Am Mittwochvormittag verschickte Lena Oberdorf eine Nachricht über ihren Instagram-Kanal, die nicht nur bei denjenigen, die es mit der Fußballerin halten, für große Erleichterung gesorgt haben dürfte. Sondern auch bei denjenigen, die es begrüßen, wenn die Erfolgschancen des deutschen Nationalteams grundsätzlich besser stehen. Was nicht unwesentlich davon abhängt, ob Oberdorf dabei ist oder nicht.
„Hätte mir mein erstes Spiel als Aushilfskapitän durchaus anders vorgestellt“, schrieb sie. „Aber manchmal gibt es so Tage, alles halb so wild.“ Damit teilte Oberdorf zwar noch nicht das Ergebnis jener Untersuchungen mit, die am Mittwoch in Wolfsburg durchgeführt wurden. Aber die 22-Jährige gab immerhin Entwarnung – das war nach den Bildern des vorherigen Abends schon etwas wert. Denn die ließen vermuten, dass diese eine Szene aus dem EM-Qualifikationsspiel gegen Polen gravierende Folgen für die Olympischen Spiele in sieben Wochen nach sich ziehen könnte.
Jene Szene in der 38. Minute, als Oberdorf mit Ewelina Kamczyk zusammenrasselte. Wie sich danach in ihrem Gesichtsausdruck immer mehr der Schmerz abzeichnete, bis ihr Tränen die Wangen runterliefen. Wie sie von Betreuern gestützt über den Rasen humpelte und dann huckepack in die Kabine getragen werden musste, weil nichts mehr ging. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte am Abend mit, sie habe einen Schlag auf die linke Wade bekommen. In Kombination mit der Information der Verletzten selbst ließ sich aus der Ferne spekulieren, dass womöglich nichts gerissen war, sondern eher geprellt.
„Ich weiß nicht, warum wir es uns in der ersten Halbzeit immer so schwer machen“, sagt Lea Schüller
Dass eine zentrale Spielerin, deren Ausfall nicht hätte kompensiert werden können, wohl genügend Zeit haben wird, wieder fit zu werden – darüber werden vor allem sie selbst, das Nationalteam und Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch verdammt froh sein: Eine Sorge weniger.
Die Bilanz in der Qualifikation für die EM 2025 mag nach dem 3:1-Sieg gegen Polen zwar mit vier Siegen in vier Partien optimal sein. Die DFB-Frauen wissen nun, dass sie für das Turnier in der Schweiz planen können. Was den bedeutsamen Nebeneffekt hat, dass sie an diese Aufgabe einen Haken setzen und sich ganz auf die ausgegebene Medaillenmission bei Olympia konzentrieren können. Aber auch in diesem Spiel setzte sich ein Muster fort, das leider nicht durchgehend durch Kreativität, Effizienz oder Effektivität besticht. Fehler kann die Mannschaft auch gegen Australien (25. Juli), Rekordweltmeister USA (28. Juli) und Sambia (31. Juli) gerade nicht auffangen.
Hrubesch lobte sein Team zwar dafür, dass es druckvoll spiele und nicht nachlasse. Er sagte aber auch: „Dass wir das erst wieder in der zweiten Halbzeit gemacht haben, ärgert mich natürlich auch ein bisschen.“ Die Einschränkung mag den Minuten geschuldet gewesen sein, die seit dem Schlusspfiff vergangen waren. Während der Partie sah es vielmehr danach aus, als ärgere sich der 73-Jährige nicht nur ein bisschen über dieses Problem, das schwer einzufangen zu sein scheint. „Ich weiß nicht, warum wir es uns in der ersten Halbzeit immer so schwer machen“, sagte Lea Schüller, die mit ihren Treffern in der 51. und 69. Minute wieder mal maßgeblich am Erfolg beteiligt war. Das dritte Tor steuerte Klara Bühl bei (77.). „In der zweiten Halbzeit zeigen wir dann ja, wie wir es eigentlich können. Deshalb habe ich wirklich keine Erklärung dafür.“
Es herrsche vielleicht „zu viel Angst“, Fehler zu machen, meint Kapitänin Popp
Wenn sich die starken olympischen Gruppengegner – auch gegen Sambia verloren die DFB-Frauen zuletzt – die Auftritte der Deutschen aus diesem Jahr genauer anschauen, erhalten sie einen klaren Hinweis: Idealerweise in den ersten 45 Minuten voll aufs Tor drängen. In vier von sechs Spielen gerieten die Deutschen dieses Jahr auf diese Weise in Rückstand. „Wenn ich es wüsste, würde ich es verändern“, sagte Hrubesch zu diesem Defizit, das entsteht, weil es an Konsequenz fehlt, Torchancen nicht genutzt werden, weil die Defensive bisweilen wackelt. Und, wie Kathrin Hendrich es formulierte, weil durch „dumme Fehler“ die Gegnerinnen gestärkt werden. Kapitänin Alexandra Popp machte Nervosität als Ursache aus. Es herrsche vielleicht „zu viel Angst“, Fehler zu machen und in Rückstand zu geraten – was ironischerweise gerade dann passiert.
Beruhigend war bisher, dass ihr Team – außer gegen Frankreich beim Jahresauftakt – nach der Pause immer wieder aufdrehen und durch variablere, entschlossenere Auftritte noch gewinnen konnte. Auch wenn Hrubesch im Rahmen seines Olympia-Castings oder zur Belastungssteuerung auch unerfahreneren Nationalspielerinnen eine Chance gab. Nur: Das mag gegen Österreich, Island und Polen funktioniert haben. Gegen robustere, raffiniertere sowie selbstbewusstere Australierinnen und US-Amerikanerinnen dürfte das kniffliger werden. Sie werden Schwächephasen potenziell für mehrere Tore nutzen. Ein Comeback würde da schwieriger.
„Die Mädels müssen jetzt erstmal in den Urlaub“, sagte Horst Hrubesch, „damit sie mal die Beine ein bisschen hochlegen können, vielleicht ein bisschen Fahrrad fahren oder schwimmen und sich erholen. Dann werden wir sehen, was passiert.“ Bis Anfang Juli muss er sich entscheiden, welche 16 Feldspielerinnen und zwei Torhüterinnen er zu Olympia mitnimmt – und versuchen, einen Weg zu finden, den Anteil an starken Halbzeiten zu verdoppeln.