Zukunft der DFB-Elf:Marco Reus reißt alle mit

Germany v Estonia - UEFA Euro 2020 Qualifier

Marco Reus schickt den Ball auf die Reise, das Ziel: der Winkel des gegnerischen Tors.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Marco Reus zeigt beim 8:0 der deutschen Mannschaft gegen Estland, wie wichtig er für die junge Nationalelf ist.
  • "Er ist in fantastischer Verfassung", lobt Aushilfs-Bundestrainer Marcus Sorg den zurzeit wichtigsten DFB-Spieler.
  • Reus beendet die Saison in Topform - die Erwartungen an ihn für die kommende Spielzeit sind immens.

Von Lisa Sonnabend, Mainz

Die meisten Menschen trinken, wenn sie etwas zu feiern haben, ein Glas Champagner oder sowas. Auch Marco Reus hätte am Dienstag allen Grund gehabt, sich etwas zu gönnen. Auf spektakuläre Weise hatte der 30-jährige Nationalspieler zuvor das Spiel geprägt. Mal wieder. Doch als Reus in schwarzer Trainingsjacke aus der Stadionkabine geschlendert kam, hatte mitnichten ein gefülltes Glas dabei. Stattdessen hielt er in der rechten Hand einen Becher mit Melonen-Stückchen und in der linken Hand eine Plastikgabel. So sehen Sieger aus.

8:0 hatte die DFB-Elf am Dienstagabend in Mainz in der EM-Qualifikation Estland abgefertigt. Reus gelang dabei das frühe Führungstor und kurz vor der Halbzeitpause ein wundervoller, gefühlvoller Freistoßtreffer. "Wahrscheinlich war dies mein schönstes Länderspieltor", gab selbst der bescheidende und zurückhaltende Reus nach dem Spiel zu, während er den Becher mit den Melonen umklammerte.

Eine ohnehin außergewöhnliche Saison von Reus hatte die perfekte Schlussanekdote bekommen. Nun steht der Sommerurlaub an, was dem BVB-Angreifer allerdings alles andere als gelegen kam. "Wenn es gut läuft", sagte er, "kannst du eigentlich immer weiterspielen."

Reus harmoniert gut mit Gnabry und Sané

17 Treffer hat Reus in der vergangenen Saison in der Bundesliga für Dortmund erzielt, zwölf Tore bereitete er vor. "Er spürt den Fußball", schwärmte sein Trainer Lucien Favre vor ein paar Monaten. Beinahe hätte der Kapitän seinen Klub sogar zur Meisterschaft geführt, zwei Pünktchen lag Dortmund am Ende hinter dem FC Bayern. Reus ist jedoch nicht nur wegen seiner Torgefahr so wichtig für den BVB und die Nationalelf.

Sondern auch wegen seiner unaufgeregten, bescheidenen Art und seiner Erfahrung. Er reißt die Teamkollegen mit, er wählt während und nach dem Spiel meist die richtigen Worte. "Wenn du einer der Ältesten bist", hatte Reus, der im März Vater wurde, vor ein paar Tagen dem Magazin Kicker gesagt, "dann musst du vorangehen und die Jungen mitziehen."

Aushilfs-Bundestrainer Marcus Sorg, der in der Länderspielwoche den erkrankten Joachim Löw vertrat, lobte seinen derzeit wohl wichtigsten DFB-Spieler überschwänglich: "Er ist in fantastischer Verfassung." Das war sogar schon vor dem außergewöhnlichen Estland-Spiel, in dem Reus seine Bilanz auf 13 Länderspieltore hochschraubte.

Bleibt für Timo Werner nur der Platz auf der Bank?

In den Jahren zuvor war sein ungeheuerliches Talent durch Verletzungen immer wieder ausgebremst worden: Es rissen das Außenband, das Syndesmoseband, die Muskelfasern und das Kreuzband. Vor fünf Jahren hatte er dabei im Mainzer Stadion, wo Reus nun seinen gelungenen Saisonabschluss feierte, seinen wohl schlimmsten Fußballabend erlebt: Im letzten Testspiel vor der WM 2014 erlitt er eine schwere Verletzung, die Mannschaft holte ohne ihn den Titel. In dieser Saison dagegen stehen in seiner Krankenakte lediglich zwei Mini-Blessuren: eine Bänderdehnung und ein leichter Muskelfaserriss. "Es war meine erste Saison, in der ich richtig durchspielen konnte", bilanzierte der zufriedene Reus in Mainz.

Beim frühen WM-Aus vor einem Jahr hatte die DFB-Offensive oft gehemmt gewirkt. Reus ist es nun gelungen, gemeinsam mit den jungen Serge Gnabry vom FC Bayern und Leroy Sané von Manchester City innerhalb weniger Monate Spielfreude und Kreativität ins Team zurückzubringen.

Das neue Sturm-Trio harmoniert, obwohl die Spieler in drei verschiedenen Vereinen angestellt sind. Fünf der acht Tore gegen die - allerdings recht schwachen - Esten erzielten sie, auch Gnabry traf zweimal. Wenn Reus weiter derart gute Leistungen zeigt, bleibt für Timo Werner, den hoch gehandelten Stürmer von RB Leipzig, nur ein Platz auf der DFB-Bank.

In Mainz stand Reus noch lange in der Mixed-Zone, er beantwortete geduldig jede Frage der Reporter, so als wolle er das Saisonende noch etwas hinauszögern. Ob er dem Beginn der neuen Saison entgegenfiebert? "Es geht wieder von ganz vorne los", sagte er trocken. Doch die Erwartungen an ihn sind nun immens. Der BVB will mit ihm in der Meisterschaft wieder die Münchner angreifen, im Sommer bei der Europameisterschaft will der DFB mit ihm um den Titel mitspielen. Wenn bloß keine Verletzung dazwischenkommt.

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