf, Sankt Petersburg

Ob es bei der Fifa jemanden gibt, der Sinn für Selbstironie hat? Anders ist es kaum zu erklären, dass der Weltverband eine Komposition von Ennio Morricone einspielte, als vor dem Confed-Cup-Finale zwischen Chile und Deutschland der Sieger-Pokal ins Stadion getragen wurde. Die Melodie stammt aus Sergio Leones Western "Für eine Handvoll Dollar", was natürlich ein wunderbares Motto für den Weltverband ist. Präsentiert wurde die Trophäe vom brasilianischen Fußballer Hulk, der zwar nicht so grün ist wie der Held aus den Marvel-Comics, aber auch sehr stark. Wer würde den goldenen Götzen nach Hause tragen, das war die Frage.

Um 22.55 Uhr Ortszeit, nach fünf Minuten Nachspielzeit, gab es darauf eine Antwort: Die deutsche Mannschaft, angetreten als bunte B-Mischung aus Junioren, Anfängern und einer Handvoll Semi-Routiniers, stand unvermutet als Confed-Cup-Gewinner auf dem Rasen. Der 1:0-Sieg war glücklich und denkbar knapp, aber trotzdem kein Dusel. Bundestrainer Joachim Löw lief jubelnd auf den Platz, es war ihm ein Bedürfnis, seinen Musterschülern zu danken.

"Ich bin megastolz auf sie", sprach er: "Viele Spieler standen noch nicht in so einem Finale. Ich denke, das werden sie ihr Leben lang nicht vergessen." Es werde Änderungen gegenüber dem Halbfinale geben, hatte der Bundestrainer angekündigt. Er hielt Wort. Anstelle von Benjamin Henrichs kam Shkodran Mustafi in die hintere Reihe, Joshua Kimmich rückte wieder rechts raus, was sich bewähren sollte: Die Abwehr gab ein stabileres Bild ab als gegen Mexiko. Das war dringend nötig gegen Chile, dessen Trainer Juan Antonio Pizzi sagte, sein Team sähe sich "maximal verpflichtet" für ein großes Finale: Dass die Chilenen es ernst meinen mit der Vaterlandsliebe, war in ihren Gesichtern zu lesen, als die Hymne erklang. Da sangen selbst die Reporter mit, wenn auch schräg.

Hinterlistiges Führungstor durch Stindl

Das Spiel begann mit einer Beschwörung. Arturo Vidal bekreuzigt sich noch, während er nach dem Anstoß den ersten Pass stoppte und weiterleitete, auch das ein Ausdruck maximaler Verpflichtung. Das Geschehen entwickelte sich folgerichtig: Das Spiel der Chilenen war als konzertierter Überfall angelegt, die Deutschen ließen sich einschüchtern. Die Nervosität ließ keinen los, selbst der üblicherweise ballsichere Jogi Löw hatte hinter der Seitenlinie Probleme bei der Ballannahme.

Nach vier Minuten folgte der erste große Aufschrei im vorwiegend von chilenischen Sympathien bewegten Publikum: Stindl verlor den Ball an der Mittellinie, Rüdiger und ter Stegen retteten die Situation gegen Arranguiz und Vargas. Es folgten ein Fehlpass von Ginter mit Ansage (7.) und ein Stockfehler von Goretzka (13.), schließlich war selbst Torwart ter Stegen unsicher: Ein Wunder, dass Sanchez den abgeprallten Ball nach Vidals Gewaltschuss nicht nutzte (19.). Die Deutschen hatten bis dahin keinen Angriff zustande gebracht.

Was tun? Am besten in Führung gehen. Werner klaute in der 20. Minute Marcelo Diaz am Strafraum den Ball und schob ihn zu Stindl, der vor dem leeren Tor bereit stand. Das sah fast aus wie eine gerissene Strategie: Erst lässt man sich hinterlistig an die Wand spielen, dann schießt man souverän das 1:0.

Die Chilenen zeigten sich betroffen, ihr Spiel verlor an Wucht, ihre Energie ließ nach, und in ihrem Mittelfeld entstanden Lücken, durch die sich großräumig kontern ließ. Plötzlich bekamen die Deutschen eine Chance nach der anderen: Goretzka verfehlte die lange Ecke um zwei Handbreit, und ein paar Minuten später jubelte der Bundestrainer bereits, als Werner im Strafraum ein Zuspiel von Goretzka empfing - doch er jubelte voreilig. Als offensiver Ballempfänger und -verteiler hatte nun vor allem Julian Draxler seinen Anteil am Umschwung, sein Pass auf Goretzka brachte kurz vor der Pause die Gelegenheit zum vorzeitigen Knockout, doch der Schalker brauchte einen Moment zu lang zur Ballkontrolle und scheiterte an Bravo.

Draxler wurde später als Spieler des Turniers geehrt. "Dafür, dass der Confed-Cup vorher belächelt wurde, war heute ganz schön Feuer drin", sagte er: "Wir haben super gefightet und diesen Sieg auch verdient." Die Chilenen warfen nach der Pause die Angriffsmaschine wieder an. Nicht mehr mit der Power wie zu Beginn, aber mit genau so viel Leidenschaft. Die fragwürdigen Kampfhandlungen nahmen zu, bei Jaras Ellbogeneinsatz gegen Werner musste der Video-Schiedsrichter hinzugezogen werden, der ehemalige Mainzer hatte Glück, dass er mit der gelben Karte davonkam.

Die Deutschen beschränkten sich auf Gegenwehr und gelegentliche Konter, denen aber Geradlinigkeit und Genauigkeit fehlten. Im Abwehrzentrum wurde Schwerstarbeit geleistet, die Kopfballstärke von Ginter, Mustafi und Rüdiger ließ die Chilenen verzweifeln, und wenn sich ein Loch auftat, dann wussten es die Roten nicht zu nutzen: Sagal schoss einmal aus fünf Metern fünf Meter übers Tor.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2017
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