Martina Voss-Tecklenburg:Wohl keine weiß besser, was jetzt zu tun ist

DFB Amateur Football Congress 2019 - Day 3

Vor allem ihre große Fachkompetenz und ihre offene Art soll Martina Voss-Tecklenburg als Bundestrainerin erfolgreich einsetzen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Martina Voss-Tecklenburg debütiert diesen Donnerstag (21 Uhr) gegen WM-Gastgeber Frankreich als Bundestrainerin.
  • Die Wunschkandidatin des Verbands soll die deutsche Mannschaft bis zur WM im Sommer zu einem Titelkandidaten formen.
  • Sie gilt aufgrund ihrer Fachkompetenz und ihres guten Verhältnisses zu den Spielerinnen als optimale Wahl für den Neuanfang.

Von Anna Dreher

An einem Sonntag im Juli des Jahres 2017 konnte Martina Voss-Tecklenburg für ihre Mannschaft nichts mehr tun. Die Trainerin hatte die Schweiz erstmals zu einer Fußball-Europameisterschaft der Frauen geführt, doch nach der Gruppenphase war Schluss. Und so beobachtete Voss-Tecklenburg mit einer Ruhe, die sie sonst an diesem Tag nicht gehabt hätte, jene Mannschaft, der sie neben ihrer eigenen am nächsten stand - eine Mannschaft, von der sie noch nicht wusste, dass es ihre künftige sein würde.

Im Viertelfinale der EM 2017 traf die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) unter der Bundestrainerin Steffi Jones auf Dänemark. Schon vom ersten Gruppenspiel an war dieses Turnier für die DFB-Frauen nicht so gelaufen wie erwartet, und so verloren sie dann auch gegen Dänemark mit 1:2 Toren - und leiteten statt einer Wende auf dem Weg zum nächsten Titel eine sehr schwierige Phase ein. Martina Voss-Tecklenburg beobachtete an diesem Tag den Beginn ihrer eigenen Zukunft.

Fast eineinhalb Jahre später sitzt Voss-Tecklenburg, 51, in einem Büro in Frankfurt und spricht über diese Zukunft, die inzwischen Gegenwart geworden ist. Sie ist nicht mehr für den Schweizer Frauenfußball verantwortlich, den sie fast sieben Jahre lang geprägt hat. Sie ist jetzt die Bundestrainerin in ihrem Geburtsland. Auch in Deutschland soll sie prägend wirken und den zweimaligen Welt-, achtmaligen Europameister und Olympiasieger wieder zu jenem Titelkandidaten machen, der die Mannschaft über Jahrzehnte war. Ausgerechnet Voss-Tecklenburg, die vor fast zwanzig Jahren als Nationalspielerin im Streit mit dem DFB auseinandergegangen war. Aber wohl keine wäre für den Neuanfang besser geeignet.

Voss-Tecklenburg strahlt eine natürliche Autorität aus, in der bisweilen Strenge mitschwingt

"Emotional", sagt Voss-Tecklenburg, "ist das natürlich schon etwas anderes. Ich habe in Deutschland so viel Zeit in der Entwicklung des Frauenfußballs miterleben dürfen. Aber ich stehe nicht stolzer auf dem Platz deswegen - das tue ich sowieso schon leidenschaftlich und voller Enthusiasmus." An diesem Donnerstag (21 Uhr/Eurosport) wird sie ihr erstes Länderspiel als Bundestrainerin leiten, gegen Frankreich, den zuletzt dominant auftretenden Gastgeber der WM im Sommer (7. Juni bis 7. Juli). Danach folgen weitere Tests, unter anderem gegen Schweden und Japan. "Wir haben uns bewusst schwere Gegner gesucht", sagt Voss-Tecklenburg, "danach ist es wichtig, die richtigen Lehren zu ziehen, damit wir überzeugt sagen können: Wir können unsere Gruppenspiele gewinnen."

Leicht will sie es sich selbst nicht machen und auch ihren Spielerinnen nicht - weil es das nicht wird. Dem Turnier kommt eine größere Bedeutung zu als ohnehin schon. Für Voss-Tecklenburg geht es darum zu zeigen, dass sie einen Favoriten führen kann - im Idealfall bis ins Finale und vielleicht sogar zum Titel. Dass sie ihren Spielerinnen, die nach der Entlassung von Jones unter dem Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch im vergangenen Jahr wieder zu sichtbar größerem Selbstbewusstsein gefunden haben, eine klare Spielidee vermittelt. Dass sie den Erwartungen eines anspruchsvollen Verbandes gerecht werden kann, dessen Wunschkandidatin sie von Beginn an gewesen ist. Und das alles bei einer Konkurrenz, die schon bei der EM vor zwei Jahren gezeigt hat, dass sie viel stärker geworden ist. Und für das Team um die neu ernannte Kapitänin Alexandra Popp (die leicht angeschlagen ist und gegen Frankreich nicht spielt) geht es darum zu zeigen: Wir sind übrigens wieder da!

Voss-Tecklenburg strahlt eine natürliche Autorität aus, in der bisweilen eine gewisse Strenge mitschwingt, die aber vor allem ihre hohen Ansprüche spiegelt. Sie ist fordernd, sie bewundert Sportler, die alles geben und nicht verlieren können. Längst hat sie den Ruf, direkt und klar aufzutreten, dann aber genauso herzlich, locker und lustig sein zu können. Die Kunst ist es ja, in den richtigen Momenten zwischen den Stimmungen zu wechseln. Von allen wird sie als verlässliche Ansprechpartnerin geschätzt. "Mit vielen bin ich immer in Kontakt geblieben, das ist die größte Wertschätzung überhaupt, im gegenseitigen Vertrauen. Ich glaube, das zeichnet mich genauso aus, weil mir immer auch der Mensch wichtig gewesen ist", sagt Martina Voss-Tecklenburg. Frühere Spielerinnen sagen das auch.

Voss-Tecklenburg erlebte außergewöhnliche Abschiede

Die Rheinländerin hatte schon früh jene Zielstrebigkeit, die sie bis heute auszeichnet und die sie, gepaart mit einem großen Ehrgeiz, zu einer der Besten Deutschlands werden ließ. Über sie wird die Geschichte erzählt, sie habe als Mädchen über Wochen nicht mehr mit ihrer Mutter gesprochen, als diese ihr verbot, Fußball zu spielen. Voss-Tecklenburg kickte heimlich weiter und durfte schließlich doch beim KBC Duisburg trainieren. Mit 15 Jahren gewann die Offensivspielerin zum ersten von insgesamt vier Malen den DFB-Pokal, zwei Jahre später ihre erste von sechs Meisterschaften. Vor allem aber gewann sie in ihrer Zeit bei KBC und dem FCR 2001 Duisburg sowie dem TSV Siegen eine Menge Anerkennung - für sich und für andere. Als Fußballerin, die alleinerziehende Mutter war und als Bürokauffrau arbeitete.

"Es gibt einen kleinen Bereich, den ich mitgestalten durfte. Da haben wir alle viel auf den Weg gebracht", sagt Voss-Tecklenburg: "Ich weiß noch, wie ich mit Silvia Neid davon geträumt habe, irgendwann Profi zu sein. Das waren wir ja nie. Aber wir haben geholfen, dass es heute viele Fußballerinnen sein können."

Zwei Jahre, nachdem der DFB 1982 eine Nationalmannschaft für Frauen ins Leben rief, wurde Voss-Tecklenburg von Gero Bisanz nominiert, auch später unter Tina Theune war sie als Leistungsträgerin eine Konstante. Sie wurde Zweite bei der Weltmeisterschaft 1995, gewann vier Europameisterschaften (1989, 1991, 1995, 1997) und war in 125 Länderspielen für den Ruf der DFB-Frauen mitverantwortlich, den sie jetzt als Trainerin verteidigen soll. Wahrscheinlich wären es noch mehr Partien geworden, aber Voss-Tecklenburg war nicht nur eine außergewöhnliche Fußballerin, sie war auch eine mit außergewöhnlichen Abschieden.

Ihre Vereinskarriere beendete sie 2003 nach dem Pokalfinale gegen den 1. FFC Frankfurt, in dem sie mit dem einzigen Eigentor ihrer Laufbahn das Spiel entschied. 2000 war sie wegen eines Streits mit ihrer Teamkollegin und damaligen Lebensgefährtin Inka Grings vor Olympia nicht mehr für den Nationalkader berücksichtigt worden. Es war ein verfrühtes Ende ihrer Zeit beim DFB.

Ausgerechnet an diesen hoch emotionalen Ort ist Voss-Tecklenburg also zurückgekehrt. "Das Thema ist für mich lange abgehakt, verarbeitet, geklärt", sagt sie. Ihre Erfahrungen als Spielerin haben sie geprägt, Voss-Tecklenburg war es aber immer wichtig, sich weiterzuentwickeln. Sie war Teammanagerin beim Männer-Oberligisten SV Straelen und fast zehn Jahre Verbandssportlehrerin von der U 13 bis zur U 21. Bei ihrer Rückkehr in die Bundesliga wurde sie mit Duisburg zweimal Pokal- und Uefa-Women's-Cup-Siegerin. Mit Jena kämpfte sie danach gegen den Abstieg, bevor sie in der Schweiz Aufbauarbeit leistete.

Erfolgreiche Spielerinnen hat Deutschland viele hervorgebracht. Eine Kompetenz, wie sie sich Voss-Tecklenburg als Trainerin erarbeitete, ist dagegen fast einmalig. Nun kommt, wie sie selbst sagt, das i-Tüpfelchen auf ihre bisherige Karriere. Es fehlt im Grunde nur noch ein Titel.

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