Süddeutsche Zeitung

Rainer Koch und Steinhaus-Webb:Der nächste Präsident vor den Ethikern

Angebliche Drohungen aus dem Verband und ein irritierender Anruf von Rainer Koch: Der Umgang mit Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb wird untersucht. Zugleich äußert Interimschef Peter Peters heftige Kritik an seinem Amtskollegen Koch.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Die Interimspräsidentschaft ist beim Deutschen Fußball-Bund zum Standard-Instrument geworden. Schon das dritte Mal in den vergangenen fünfeinhalb Jahren führen zwei Übergangschefs die Geschäfte. Deren Auftrag lautet gewöhnlich, Ruhe in den überhitzten Verband zu bringen. Aber unter der aktuellen Leitung von Rainer Koch, als oberster Amateur-Repräsentant schon das dritte Mal am Ruder, und Liga-Vertreter Peter Peters kann von Ruhe keine Rede sein. Stattdessen steigt die Aufgeregtheit in immer höhere Drehzahlen, wie neue Vorgänge dokumentieren.

Zum einen wurde der SZ am Donnerstag bestätigt, dass sich die Ethikkommission des DFB mit den Vorgängen rund um die Reform-Initiative "Fußball kann mehr" und die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb beschäftigt: Es geht um angebliche Drohungen aus dem Verband und einen irritierenden Anruf von Koch. Zum anderen gibt es einen Bruch auf offener Bühne zwischen den Interimschefs Koch und Peters.

"Als Doppelspitze geht man so nicht miteinander um"

Auslöser dafür ist ein am Dienstagabend publiziertes Gespräch Kochs mit dem Spiegel. Darin beklagte er eine mediale Kampagne gegen seine Person, auch attackierte er wieder die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die Peters vertritt. Zwei Tage später erfolgte Peters' Konter. "Ich bin überrascht und enttäuscht vom ersten großen Interview, das Rainer Koch als Interims-Präsident ohne Vorwarnung in einer der tiefsten Krise seit Bestehen des DFB gegeben hat", sagte der frühere Schalker Finanzvorstand der Bild. "Als Doppelspitze geht man so nicht miteinander um. Auch inhaltlich habe ich damit an vielen Stellen meine Probleme." Einige Dinge seien "nicht fair" oder schlicht "unwahr". Das bezieht er insbesondere auf die "Verschwörungstheorie", dass die DFL den DFB finanziell schwächen wolle.

Peters erklärte zwar, es sei sein Ziel, in der aktuellen Konstellation bis zu dem für Anfang 2022 avisierten Bundestag weiterzumachen. Doch angesichts der neuen, altvertrauten Töne ist zweifelhaft, ob das so lange funktioniert. Zudem stellt sich nun die Frage, ob sich Koch so lange im Amt halten kann. Denn eingedenk neuer Erkenntnisse und der Aktivitäten der Ethiker zum Umgang mit Schiedsrichterin Steinhaus-Webb könnte es noch eng für ihn werden.

Vor rund zwei Wochen ging eine Gruppe von neun Frauen um das frühere HSV-Vorstandsmitglied Katja Kraus, Nationaltorhüterin Almuth Schult und Steinhaus-Webb an die Öffentlichkeit und forderte weitreichende Veränderungen im DFB und im Fußball. Zugleich machte die Gruppe publik, dass Steinhaus-Webb, die ihre aktive Karriere beendet hat, aber im Kölner DFB-Videokeller weiter zum Einsatz kommt, aus dem Verband Aufforderungen erhalten habe, ihr Mitwirken in der Initiative zu überdenken.

Koch spricht von "beidseitigen Irritationen"

Was von wem genau gesagt wurde, sagt sie nicht öffentlich. Koch sagt, er habe Steinhaus-Webb nicht bedrängt, sich nicht an der Initiative zu beteiligen. Vielmehr habe er ihr das Mitwirken an verbandsinternen Debatten zu mehr Diversität in Gremien und Strukturen offeriert.

Klar ist jedoch, dass es häufig Kontakt zwischen den beiden gab - und darunter ein ungewöhnliches Telefonat am vergangenen Donnerstag. Da meldete sich Koch bei Steinhaus-Webb und schaltete sie einfach mittenrein in ein Gespräch mit einem Vertreter der Sport-Bild. Seine Aufforderung: Sie solle dem Journalisten klar erklären, dass Koch sie niemals angehalten habe, die Reform-Initiative zu verlassen. Steinhaus war stark irritiert - und wollte das so nicht bestätigen. Stattdessen wandte sich nun die Frauen-Gruppe ans Ethikkomitee.

"Wir sind mit der Initiative nicht losgegangen, um eine Opposition zum DFB zu sein. Unser Veränderungsansinnen ist weitreichender und betrifft den Fußball insgesamt", teilt sie der SZ mit. Deshalb wolle man auch mit dem DFB, der DFL und den Klubs zu konkreten Maßnahmen ins Gespräch kommen. "Auf diesem Weg ist uns auch die destruktive Machtstruktur im DFB begegnet und hat sich ganz konkret gegen eine unserer Kolleginnen gerichtet. Wir haben die Vorgänge als Gruppe der Ethikkommission gemeldet. Bibiana Steinhaus wird ausschließlich dort zu dieser Sache aussagen. Also genau dort, wo es hingehört."

Koch sagte dazu dem Spiegel, es seien "beidseitige Irritationen" entstanden. Er habe Steinhaus-Webb zu einem Gespräch mit einem Journalisten hinzugezogen und sie gebeten, wie zuvor angeblich bereits intern, nun auch gegenüber dem Medienvertreter zu erklären, dass er, Koch, sie zu keinem Zeitpunkt aufgefordert habe, die Fraueninitiative zu verlassen. "Leider war sie zu einem öffentlichen Statement nicht bereit", so Koch: "Ich fand dies meinerseits wenig konstruktiv für den von uns beiden angestrebten Weg zu mehr Diversität im DFB."

Steinhaus hat sich zum konkret Erlebten bisher öffentlich zurückgehalten - nun bringt sie den Vorfall zu den Ethikern. Damit liegt das Funktionärs-Schicksal von Koch, der auch oberster Vize für Amateure und Recht, Präsident des bayerischen und des süddeutschen Verbandes sowie Vorstandsmitglied in Europas Fußball-Union ist, in den Händen des Ethikkomitees. Dieses war auch im jüngsten Machtkampf zwischen Präsident Fritz Keller und General Friedrich Curtius, die beide nicht mehr im Amt sind, oft angerufen worden. Dass Keller seinen Vize Koch in Anspielung an einen berüchtigten Nazi-Juristen in einer internen Sitzung "Freisler" nannte, brachten die Ethiker vors Sportgericht. Keller trat zurück und entging einer Sanktion. Das wäre die Messlatte für Koch, sollten die Ethiker ein Fehlverhalten feststellen.

Die Zusammenarbeit mit dem ominösen Medienberater wirft neue Fragen auf

Koch war bereits 2019 ein Fall für die Ethiker. Damals hielt das Gremium fest, dass er im April 2014 als bayerischer Verbandschef "massiv Einfluss auf die Wahl einer Beauftragten für den Mädchen- und Frauenfußball im Fußball-Kreis Donau genommen und dadurch möglicherweise persönliche Verletzungen hervorgerufen" habe. Aufgrund der Gesamtumstände sowie der Tatsache, dass die Vorgänge bereits fünf Jahre zurücklagen, wurde aber kein Verfahren eröffnet. Generell schrieben die Ethiker den damaligen Kombattanten ins Stammbuch, der DFB solle besser eine Kultur pflegen, die "einen wertschätzenden und respektvollen Umgang auch in kontroversen Debatten und bei Personalkonflikten ermöglicht".

Nicht nur Koch, auch sein abgetretener Mitstreiter Curtius muss sich heiklen Themen stellen - wegen seines Verhältnisses zum Medienberater Kurt Diekmann, dessen mysteriöse, hochdotierte Tätigkeit seit Monaten im Zentrum des DFB-Grabenkriegs steht. Koch kennt den Berater seit Langem, nun zeigt sich, dass offenbar auch Curtius' Bekanntschaft mit Diekmann ausgeprägter ist als bisher bekannt. Denn von Verbandsseite hieß es dazu stets, die Aktivitäten des Beraters für den DFB hätten im April 2019 begonnen. Nun zitiert Bild aus einer vorliegenden Mail Diekmanns, nach der es "unumstößliche Tatsache" sei, dass er "beginnend im Sommer 2018 ohne Gegenleistung meine Arbeit für die Wahrung der Interessen von Curtius gegenüber dem Spiegel aufgenommen habe". Diekmann arbeitete zwischen 2016 und Mai 2019 auch mit dem Spiegel zusammen.

Falls es bereits ab Sommer 2018 Treffen und eine Zusammenarbeit gab, wäre das pikant: Nur gut ein halbes Jahr später, im April 2019, stürzte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Damals brüstete sich Diekmann in einer internen Mail an seine Partner beim Spiegel, dass er mitgeholfen habe, den als "Grinch" bespöttelten Verbandschef zu Fall zu bringen.

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