DFB-Frauen:Plötzlich Nummer eins - mit nur acht Länderspielen

Germany v Montenegro - UEFA Women's European Championship 2021 Qualifier; Merle Frohms

Die eine zurückhaltend, die andere laut: Merle Frohms vertritt die verletzte Almuth Schult.

(Foto: Karina Hessland/Getty Images)
  • Merle Frohms wird zur DFB-Torhüterin aufgebaut.
  • Stammtorhüterin Almuth Schult muss verletzungsbedingt pausieren.
  • Sie stand während der WM mit verletzter Schulter im Tor der DFB-Frauen.

Von Anna Dreher

In der 34. Minute ist es soweit gewesen, Merle Frohms konnte zeigen, dass sie auch diesen für eine Torhüterin wichtigen Bewegungsablauf im Repertoire hat. Die 24-Jährige sprang in die Luft, boxte den Ball weg und tat das im Duell mit Christina Kokoviadou gleich so energisch, dass sie Glück hatte, nicht frühzeitig vom Platz zu müssen. Ansonsten aber ist es ein ruhiger Dienstagmittag mit der deutschen Nationalmannschaft gewesen für Frohms. Alexandra Popp (33. Minute), Lena Oberdorf (40.), Sandra Starke (66.), Pauline Bremer (75.) und Klara Bühl (90.) sicherten dem Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gegen Griechenland ein 5:0 (2:0). Nach dem 10:0 gegen Montenegro sowie 16 paritätisch aufgeteilten Treffern in den beiden Spielen gegen die Ukraine folgte also der nächste Punktegewinn in der Qualifikation zur EM 2021. Deutschland bleibt mit viel Vorsprung Gruppenerster.

Und während sich Frohms nach ihrem erfolgreich beendeten Arbeitstag ihre wenig strapazierten Handschuhe auszog, saß diejenige, die in dieser Mannschaft sonst verantwortlich dafür ist, Tore zu verhindern, zu Hause in Lomitz im Wendland auf dem Sofa vor ihrem Fernseher.

Schult spielte verletzt bei der WM

Almuth Schult, 28, ist bei der deutschen Nationalmannschaft unangefochten die Nummer eins. Die bei den Frauen in diesem Jahr anhaltend gestellte Torwartfrage ist nicht geleitet gewesen von dem Wunsch nach mehr Gleichbehandlung zwischen der einen und der anderen Torhüterin. Es war vielmehr eine Frage, bei deren Beantwortung der Körper von Schult der entscheidende Faktor war - und ist.

Auf eine hartnäckige und gefährliche Masern-Infektion, die Schult während eines Trainingslagers mit dem VfL Wolfsburg zu Jahresbeginn ausknockte, folgte eine Verletzung an der rechten Schulter. Nach dem Gewinn von Pokal und Meisterschaft ließ sich Schult wenige Wochen vor der Weltmeisterschaft in Frankreich untersuchen; eine Diagnose wurde nicht bekannt gegeben. Auch während der WM wurde dazu geschwiegen, Schult sagte immer wieder, sie fühle sich gut - aber es war nicht ganz klar, wen sie damit vor allem überzeugen wollte: sich selbst, ihre Mannschaft oder die Gegnerinnen.

Erst in einer Ende September ausgestrahlten Dokumentation des NDR hat Schult einen Einblick gegeben, das Ausmaß der Verletzung war wohl erst nach der Operation im Sommer klar: Die lange Bizepssehne und eine Gelenklippe waren ab-, eine Kapsel angerissen. Dass sie dennoch ihre erste WM als Nummer eins bestritt, wunderte selbst den Arzt. Aber Schult wollte das unbedingt. "Wenn man weiß, man wird gebraucht, dann geht man über Grenzen. "Als Torwart muss man immer suggerieren, dass es einem gut geht", sagt Schult in dem Film: "Wenn der Gegner eine Schwäche erkennt, wird er mehr aufs Tor schießen. Und dann steht man da und sagt: Du schießt hier keinen Ball rein, mir geht's super. Das musste ich dieses Jahr leider sehr oft schauspielern."

"Das ist jetzt einfach wieder eine Erfahrung, aus der ich stärker herauskomme"

Das 1:2 im Viertelfinale gegen Schweden beendete nicht nur die WM für die Deutschen (und bedeutete das Verpassen der Olympischen Spiele 2020), sondern auch Schults Kampf gegen die Schmerzen und gegen ihren Körper. Die folgende Operation markiert den Anfang einer langen Rehabilitationsphase. Bis zur Rückkehr könnten insgesamt fünf bis acht Monate vergehen, schätzt Schult. "Das ist jetzt einfach wieder eine Erfahrung, aus der ich stärker herauskomme", sagt sie der SZ: "Beim VfL und bei der Nationalmannschaft läuft es gut, das macht es mir leichter. Ich gebe mir Zeit, wieder komplett fit zu werden."

Es ist eine ungewöhnliche Situation. Die 1,80 Meter große Schult ist mit ihrer Reaktionsschnelligkeit, Strafraumbeherrschung und Persönlichkeit zu präsent, als dass sie - trotz mancher Patzer - sonst Pausen hätte einlegen müssen. Das weiß die zweite Garde, zu der noch Laura Benkarth, 26, vom FC Bayern München und die bei HSC Montpellier spielende Lisa Schmitz, 27, gehören. Und so ist Schults Verletzung auch eine Chance. Für Frohms, weil sich die Torhüterin des SC Freiburg sonst wohl kaum mit einer derartigen Einsatzgarantie seit der WM hätte zeigen können. Und für die Nationalmannschaft, die in ihrer selbst ausgerufenen Findungs- und Entwicklungsphase unverhofft auch testen kann, wie es ist, wenn nicht die laute Stimme von Schult über den Platz hallt und sie deren Selbstbewusstsein und die Erfahrung aus 64 Länderspielen hinter sich weiß.

Frohms ist zurückhaltender in ihrer Art und zeigt bisher weniger den Drang, sich so stark in den Spielaufbau einzubringen wie Schult. Es ist Frohms zweites Jahr in der DFB-Auswahl, acht Länderspiele hat sie bisher bestritten. Ihre ersten Einsätze im Herbst 2018 fallen ebenfalls in eine Phase, in der Schult ausgefallen war, nachdem sie sich im Champions-League-Spiel bei Atletico Madrid am Sprunggelenk verletzt hatte. Nun rückt Frohms erneut in den Fokus. Als Jüngste kann sie schon jetzt zu einer starken Nachfolgerin von Schult aufgebaut werden. Dass die Wahl auf sie gefallen ist, liegt aber auch an ihrem fußballerischen Können, das freilich gegen schwächere Gegner in der Qualifikation zuletzt noch nicht gefordert wurde. "Merle muss grundsätzlich erst mal in ihre neue Rolle mit all ihren Anforderungen hineinwachsen", sagt DFB-Torwarttrainer Michael Fuchs: "Da sind diese Spiele wichtig für ihre Erfahrung und Entwicklung." Der erste ernsthafte Test steht bereits fest: Am 9. November gegen die offensivstarke englische Auswahl. Im Wembley-Stadion. Vor mehr als 77 000 Zuschauern.

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