Süddeutsche Zeitung

Deutscher Fußball-Bund:Gute Nachricht, schlechte Nachricht?

Der DFB schweigt weiter zu seinem avisierten Deal mit Katar, dem umstrittenen WM-Gastgeber 2022. Mehr als acht Millionen Euro jährlich könnte der Werbevertrag einbringen - ist das Geschäft nötig, um die interne Bilanz aufzuhübschen?

Von Thomas Kistner

Eine Woche ist es mittlerweile her, da hatte die SZ das Vorhaben des Deutschen Fußball-Bundes enthüllt, eine profitable Partnerschaft mit Qatar Airways einzugehen, dem Staatskonzern des Golf-Emirats und umstrittenen Veranstalters der WM 2022. Prompt hob ein gesellschaftspolitischer Proteststurm an: "beschämend", "den Kompass verloren", "schwere Belastung für die Nationalmannschaft". Scharfe Kritik an dem geplanten Deal kam fast unisono aus allen Berliner Bundestagsfraktionen.

Im DFB seitdem: dröhnendes Schweigen. Kein Wort zum Stand der Dinge dringt aus dem affärengeschüttelten Verband, den zurzeit die Interims-Bosse Rainer Koch und Peter Peters führen.

Dünne Hinweise lieferte nur die Marketingabteilung des DFB, die erklärt, dass sie zu laufenden Verhandlungen nicht kommuniziere. Das ist nachvollziehbar im Hinblick auf die üblichen Auto-, Ausrüster- und IT-Partner. Aber Qatar Airways ist ein anderes Kaliber. Mit diesem Partner betritt der sieben Millionen Mitglieder umfassende Verband politisches Parkett. Niemand weiß das besser als die DFB-Spitze, die das verheerende öffentliche Echo zwar vernimmt - aber nach Lage der Dinge lieber auf die fetten Summen starrt, die für den Coup nach SZ-Informationen fließen sollen: ungefähr 8,5 Millionen Euro pro Jahr, macht verteilt auf bis zu vier Jahre Laufzeit 34 Millionen.

Eine Vorlage für das Präsidium sei bereits in Vorbereitung, heißt es in informierten Kreisen. Demnach wären die Verhandlungen mit den Katarern weit gediehen. Das Präsidium tagt am Freitag nächster Woche. Das rückt die zentrale Frage in den Vordergrund: Warum? Warum eröffnet der Sieben-Millionen-Verband eine weitere gesellschaftspolitische Baustelle?

Präsidiumsmitglieder bestätigen, dass der DFB seinen Langzeitpartner Lufthansa vorzeitig ziehen lasse. Eigentlich war dieser Vertrag bis Ende 2022 terminiert, die jährlichen Zuwendungen sollen unter einer Million Euro gelegen haben, zuzüglich Flugkontingente. Da hübscht ein Werbepartner, der das Zigfache einbringt, die Bilanz gewaltig auf. Und diese Schlussrechnung des DFB für das Geschäftsjahr 2020 wird gerade mit wachsender Nervosität erwartet.

Die Bilanz dürfte in vielerlei Hinsicht aufschlussreich sein. Da ist die Frage, wie rot in Corona-Zeiten die Zahlen sind. Neue Erkenntnisse sind aber auch zur Tätigkeit des Kommunikationsberaters Kurt Diekmann zu erwarten, der von Frühjahr 2019 bis Spätsommer 2020 insgesamt 372 000 Euro beim DFB einstrich und offiziellen Angaben zufolge hauptsächlich die Trennungs-Verhandlungen des Verbands mit der Schweizer Agentur Infront, dem langjährigen DFB-Vermarkter, begleitet haben soll. Und da es ja nun einerseits um Diekmann und andererseits ums Geld geht, rückt auch diese im Herbst 2020 vollzogene, angeblich höchst profitable Trennung von Infront wieder in den Fokus.

Denn diese Scheidung hatte Rainer Koch, als er unlängst im ZDF-Sportstudio die ebenso teure wie rätselhafte Tätigkeit des Beraters verteidigen musste, als "immensen wirtschaftlichen Erfolg" für den DFB gefeiert. Dank der Hilfe des Beraters und eines anderen Dienstleisters, nämlich der Forensikfirma Esecon, so Koch, habe die DFB-Spitze aus der Causa Infront "sehr viel Geld in den DFB zurückgeholt". Ein Millionenbetrag soll das sein.

Das DFB-Präsidium könnte den Deal mit Katar noch stoppen - theoretisch

Nur: War das wirklich so? Oder braucht der DFB das Geld aus dem avisierten Katar-Deal auch deshalb so dringend, weil die Infront-Sache eben doch kein so grandioses Geschäft war? Wurden da womöglich sogar Kosten produziert - weil der DFB ohne die externen Dienstleister, in einem direkten Austausch mit Infront, gar nicht um Millioenen schlechter abgeschlossen hätte? Einiges spricht mittlerweile für letztere Lesart. Zumal Infront mit der erzielten Einigung sehr zufrieden ist - und es den Zahlen nach auch sein darf. Weshalb dann der enorme Kostenaufwand des DFB für Dienstleister, deren Wirken zumindest im Fall Diekmann offenbar nur sehr vage dargestellt werden kann, auch den DFB-internen Prüfinstanzen gegenüber?

Rainer Koch will sich zu derlei nicht weiter äußern. Die erwartete Bilanz wird wohl konkretere Einblicke liefern. Und die Frage stellt sich auch deshalb, weil gleich beide vormalige DFB-Präsidenten, Fritz Keller und Reinhard Grindel, die Umtriebe des Kommunikationsberaters ganz anders darstellen als die derzeitigen DFB-Verantwortlichen: Unabhängig voneinander, aber jeweils gestützt auf konkrete Belege, verdächtigen beide Diekmann, im Hintergrund gegen sie gearbeitet zu haben.

Und schon im April hatten externe und interne Buchprüfer alarmierende Zwischenberichte vorgelegt, die in eine ähnliche Richtung weisen: Sie konnten keine angemessen werthaltige Kommunikationsarbeit des Beraters Diekmann im Infront-Kontext erkennen. Das wiederum dürfte die Betriebsprüfer alarmieren: Auch sie werden sich nicht mit den kargen Andeutungen zu seiner angeblichen Arbeit für den DFB begnügen. Bleibt also abzuwarten, ob die Bilanz tatsächlich einen "immensen" Wirtschaftserfolg aus der Infront-Causa abbildet. Womit man wieder bei Qatar Airways wäre.

Für die Präsidiumssitzung in einer Woche werden interne Darlegungen zum Infront/Diekmann-Thema erwartet, ebenso wie die Vorlage zur Katar-Geschäftsanbahnung. Soll es dann etwa auf ein Szenario "Schlechte Nachricht - gute Nachricht" hinauslaufen? Nach dem Motto: Wir haben hier eine dünne Finanzlage, dafür aber winken uns frische Millionen aus Katar?

Das DFB-Präsidium könnte den Deal theoretisch noch stoppen. Doch von diesem Gremium ist traditionell keine echte Kontrolle zu erwarten. Das gilt für die schwelenden Probleme, die den DFB in die schwerste Glaubwürdigkeitskrise seit Jahrzehnten getrieben haben, ebenso wie für einen möglichen Deal mit Katar. Im Präsidium hat die Handvoll Vertreter aus den Profiligen seit jeher wenig zu melden, eine Riege linientreuer Amateurfunktionäre überstimmt sie regelmäßig. Bisher hat diese stramme Gefolgschaft Rainer Koch und dessen Vertrauten, Schatzmeister Stephan Osnabrügge, bei allen Krisenthemen abgeschirmt.

Zuletzt, Mitte Juni, ließen die Funktionäre sogar eine klar erkennbare Intrige widerstandslos geschehen, die zur Auflösung der unbequemen DFB-Ethikkommission führte - obwohl sich manches Präsidiumsmitglied manipuliert sah. Abenteuerliche Vorgänge auch hier: Zwei der drei Kandidaten für den plötzlich neu zu besetzenden Ethikvorsitz wurden damals mit falschen oder irreführenden Behauptungen entwertet, wobei dem renommierten Theologen Nikolaus Schneider am Tag vor der Sitzung im internen Amateure-Kreis sogar eine Erkrankung angedichtet worden war. Doch die deutschen Amateurvertreter stört das ebenso wenig wie der Umstand, dass die dann trickreich installierte neue Ethikchefin, die Personalberaterin Irina Kummert, sogleich ein falsches Dokument an die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb verschickte.

Eine Frauen-Initiative um Steinhaus hatte bei der Ethikkommission Beschwerde gegen Rainer Koch eingelegt, Anlass war sein Verhalten der Schiedsrichterin gegenüber. Steinhaus zeigt sich mittlerweile "sehr verwundert" über Kummerts Vorgehen - und hat ihr mitgeteilt, dass sie die Sache ob des Vertrauensverlustes in die neue Ethiker-Runde nicht mehr interessiere. Zumindest einer dürfte sich darüber freuen: Eines von zwei anhängigen Koch-Verfahren dürfte nun wohl eingestellt werden.

Die DFB-Amateurfunktionäre, die für ihre Kontrolltätigkeit ein Monatsentgelt von rund 4300 Euro einstreichen, kümmert das alles nicht: Vergangene Woche winkten sie Kummerts neue Ethiker-Gruppe durch. Das - inklusive Büroleiter - sechsköpfige Gremium, das einst Kaliber wie Klaus Kinkel, Thomas Oppermann und den unter Protest ausgestiegenen Nikolaus Schneider, lange Jahre Vorsitzender der evangelischen Kirchen Deutschlands, versammelt hatte, verfügt nun neben Kummert über einen weiteren Wirtschaftsmediator sowie über gleich drei (teils ehemalige) Amtsrichter aus dem Bonner Umland, die sich problemlos per Fahrrad erreichen können.

Die neue DFB-Ethikkommission steht sofort im Fokus: Sie soll den Verband vor allem auch in "Menschenrechtsfragen" beraten

Und auch das ist wiederum bedeutend für: die Causa Katar. Das geplante Bündnis mit einem Staat, der trotz erzwungener Reformen in der Arbeitsgesetzgebung und der formalen Abschaffung der quasi-Leibeigenschaft weiter scharf kritisiert wird - für seine Haltung zu Menschenrechten, Meinungsfreiheit und vielerlei Diskriminierungen etwa - sollte ja moralisch irgendwie legitimiert werden. Am Mittwoch brachte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die öffentliche Wahrnehmung so auf den Punkt: "Schwarz-Rot-Gold auf deutschen Fußballtrikots ist keine Lizenz zum Geld drucken", sagte er der Bild, der DFB trage da eine große Verantwortung.

Der Verband hat sogar seit April ein eigenes Leitbild zum Thema Menschenrechte, die er ebenso wie "höchste internationale Arbeitsstandards einhalten und fördern" wolle. Plakative Aussage - aber wie prüft, kontrolliert und stärkt der DFB nun das, was er seine "menschenrechtliche Sorgfalt" nennt? Hier kommt die eilig zusammengestöpselte Ethiker-Combo ins Spiel. Der falle "eine wichtige Rolle" zu, heißt es in der Menschenrechts-Policy des DFB. Denn: "Die Kommission befasst sich insbesondere mit Fragen der Fairness und Integrität, was auch für die Achtung der Menschenrechte grundlegend ist. Dem DFB-Präsidium wird sie zukünftig (...) auch in Menschenrechtsfragen beratend zur Seite stehen."

Kummert und Co. sind also auch in der Causa Katar gefragt: Wo sonst hätte der DFB ein gewaltigeres Ethik-Thema zu bewältigen? Zwar können die Ethiker nicht faktisch entscheiden über fragwürdige Geschäftsdeals - sie vereiteln können sie aber sehr wohl, mit klaren Stellungnahmen. Wie sollte der DFB einen Deal erklären, den die eigenen Ethiker ablehnen?

Vor diesem Hintergrund erscheint besonders spannend, wie die Bewertung der neu installierten Gruppe ausfallen wird. Und so wird aus stillen Verhandlungen ein großes Spektakel. Denn noch viele andere Fragen stellen sich: Wie würde dieses erste große internationale Werbegeschäft des DFB bei seinen Millionen Mitgliedern ankommen? Wie würden es die Mitsponsoren begrüßen, Adidas, Telekom, VW? Und wie sehen das die Nationalspieler? Sie haben sich schon mit humanitären Botschaften positioniert, auf Trikots und Kapitänsbinde.

Und was, wenn der Geldgeber vom Golf, wie es ab gewissen Vertragsdimensionen üblich ist, einen Markenspot drehen möchte? Das brächte viel Gegenwert für die Werbemillionen. Lancieren dann deutsche Nationalspieler Werbebotschaften für Katar? Wie würden ihre Arbeitgeber reagieren, die Klubs?

Vielleicht löst sich das Problem aber auch anders. Katar ist nun, in der heißen Vorbereitungsphase für die umstrittene WM 2022, mit gut gefüllter Kriegskasse unterwegs. Eine großzügige Image-Korrektur, im Marketing-Sprech "white washing" genannt, schadet da nicht. Einerseits. Andererseits ist das Thema so sensibel, dass solche Strategien auch nach hinten losgehen können. Der stille Deal birgt hohe Risiken - für beide Seiten.

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